Strafen drohen im Prozess in New York

Donald Trump ignoriert richterliche Nachrichtensperre - mit Kalkül?

  • Daniel Dillmann
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Eigentlich darf Donald Trump nicht über Beteiligte beim Prozess in New York sprechen. Das hält den Ex-Präsidenten nicht auf, könnte aber Folgen haben.

New York – Er redet gerne und viel. Ob vor und nach Gerichtsterminen in New York, im Wahlkampf für die US-Wahl 2024 oder auf seiner eigenen Social-Media-Plattform: Donald Trump hält sich nur selten zurück. Der ehemalige US-Präsident lässt im Gegenteil kaum eine Gelegenheit aus, der Welt mitzuteilen, dass er unschuldig ist, die Anklagen gegen ihn nichts weiter als eine „Hexenjagd“ und seine politischen Gegner allesamt korrupt.

Für Donald Trump stellt dieses Verhalten alltägliches Geschäft dar. Das gilt seit mehr als acht Jahren – genau genommen seit dem 16. Juni 2015 und dem Moment, als er in Begleitung von Ehefrau Melania Trump goldene Rolltreppe im Trump Tower herunterfuhr und seine Kandidatur für die Republikaner in der US-Wahl 2016 ankündigte.

Richter brummt Trump Nachrichtensperre für Prozess in New York auf

Doch genau diese gelebte Praxis könnte alsbald zu einem Verstoß gegen eine richterliche Anordnung werden. Juan Merchan, Richter im Strafprozess gegen Trump in New York, hatte den Angeklagten mit einer sogenannten „Gag Order“ versehen: eine Nachrichtensperre, die sich salopp auch mit dem Wort Maulkorb übersetzen ließe. Trump ist es demnach verboten, sich über Beteiligte im Prozess rund um eine mutmaßliche Schweigegeldzahlung an Erotikdarstellerin Stormy Daniels negativ zu äußern.

Trump vor Gericht: Die wichtigsten Personen beim Prozess in New York

Donald Trump ist der Angeklagte in New York.
Donald Trump ist der Angeklagte in New York. Der ehemalige Präsident der USA ist im Prozess um mutmaßliche Schweigegeldzahlungen in 34 Punkten angeklagt. Vorgeworfen wird ihm dabei nicht die Zahlung von Schweigegeld an sich. Vielmehr soll Trump Geschäftsberichte gefälscht haben, um die Zahlungen geheim zu halten. Damit soll der Kandidat der Republikaner für die US-Wahl 2024 sowohl gegen Steuergesetze wie auch gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen haben. Trump ist der erste Präsident der USA, der sich in einem Strafprozess wiederfindet.  © Pool/Getty Images/afp
Alvin Bragg ist der Staatsanwalt im Prozess gegen Donald Trump.
Alvin Bragg ist der Staatsanwalt im Prozess gegen Donald Trump. Mit seinem Team an Ermittlern ist es sein Ziel, nachzuweisen, dass Trump mit den Schweigegeld-Zahlungen versucht haben soll, die öffentliche Meinung vor der US-Wahl 2016 zu beeinflussen. Bragg ist Mitglied der Demokraten und seit 2022 Bezirksstaatsanwalt des Bezirks New York. © Angela Weiss/afp
Verteidigt wird Donald Trump in New York von Todd Blanche
Verteidigt wird Donald Trump in New York von Todd Blanche. Der ehemalige Staatsanwalt, der seit April 2023 für den Ex-Präsidenten arbeitet, hat beste Beziehungen in das MAGA-Universum. So verteidigte Blanche bereits Igor Furman, ein Mitarbeiter Rudy Giulianis, und Paul Manafort, Trumps ehemaligen Wahlkampfmanager.  © Mark Peterson/Imago
Unterstützt wird Todd Blanche bei der Verteidigung Donald Trumps von Susan Necheles.
Unterstützt wird Todd Blanche bei der Verteidigung Donald Trumps von Susan Necheles. Sie gilt als sehr erfahrene Strafverteidigerin, auf deren Dienste unter anderem Donald Trumps Firma, die „Trump Organization“, in der Vergangenheit vertraute. Wenn Necheles nicht gerade den Ex-Präsidenten oder seinen Familienkonzern vertritt, verteidigt sie andere zwielichtige Gestalten aus New York - darunter in der Vergangenheit auch Venero Frank Mangano. Der mittlerweile verstorbene Mafiaboss galt Zeit seines Lebens als hochrangiges Mitglied der „Cosa Nostra“ und Chef der berüchtigten „Genovese-Familie“. © Pool/Getty Images/afp
Der Richter im Fall von Donald Trump in New York heißt Juan Merchan.
Der Richter im Fall von Donald Trump in New York heißt Juan Merchan. Geboren wurde er in Kolumbien, aufgewachsen ist er in New York. Dort begann er seine Karriere als Staatsanwalt. Seit 2006 ist er als Richter in der Stadt tätig. Merchan gibt an, kein Mitglied einer politischen Partei in den USA zu sein. Bei der US-Wahl 2020 soll er aber nach Informationen von CNN in drei Fällen kleine Geldbeträge an die Demokraten und ihren damaligen Kandidaten, den heutigen US-Präsidenten Joe Biden, gespendet haben. © Jane Rosenberg/dpa
Der Richter im Fall von Donald Trump in New York heißt Juan Merchan.
Sie brachte den Stein ins Rollen. Stephanie Clifford, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Stormy Daniels. Die Erotikdarstellerin behauptet, im Jahr 2006 eine kurze Affäre mit Donald Trump gehabt zu haben. Kurz vor der US-Wahl 2016 soll Trumps damaliger Anwalt Michael Cohen ihr 130.000 Dollar Schweigegeld gezahlt haben, damit die Affäre nicht ans Licht kommt und Trumps Wahlkampf behindert. Dass Daniels im Prozess gegen Donald Trump aussagen wird, gilt als nahezu sicher. © John Angelillo/Imago
Michael Cohen. Der ehemalige Anwalt Trumps gilt mittlerweile als einer seiner größten Gegner.
Die Eröffnungsplädoyers im Prozess gegen Donald Trump haben bewiesen, dass Michael Cohen der für beiden Seiten wichtigste Zeuge werden wird. Der ehemalige Anwalt Trumps gilt mittlerweile als einer seiner größten Gegner. Das dürfte auch daran liegen, dass Cohen 2018 in Zusammenhang mit Geschäften, die er für Trump abwickelte, wegen Steuerhinterziehung und Falschaussagen vor dem Kongress zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden war. © Spencer Platt/afp
Der erste Zeuge im Prozess gegen Donald Trump war David Pecker, ehemaliger Herausgeber des National Enquirer.
Der erste Zeuge im Prozess gegen Donald Trump war David Pecker, ehemaliger Herausgeber des National Enquirer. Pecker stammt wie Trump aus New York. Die beiden verbindet eine Geschäftsbeziehung, die bis in die 1990er Jahre zurückreicht. Vor Gericht bestätigte Pecker, dass er Trump dabei geholfen habe, Geschichten über Affären, die der Ex-Präsident gehabt habe, zu vertuschen. So soll der Zeitungsmann unter anderem in die Schweigegeldzahlungen an Stormy Daniels als auch an Karen McDougal verweickelt gewesen sein. © Imago
Neben Stormy Daniels behauptet auch Karen McDougal, sie habe Schweigegeld von Donald Trump erhalten.
Denn neben Stormy Daniels behauptet auch Karen McDougal, sie habe Schweigegeld von Donald Trump erhalten, um eine neun Monate dauernde Affäre geheim zu halten. Das ehemalige Playmate und spätere Model behauptet, sich zwischen 2006 und 2007 mehrmals mit dem späteren Präsidenten getroffen zu haben. Damit die Geschichte geheim bleibt, soll McDougal 150.000 Dollar erhalten haben. © Imago
Ein weiterer Zeuge, der im Prozess gegen Donald Trump vor Gericht erwartet wird, ist Allen Weisselberg.
Ein weiterer Zeuge, der im Prozess gegen Donald Trump vor Gericht erwartet wird, ist Allen Weisselberg. Er ist der ehemalige Finanzvorstand der „Trump Organization“ und hat bereits Erfahrungen mit New Yorker Justiz sammeln dürfen: Im Januar 2023 wurde Weisselberg zu einer neunmonatigen Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Laut Michael Cohen soll Weisselberg auch in die Schweigegeldzahlungen an Stormy Daniels verwickelt gewesen sein. © Kena Betancur/afp
Eine weitere hochkarätige Zeugin im Prozess gegen Donald Trump könnte Hope Hicks werden.
Eine weitere hochkarätige Zeugin im Prozess gegen Donald Trump könnte Hope Hicks werden. Das ehemalige Model steht seit 2012 mit der Familie Trump in Verbindung und arbeitete unter anderem für Donalds Tochter Ivanka Trump. Ab 2015 war sie Pressesprecherin der Wahlkampagne des späteren Präsidenten und blieb in verschiedenen Positionen auch nach Trumps Wahlsieg für ihn tätig. Im Prozess in New York dürfte sie nach ihren Kenntnissen über mutmaßliche Schweigegeldzahlungen im Wahlkampf 2016 befragt werden. © Andrew Harnik/dpa
Was sagt eigentlich Melania Trump? Die ehemalige First Lady hält sich bislang aus Prozess gegen ihren Mann heraus.
Was sagt eigentlich Melania Trump? Die ehemalige First Lady hält sich bislang aus Prozess gegen ihren Mann heraus. Weder begleitet die dritte Ehefrau Trumps ihn zum Gericht in New York, noch hat sie sich bislang zu den Vorwürfen geäußert, ihr Ehemann habe sie mit Playmates und Pornostars betrogen, während sie mit dem gemeinsamen Kind schwanger war. Bislang steht nicht fest, ob Melania Trump als Zeugin geladen wird. Sollte das geschehen, könnte Donalds Ehefrau wohl von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. © Lynne Sladky/dpa
Zum Thema vor Gericht in New York wurde auch Barron Trump, der jüngste Sohn Donalds und das einzige Kind von Melania Trump.
Zum Thema vor Gericht in New York wurde auch Barron Trump, der jüngste Sohn Donalds und das einzige Kind von Melania Trump. Der über zwei Meter große Teenager feierte im März 2024 seinen 18. Geburtstag und wird noch dieses Jahr seinen Highschool-Abschluss feiern - womöglich ohne seinen Vater. Dessen Anwälte stellten für ihren Mandanten einen Antrag, dass er am 17. Mai, dem Tag der Abschlussfeier seines Sohnes, dem Gericht fernbleiben könne. Im Anschluss behauptete Trump, Richter Juan Merchan habe ihm das verboten - eine Falschbehauptung. Merchan hatte lediglich gesagt, er sei noch nicht bereit, eine Entscheidung über diesen Antrag zu fällen. Diese hinge vor allem davon ab, wie der Prozess in den kommenden Wochen verlaufen werde. © Damon Higgins/Imago

Die „Gag Order“ umfasst etwa die Familien von Merchan und Bragg, sowie das Staatsanwaltschaftsteam, die Geschworenen und die zu erwartende Zeugen im Prozess wie zum Beispiel Stormy Daniels (bürgerlicher Name: Stephanie Clifford) und Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen.

Trump und die „Gag Order“: Die Verstöße in der Übersicht

Die Staatsanwaltschaft wirft Donald Trump vor, seit Prozessbeginn in mindestens 14 Fällen gegen diese „Gag Order“ verstoßen zu haben. Der Nachrichtensender ABC hat die Einzelfälle wie folgt zusammengefasst:

  1. Am 10. April 2024 bezeichnete Donald Trump Michael Cohen und Stormy Daniels als „Drecksäcke“.
  2. Ebenfalls am 10. April 2024 verbreitete Trump ein angebliches neues Statement Daniels‘, in dem sie behauptet habe, nie eine Affäre mit Trump gehabt zu haben. Besagtes Statement stammte aber aus dem Jahr 2018 und laut Daniels nicht von ihr.
  3. Am 13. April 2024 bezeichnete Trump seinen Ex-Anwalt Cohen als einen „in Ungnade gefallenen Anwalt und Schwerverbrecher“.
  4. Am 15. April 2024 verbreitete Trump gleich zweimal einen Meinungsartikel der New York Post, in dem Cohen als „Serienschwindler“ bezeichnet wurde.
  5. Am 16. April 2024 verbreitete Trumps Wahlkampfkampagne denselben Meinungsartikel weitere drei Male. Laut den Ermittlern soll Trump damit fünf Mal gegen die Nachrichtensperre verstoßen haben.
  6. Am 17. April 2024, mitten im Auswahlprozess der Geschworenen, behauptete Trump, das Gericht habe „verdeckte liberale Aktivisten ertappt“, die sich unter die Jury schmuggeln wollten. Trump bezog sich dabei auf eine Behauptung von Jesse Watters, Trump-freundlicher Moderator bei Fox News.
  7. Am 22. April 2024 bezeichnete Trump beim Verlassen des Gerichtsgebäudes in New York Cohen als „Lügner“.
  8. Ebenfalls am 22. April 2024 soll Trump in einem Interview mit dem ultrarechten Spartensender Real America‘s Voice die Jury als „95 Prozent Demokraten“ und den Prozess als „unfaire Situation“ bezeichnet haben. Allerdings zweifeln Fachleute in den USA die Echtheit des Videos mittlerweile an.
  9. Am 24. April 2024 nannte Trump im Interview mit dem Sender Action News Cohen einen „überführten Lügner“.
  10. Am 25. April 2024 wandte sich Trump auf einer Wahlkampfveranstaltung an den ersten Zeugen im Prozess in New York, David Pecker. Dieser sei „ein netter Kerl“. Auch damit soll Trump gegen die Nachrichtensperre verstoßen haben.

Trump droht mindestens eine Geldstrafe

Andere Medien wie die New York Times zählen sogar noch mehr Verstöße Trumps gegen die ihm auferlegte „Gag Order“. Während in den USA weiter leidenschaftlich darüber gestritten wird, wie das Redeverbot gegen den Ex-Präsidenten zu bewerten sei, richten sich alle Augen auf Juan Merchan. Der Richter hatte es vergangene Woche vermieden, ein Urteil im Fall der Nachrichtensperre zu fällen. Die Entscheidung wurde um eine Woche vertagt. Erneut verhandelt wird die Nachrichtensperre wohl am Donnerstag (2. Mai 2024).

Donald Trump droht beim Prozess in New York eine Strafe, weil er mehrfach gegen eine richterlich angeordnete Nachrichtensperre (“Gag Order“) verstoßen haben soll.

Welche Art von Strafe Richter Juan Merchan gegen Trump ausspricht, steht noch nicht fest. Im Raum stehen sowohl eine Geldstrafe in Höhe von maximal 1.000 Dollar pro Verstoßes gegen die „Gag Order“ oder sogar eine mehrtägige Beugehaft. Eine Inhaftierung des Ex-Präsidenten, der weiterhin unter dem Personenschutz durch den amerikanischen Secret Service steht, gilt als unwahrscheinlich. Im Prozess selbst hatte auch die Staatsanwaltschaft betont, dass die Inhaftierung Trumps wegen Verstoßes gegen die Nachrichtensperre weder anstrebe noch fordere.

Verstoß gegen die „Gag Order“ als Wahlkampftrick?

Doch gilt das auch für Donald Trump? Gegenüber tagesschau.de räumte die ehemalige New Yorker Staatsanwältin Annemarie McAvoy ein, es könne sich bei seinen notorischen Verstößen gegen die „Gag Order“ um eine bewusste Strategie des Angeklagten handeln. „Wenn er ins Gefängnis muss, könnte er den Märtyrer spielen“, so die Expertin. So könnte aus dem Prozess in New York ein „spektakuläres Wahlkampfthema“ werden.

Genau ein solches könnte Donald Trump dringend gebrauchen. In aktuellen Umfragen zur US-Wahl 2024 holte Amtsinhaber Joe Biden in den vergangenen Wochen wieder auf. Eine andere Umfrage dürfte Trump dabei besonders zu schaffen machen. In einer Erhebung der Nachrichtenagentur Reuters in Zusammenarbeit mit dem Wahlforschungsinstitut Ipsos gaben rund ein Viertel der Republikaner an, Trump im Falle einer Verurteilung nicht wählen zu wollen. In dem erwartbar engen Rennen im Duell mit Joe Biden würde dieser Wählerverlust zu einer sicheren Niederlage für Trump führen.

Trump nutzt die Nachrichtensperre zum Wahlkampf

Es überrascht daher nicht, dass Trump den Wert des Streits um sein Redeverbot längst begriffen hat. Das bewies er erneut am Wochenende. Auf seiner Social-Media-Plattform forderte der Ex-Präsident die Aufhebung der „Gag Order“ und bezeichnete diese als „beispiellos und verfassungswidrig“.

Weitere Gelegenheiten, sich über Gericht, Prozess und Beteiligte zu beschweren, hat Donald Trump vor der Entscheidung am Donnerstag. Am Mittwoch tritt der Ex-Präsident im Wahlkampf in Wisconsin und Michigan auf. (Daniel Dillmann)

Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass Richter Juan Merchan sowie Oberstaatsanwalt Alvin Bragg Teil der Nachrichtensperre gegen Donald Trump seien. Dieser Fehler wurde inzwischen korrigiert. Wir bitten dies zu entschuldigen.

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