Probleme im Luftraum
Flugzeuge im Baltikum mit GPS-Störungen: Steckt Russland dahinter?
VonBabett Gumbrechtschließen
Im Ostseeraum wird seit einiger Zeit immer wieder großflächig die GPS-Navigation gestört. Vor allem Krisenregionen sind betroffen. Der Verdacht fällt auf Russland.
Warschau/Stockholm – Beunruhigende Beobachtung im Luftraum um die Ostsee: In weniger als zwei Tagen meldeten Experten anhaltende Störungen von Navigationssignalen. Mehr als 1600 Flugzeuge waren beeinträchtigt, darunter auch zivile Flugzeuge, wie aus einem Open-Source-Informationsbericht hervorgeht, der regelmäßig GPS-Störungen verfolgt.
Eine erste Karte, die auf dem Kurznachrichtendienst X gepostet wurde, zeigt umfangreiche Störungen in ganz Polen und Südschweden am frühen Samstag (23. März). Später waren die Störungen auf weite Teile Nordpolens beschränkt, berichtet Newsweek.
Störsignal lässt sich orten: Verdacht fällt auf Russland
Flugzeuge, die in der Nähe der baltischen Region und mehrerer Nato-Staaten in Osteuropa unterwegs waren, berichteten von Störungen ihrer GPS-Signale. Die Störung oder Verfälschung von Signalen des Globalen Positionsbestimmungssystems (GPS) kann bemannte oder unbemannte Flugzeuge verwirren oder ihre Navigationssysteme glauben lassen, sie befänden sich an einem anderen Ort.
Deutsche Sicherheitsforscher, Luftfahrtexperten und Militärs verfolgen die GPS-Störungen ziemlich genau und auch eine konkrete Ortung der Störquellen ist möglich. Zu den Ergebnissen wird öffentlich jedoch keine Auskunft gegeben. Ein konkreter Verdacht fällt aber auf Russland, das nach unterschiedlichen Berichten auch seine eigenen Städte mit einer Art Störschirm gegen Angriffe schützt, wie sie die Ukraine als Teil ihrer Verteidigung mit Drohnen fliegt. Das russische Militär selbst nutzt mit Glonass ein eigenes Satellitennavigationssystem, berichtet die Deutsche-Presse-Agentur (dpa).
Störungen nehmen zu: Entscheidung zu Gegenmaßnahmen trifft die Bundesnetzagentur
Die Zunahme von GPS-Störungen in Osteuropa in den letzten Monaten wird zudem auf Störsender im russischen Kaliningrad Gebiet zurückgeführt, einer Exklave zwischen den Nato-Mitgliedern Polen und Litauen, die als Stützpunkt für eine der größten russischen Marineflotten dient, berichtet Newsweek.
Sicherheitsexperten beobachten den baltischen Luftraum schon seit längerem. „Seit Dezember 2023 werden sporadisch aus dem nordöstlichen Bereich des deutschen Luftraums Störungen der vom Satellitennavigationssystem ‚Global Positioning System (GPS)‘ ausgestrahlten Navigationssignale gemeldet“, teilte das Bundesverkehrsministerium (BMDV) der dpa auf Anfrage mit.
Die für den Schutz des elektromagnetischen Spektrums zuständige Bundesnetzagentur werde fortlaufend unterrichtet. Es gebe zudem einen Austausch zwischen anderen beteiligten Behörden, der Bundeswehr und den Luftraumnutzern. Ein Sprecher des Ministeriums schreibt dazu: „Die Einleitung von Gegenmaßnahmen läge ebenfalls in der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur.“
Experten des DLR sind sich einig: akute Gefährdung für Piloten besteht nicht
Da sich Piloten und Schiffskapitäne auf mehrere Systeme stützen, besteht nach Einschätzen des Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für diese „keine akute Gefährdung“. „Allerdings kam es schon zu Routenänderungen und Flugausfällen“, schreiben sie. Mit Blick auf die Entwicklung zukünftiger Technologien zur Positionsbestimmung, die dazu dienen, der zunehmenden Verkehrsdichte und Automatisierung im Mobilitätssektor gerecht zu werden, sei man aber „gut beraten, solche Störungen ernst zu nehmen und bei derartigen zukünftigen Technologieentwicklungen zu berücksichtigen“.
Denn die Nutzung der Satellitennavigation hat sehr weitgehenden Einzug in den Alltag gehalten. Die Signale werden zur Bestimmung der eigenen Position und zur Routenplanung in Fahrzeugen verwendet. Sie sind auch für automatisierte Prozesse wie in der Landwirtschaft relevant. Die DLR-Forscher weisen auf einen weiteren Punkt hin: Die Satelliten strahlen präzise Zeitsignale ab, die eine hochgenaue Synchronisation von technischen Systemen erlauben. Dies kommt in Stromnetzen, modernen Telekommunikationsnetzen oder auch bei Finanztransaktionen zum Einsatz. Aufgrund der zunehmenden Automatisierung – beispielsweise im Straßenverkehr – sei es wichtig, „wirksame Gegenmaßnahmen zu entwickeln“.
Gegenmaßnahmen werden entwickelt: Alternative Navigationssystem wird in der Ostsee getestet
„Navigation warfare“ ist der militärische Oberbegriff dafür, den Gegner mit dieser Art der Kriegsführung zu schwächen. Auch wenn es für eine Störung eine Lösung gibt, kann doch eine Kombination von Datenangriffen zum Zusammenbruch führen. Dass Deutschland auf solche Szenarien – die Teil eines größeren hybriden Angriffs sein können – nur unzureichend vorbereitet ist, wird seit längerer Zeit kritisiert.
Allerdings wird am DLR-Zentrum für Kommunikation und Navigation schon an Gegenmaßnahmen gearbeitet. Ein Beispiel sei das alternative Navigationssystem R-MODE. Es laufe derzeit in der Ostsee im Testbetrieb und ermögliche Schiffen eine Positionsbestimmung auch bei GPS-Störungen durch die Nutzung anderer Funksignale. Eine vergleichbare Alternative gebe es auch für die Luftfahrt. Sehr effizient seien auch Empfänger mit hoher Dynamik und mehreren Antennen, die eine „robuste Satellitennavigation“ erlauben. Die Fachleute: „Sie ermöglichen eine Richtungsauflösung der Empfangssignale und können daher aus bestimmter Richtung eingestrahlte Störsignale sehr gut erkennen und unterdrücken.“ Test seien sehr erfolgreich verlaufen und die Technologie solle in den kommenden Jahren zum Produkt für ein breites Anwendungsfeld werden. (bg/dpa)
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