Rechtsaußen-Politiker
Höcke empört im Sommerinterview mit Aussagen über Kinder mit Behinderungen
VonSandra Katheschließen
Der AfD-Politiker Björn Höcke bezeichnet schulische Inklusion im Sommerinterview des MDR als „Ideologieprojekt“ – und erntet Kritik von Gewerkschaften und Verbänden.
Berlin – Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke hat mit seinem Auftritt beim MDR-Sommerinterview für Entsetzen bei Bildungs- und Sozialverbänden sowie Gewerkschaften gesorgt. Seine Äußerungen, dass die inklusive Beschulung von Kindern mit Behinderung oder der „Gender-Mainstream-Ansatz“ Ideologieprojekte seien, von denen das Bildungssystem „befreit“ werden müsste, bezeichneten seine Kritikerinnen und Kritiker als „Tabubruch“ und „Angriff auf die Menschenwürde“.
Wie der Spiegel am Mittwoch (9. August) zitierte, hatte Höcke sich in dem Gespräch am Vormittag gegen die Regelbeschulung von Kindern mit Behinderung geäußert, mit der Begründung, dass es sich dabei um einen „Belastungsfaktor“ im Schulsystem handle. Dass Kinder mit Behinderung auch in Regelschulklassen gehen können, ist eine Folge der UN-Behindertenrechtskonvention, die allen Menschen ein Recht auf gleichberechtigte Teilnahme zusichert. Deutschland ist einer von 185 Staaten, die den 2008 geschlossenen Vertrag ratifiziert und sich so zu seiner Umsetzung bekannt haben.
„Tabubruch“ und „Skandal“: Verbände kritisieren Aussagen in Höcke-Interview
Nach Höckes Ansicht seien solche „Ideologieprojekte“ allerdings „Projekte, die unsere Schüler nicht weiterbringen, die unsere Kinder nicht leistungsfähiger machen und die nicht dazu führen, dass wir aus unseren Kindern und Jugendlichen die Fachkräfte der Zukunft machen.“ Im Gespräch mit dem Spiegel haben dem nicht nur zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften und Verbänden widersprochen, sie zeigten sich auch entrüstet über die Aussagen des Politikers.
So betonte die Bundesvorsitzende der gemeinnützigen Bundesvereinigung Lebenshilfe, Ulla Schmidt, gegenüber dem Spiegel, dass ihr Verband es als „Tabubruch und schlicht als Skandal“ erachte, dass Höcke das Recht auf Inklusion infrage stelle: „Angesichts dieser menschenfeindlichen Haltung können wir nur ahnen, wie Herr Höcke mit Menschen mit Behinderung umgehen möchte“. Die Kommunikationsleiterin der „Aktion Mensch“, Christina Marx, betonte gegenüber dem Magazin: „Inklusion ist kein Ideologieprojekt, Inklusion ist ein Menschenrecht. Sie abzuschaffen, ist ein Angriff auf die Menschenwürde.“
Kritik an Interview-Aussagen von Björn Höcke: Auch MDR muss sich kritischen Fragen stellen
Zudem bemerkte Marx gegenüber dem Magazin, dass Mitschülerinnen und Mitschüler mit Behinderung die anderen Kinder und Jugendlichen nicht nur keinesfalls ausbremsten, sondern auch selbst durch entsprechende Ausbildung zu wertvollen Fachkräften würden. „Menschen mit Behinderungen sind die Fachkräfte von heute“, zitiert der Spiegel die „Aktion Mensch“-Sprecherin. Die Teilnahme für Kinder und Jugendliche mit Behinderung am regulären Bildungssystem sei daher eine wichtige Voraussetzung für Ausbildung und Studium.
Auch der Sender sah sich nach der Ausstrahlung des Interviews mit Kritik konfrontiert, warum man Höcke, dessen Thüringer AfD-Landesverband der Verfassungsschutz des Landes als „gesichert rechtsextremistisch“ einstuft, überhaupt eine Plattform bietet. Dem entgegnete der Sender in einer Stellungnahme, dass sich „ein Ausschluss der prägenden Figur der Thüringer AfD, die im Thüringer Landtag die drittgrößte Fraktion stellt“ nicht mit dem journalistischen Auftrag des Senders vertrage. Stattdessen sei es Aufgabe des MDR, „die Positionen in der Thüringer Politik für die Menschen im Freistaat transparent zu machen und einzuordnen.“
Im Sommerinterview des ZDF war zuletzt auch Höckes Parteichef Tino Chrupalla zu Gast. Er forderte etwa ein „Umdenken in der Familienpolitik“, damit künftig wieder mehr Kinder zur Welt kämen. (saka mit AFP)
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