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Den Westen „in Abhängigkeit zwingen“: Ex-Botschafter warnt vor russischem Erfolg in der Ukraine
VonKilian Beck
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Diplomaten, Politiker und Historiker warnen vor einem Sieg Putins in der Ukraine. Sönke Neitzel sieht sogar die Gefahr eines noch größeren Krieges.
Berlin – Der frühere deutsche Botschafter in Russland, Rüdiger von Fritsch, warnt zum Ende des zweiten Kriegsjahres eindringlich vor weitreichenden Folgen im Falle eines russischen Erfolgs in der Ukraine. „Es würde den Weg ebnen zu einer Fortsetzung der neoimperialistischen Gewaltpolitik Wladimir Putins“, sagte von Fritsch der Augsburger Allgemeinen. Ein russischer Sieg im Ukraine-Krieg wäre „nicht allein das Ende einer freien, unabhängigen Ukraine“, sondern Putin ziele insgesamt auf Selbstbestimmung und Freiheit des Westens.
Es sei daher von grundlegender Bedeutung, dass die Ukraine in eine Position der Stärke versetzt werde, ehe es zu Friedensverhandlungen kommt, forderte von Fritsch. Es sei Putins Ziel, nicht nur die Ukraine, sondern „auch uns in Abhängigkeit zu zwingen“. Dies schließe jedoch das Vorbereiten eines Friedensprozesses nicht aus, der wie in den 1970er und 80er Jahren gegenseitige Sicherheitsgarantien hervorhebe, sagte der Diplomat.
Ex-SiKo-Chef Ischinger: Westen muss von „passiv auf aktiv“ umschalten
Der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, kritisierte die passive Haltung der westlichen Verbündeten Kiews gegenüber Moskau angesichts der aktuell schwersten russischen Angriffswellen auf die Ukraine seit Kriegsbeginn. Die Botschaft an Russlands Präsident Wladimir Putin sollte sein, dass im Falle weiterer Angriffe gegen zivile ukrainische Ziele „am nächsten Tag“ Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert würden, schlug Ischinger auf X, vormals Twitter, vor. Der Westen müsse von „passiv auf aktiv“ umschalten, forderte er.
Das Konterfei des russischen Präsidenten Wladimir Putin war ebenfalls oft auf Schildern zu sehen, die bei der Friedensdemo 2022 in Köln hochgehalten wurden. (Archivbild)
Putin wolle „die europäische Friedensordnung durch das Recht des Stärkeren ersetzen“, warnte auch der Grünen-Politiker und Mitgründer des Zentrums Liberale Moderne, Ralf Fücks. Auch er drang auf mehr Unterstützung für das von Russland überfallene Land.
Strack-Zimmermann fordert Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine – Olaf Scholz weigert sich
Ebenfalls mehr Militärhilfe für die Ukraine forderte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. „Die Unterstützung bleibt auf der Tagesordnung und dazu gehört auch die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper“, forderte sie in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Die Ukraine nicht weiter mit allem, was wir leisten können, zu unterstützen, ist fahrlässig“, warnte Strack-Zimmermann. Allerdings müssten sich daran auch andere europäische Staaten beteiligen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weigert sich bisher, Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine zu liefern. Taurus hat eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern und würde Kiew damit Angriffe auf Waffendepots und Versorgungslinien auf russischem Staatsgebiet erleichtern.
Militärhistoriker Neitzel kann „nicht ausschließen, dass deutsche Soldaten kämpfen müssen, um Nato-Gebiet zu verteidigen“
Der deutsche Militärhistoriker Sönke Neitzel sieht durch den russischen Imperialismus auch das Gebiet der Nato unmittelbar bedroht. Putin wolle „die Nato-Osterweiterung rückgängig machen und das Imperium wiederherstellen“, warnte Neitzel im Spiegel. Darauf müssten sich Deutschland und andere Nato-Staaten militärisch vorbereiten.
Bilder des Ukraine-Kriegs: Großes Grauen und kleine Momente des Glücks
„Litauens Heer besteht nur aus rund 15.000 Männern und Frauen, es hat keinen einzigen Kampfpanzer“, gab Neitzel zu bedenken. Es sei daher möglich, dass die Bundeswehr schon bald gegen russische Truppen in den Krieg ziehen müsse. „Wir können nicht ausschließen, dass deutsche Soldaten in wenigen Jahren kämpfen müssen, um Nato-Gebiet zu verteidigen“, warnte der Historiker. Aktuell laufen bereits die Planungen, bis 2027 eine Brigade der Bundeswehr – etwa 5.000 Soldatinnen und Soldaten – in Litauen zu stationieren. Auf die Schutzmacht USA könnten sich die europäischen Nato-Staaten nicht mehr uneingeschränkt verlassen, sagte Neitzel.
Bei einer der heftigsten russischen Angriffswellen auf die Ukraine seit Kriegsbeginn waren am Freitag ukrainischen Angaben zufolge mindestens 39 Menschen getötet sowie über 100 weitere verletzt worden. Demnach wurden unter anderem Schulen, eine Geburtsklinik, Einkaufzentren und Wohnhäuser getroffen. (afp/kb)