Peacekeeping

„Im eigenen Interesse“: Warum Deutsche in fernen Ländern Frieden schützen

  • Florian Pfitzner
    VonFlorian Pfitzner
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Weltweit sichern Peacekeeper einen häufig fragilen Frieden. Warum engagieren wir uns in fernen Ländern, während Konflikte in Europa toben?

Berlin – Sie riskieren ihre Sicherheit, um andere zu schützen. „Peacekeeper“ treten innerhalb internationaler Friedensmissionen für Frieden und Freiheit auf der Welt ein. Häufig unter „sehr gefährlichen Rahmenbedingungen“, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) während eines Festakts in Berlin betont, als er ausgewählte deutsche Peacekeeper würdigt: Männer und Frauen, die „unter Einsatz ihres eigenen Lebens dazu beitragen, Vertrauen aufzubauen“ – ob in Uniform oder in Zivil, vor der Küste Libanons oder in Somalia, im Südsudan oder in Armenien.

Während Pistorius am „Tag des Peacekeeping“ die Arbeit sämtlicher deutscher Kräfte in den Krisenregionen der Welt hervorhebt, fangen die beiden Ministerinnen Annalena Baerbock (Grüne) und Nancy Faeser (SPD) in der ersten Reihe an zu flüstern. „Wir haben gerade schon getuschelt“, verrät Außenministerin Baerbock dann in ihrer Rede. „Warum sagen wir‘s eigentlich nicht auf Deutsch, es ist doch ein wunderschöner Begriff: Friedensschützerinnen und Friedensschützer.“

Peacekeeper schützen, wo möglich, den Frieden auf der Welt

Derzeit beteiligt sich Deutschland über das Auswärtige Amt, das Innen- und das Verteidigungsministerium mit 876 Personen an internationalen Friedenseinsätzen. Zu ihnen gehören 170 zivile Fachleute, 639 Soldatinnen und Soldaten sowie 67 Polizistinnen und Polizisten. Der erste deutsche Einsatz stieß lokal auf wenig Gegenliebe: 1989/90 engagierte sich der Bundesgrenzschutz, die heutige Bundespolizei, gemeinsam mit der damaligen DDR-Volkspolizei an der UN Transition Assistance Group in Namibia – und damit auf früherem Kolonialgebiet.

Außenministerin Annalena Baerbock ehrt Michelle Dörlemann beim „Tag des Peacekeeping“.

Inzwischen legt man die Missionen reflektierter an. „Sicherheit lässt sich daran messen, wie es dem Schwächsten einer Gesellschaft geht. Sicherheit ist, wenn eine werdende Mutter in Somalia Zugang zu Medikamenten hat.“ Das sagt eine der 172 Frauen im deutschen Friedenseinsatz, Michelle Dörlemann. Die Juristin ist als Judicial Affairs Adviser für eine UN-Mission in Somalia tätig. Sie berät die Justiz des afrikanischen Landes, „auch mit Augenmerk auf die Förderung von Frauen im politischen und rechtlichen Dialog“, wie in ihrem Profil steht. Wie ihre Familie mit ihrem Job umgeht? „Die ist abgehärtet“, sagt Dörlemann während der Ehrung. Ihr Ehemann stehe voll hinter ihr, ohne diese Unterstützung wäre ihre Arbeit kaum möglich.

Pistorius über Peacekeeper: „Sie bringen Zuversicht“

Mit ihrer Interpretation von internationaler Sicherheit trifft Dörlemann ziemlich genau die Vorstellung der Bundesregierung. „Sicherheit ist mehr als nur die Abwesenheit von Krieg und Gewalt“, erklärt Baerbock. „Militärische Mittel allein schaffen keine nachhaltige Sicherheit, genauso wenig wie Diplomatie oder Polizeikräfte allein für Sicherheit sorgen. Sicherheit gibt es nur, wenn sich diese Instrumente jeden Tag ergänzen.“

Einige mögen sich an dieser Stelle fragen, was Peacekeeping in fernen Ländern bringt, während in Europa ein großer Krieg tobt. Der Schutz des Friedens bleibe relevant, auch wenn wir unsere eigene Verteidigung ausbauen, sagt Verteidigungsminister Pistorius und erklärt: „Peacekeeper schützen die lokale Zivilbevölkerung und sichern einen oft äußerst fragilen Frieden. Sie unterstützen eine stabile Entwicklung und helfen dabei, rechtsstaatliche Standards zu etablieren. Sie geben den Menschen ein Gefühl der Sicherheit.“ Und wohl das Wichtigste: „Sie bringen Zuversicht.“

Deutsche Verantwortung, in Krisenregionen zu helfen

Die Hoffnung auf eine Zukunftsperspektive im Libanon oder in Somalia wirkt sich nach dieser Logik global aus. „Peacekeeping ist durch die Zeitenwende relevanter als je zuvor“, sagt Baerbock. Peacekeeping liege gerade in diesen schwierigen Zeiten im ureigenen deutschen Interesse. „Unsere Sicherheit ist mit anderen Weltregionen verknüpft“, argumentiert die Grünen-Politikerin. Die Weltlage schlage sich auch auf die innere Sicherheit nieder – und an dieser Stelle zieht Baerbock die Verbindung zum Ukraine-Krieg: „Wir sind am 24. Februar 2022 in einer anderen Zeit aufgewacht. Wir leben in einer Zeit, in der auch wir auf internationale Unterstützung angewiesen sind.“

Verteidigungsminister Boris Pistorius (l.), und Henning Otte (r.), stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, mit den geehrten Peacekeepern Katrin Lange, Michael Diers und Maik Henningsen.

Pistorius teilt diese Vorstellung weitgehend. Als starke Wirtschaftsnation stehe Deutschland in der Verantwortung, in Krisenregionen zu helfen. „Wir haben ein sicherheitspolitisches Interesse daran, Krisen vorzubeugen und einzudämmen, bevor sie sich auf unsere Sicherheit in Deutschland oder in Europa auswirken“, sagt der Minister. „Zur Ehrlichkeit gehört aber auch: Wir können und wollen uns nicht überall engagieren.“

Der deutsche Beitrag zum Budget des Peacekeeping der Vereinten Nationen beträgt aktuell rund 388,5 Millionen US-Dollar. Mit einem Anteil von 6,4 Prozent am gesamten Budget in Höhe von 6,05 Milliarden US-Dollar ist Deutschland nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums der viertgrößte Beitragszahler. „So schwer uns das fallen mag“, sagt Pistorius, „auch unsere Ressourcen sind endlich.“

Rubriklistenbild: © picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka