Verdächtige Vorgänge

Unterstützung im Ukraine-Krieg: Nordkorea liefert offenbar bereits Waffen an Russland

  • Sven Hauberg
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Waffen gegen Lebensmittel und Technologie: So könnte ein Deal zwischen Nordkorea und Russland aussehen. Offenbar ist der Transfer bereits im Gange.

Immerhin, eine Waffe aus russischer Fabrikation konnte Kim Jong-un nach seinem Treffen mit Wladimir Putin Mitte September bereits mit nach Hause nehmen: Russlands Präsident habe Nordkoreas Diktator „ein Gewehr aus unserer Produktion und von höchster Qualität“ überreicht, erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, nachdem die beiden Herrscher am Weltraumbahnhof Wostotschny in Russlands Fernem Osten zusammengekommen waren. Putin habe im Gegenzug ein Gewehr aus Nordkorea erhalten, so Peskow weiter.

Bei dem einen Gewehr für Kim dürfte es allerdings kaum bleiben, da sind sich Experten und westliche Geheimdienste sicher – trotz Zusicherungen des Kreml, Kim und Putin hätten keine entsprechenden Abkommen unterzeichnet. Denn Russland benötigt Waffen für seinen Krieg gegen die Ukraine und das bettelarme, aber hochgerüstete Kim-Regime russische Technologie sowie Lebensmittel- und Energielieferungen. Ein für beide Seiten perfekter Deal.

Eine neue Analyse von Beyond Parallel, dem Korea-Projekt der US-Denkfabrik CSIS, legt nun nahe, dass dieser Deal, den es offiziell gar nicht gibt, bereits in vollem Gange ist. Die Analysten haben dazu Satellitenbilder ausgewertet, die am 5. Oktober von einem Eisenbahngelände in Tumangang aufgenommen wurden, einer nordkoreanischen Stadt nahe der Grenze zu Russland. Mindestens 73 Waggons seien auf den Bildern zu sehen – in den vergangenen fünf Jahren hingegen seien dort nie mehr als 20 Waggons beobachtet worden.

Kim Jong-un und Russlands Verteidigungsminister Sergei Shoigu besuchen Mitte September einen Flugplatz in der Nähe von Wladiwostok.

Nordkorea und Russland: Waffen gegen Lebensmittel?

„In Anbetracht der Tatsache, dass Kim und Putin auf ihrem jüngsten Gipfeltreffen einen gewissen militärischen Austausch und eine Zusammenarbeit besprachen, ist der dramatische Anstieg des Eisenbahnverkehrs wahrscheinlich ein Hinweis auf die Lieferung von Waffen und Munition durch Nordkorea an Russland“, so die Analysten. Da die Eisenbahnwaggons abgedeckt seien, könne man allerdings nicht erkennen, was sich darin befinde.

Die Beobachtungen deckten sich jedoch mit jüngsten Aussagen eines US-Regierungsbeamten, der dem Fernsehsender CBS am Donnerstag bestätigt hatte, dass Nordkorea mit der Lieferung von Artilleriewaffen an Russland begonnen habe. Diese seien wahrscheinlich für Russlands Truppen im Ukraine-Krieg vorgesehen, so die Beyond-Parallel-Analysten. In Russland hatte Kim Jong-un nicht nur einen Weltraumbahnhof besichtigt, sondern auch eine Produktionsstätte für Kampfjets, und sich Moskaus neueste Hyperschallraketensysteme zeigen lassen.

Experten zufolge hat Wladimir Putin vor allem an nordkoreanischen Kurzstrecken-Raketen sowie Artillerie- und Panzergeschossen aus Sowjet-Produktion Interesse. Letztere soll Nordkorea in großen Mengen besitzen. Das Regime in Pjöngjang wiederum könnte von russischer Satelliten-Technik profitieren. Nordkoreas Versuche, einen eigenen Spionagesatelliten ins All zu schießen, waren zuletzt zweimal gescheitert. Das Korea Institute for National Unification, eine Denkfabrik aus Seoul, erwartet bereits in den kommenden zwei Wochen einen dritten Satellitenstart. Auch könnte Kim Lebensmittellieferungen aus Russland gefordert haben. Nordkorea leidet seit Jahren an einer chronischen Lebensmittelknappheit, die sich Berichten zufolge in diesem Jahr erneut verschärft hat.

Nordkorea rüstet offenbar nuklear weiter auf

Unklar ist, inwieweit China, das Nachbarland von Russland und Nordkorea und ein enger Verbündeter, in die Pläne eingeweiht ist. Während Kims mehrtägigem Russland-Besuch hatte Peking erklärt, es handle sich um eine Angelegenheit, die nur die beiden Länder etwas angehe. Waffenlieferungen an Nordkorea wären allerdings ein Verstoß gegen Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat mit chinesischer (und auch russischer) Unterstützung in den vergangenen Jahren erlassen hatte.

Unterdessen mehreren sich die Hinweise darauf, dass Nordkorea erstmals seit 2017 wieder einen Atomtest durchführen könnte. Geheimdienstinformationen aus Südkorea und den USA deuten darauf hin, dass Nordkorea den Atomreaktor Yongbyon unlängst kurzzeitig stillgelegt hat. Dies könnte bedeuten, dass abgebrannte Brennstäbe entnommen wurden, um daraus waffenfähiges Plutonium zu gewinnen, berichtete in der vergangenen Woche die südkoreanische Zeitung Dong-a Ilbo unter Berufung auf unterrichtete Kreise.

Kim Jong-un hatte erst vor wenigen Tagen die nukleare Aufrüstung seines Landes in die Verfassung aufnehmen lassen. Nordkorea müsse „schnell hochgradig nukleare Waffen“ entwickeln, um „Recht des Landes auf Existenz und Entwicklung sicherzustellen, von Krieg abzuschrecken und regionalen und globalen Frieden zu wahren“, sagte Kim laut der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA Ende September. Für die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel macht Kim die USA und Südkorea verantwortlich. Beide Länder waren zuletzt unter dem konservativen Präsident Yoon Suk-yeol noch enger aneinander gerückt; die USA hatten unter anderem erstmals seit Jahrzehnten wieder ein Atom-U-Boot nach Südkorea entsandt und im August ein großes Militärmanöver mit Seoul durchgeführt.

Rubriklistenbild: © KCNA/AFP