Menschenrechtler alarmiert
China will Dach der Welt umbenennen: „Tibet muss Tibet bleiben“
Peking nutzt für das besetzte Tibet immer häufiger den chinesischen Namen „Xizang“. Menschenrechtler sind alarmiert und wittern dahinter den Versuch, die tibetische Kultur auszulöschen.
Chinas Regierung treibt offenbar ihre Pläne voran, den Namen „Tibet“ in englischsprachigen Dokumenten durch den chinesischen Begriff „Xizang“ zu ersetzen. In einem englischsprachigen Text auf der Internetseite des chinesischen Außenministeriums über ein Forum in der tibetischen Stadt Nyingchi, an dem Anfang Oktober Außenminister Wang Yi teilnahm, findet sich durchgehend der Begriff „Xizang“, um die westchinesische Region zu beschreiben.
Unter Menschenrechtlern sorgt die „Umbenennung“ Tibets für Unruhe. „Das Wort ‚Tibet‘ wird weltweit mit dem Unrecht der Kommunistischen Partei gegenüber den Tibetern, mit dem Dalai Lama und dem Ringen der Tibeter um den Schutz ihrer Kultur in Verbindung gebracht. Peking will das offensichtlich auslöschen und dazu das Land vollends zu einer chinesischen Provinz ohne eigene kulturelle Identität, Sprache und Geschichte degradieren“, sagt Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet. „Politik, Wissenschaft, Medien und breite Öffentlichkeit dürfen diese Strategie nicht mitmachen. Tibet muss ‚Tibet‘ bleiben“, fordert Müller in einer Presseerklärung.
China hatte Tibet 1950 besetzt, nachdem das „Dach der Welt“ zuvor faktisch unabhängig war. 1959 floh der Dalai Lama, das geistige und politische Oberhaupt der Tibeter, ins Exil ins nordindische Dharamsala.
Tibet: „Symbol für Chinas Menschenrechtsverletzungen“
Im vergangenen Jahr ergab eine Auswertung des China Media Project, dass chinesische Medien wie die englischsprachige Global Times zunehmend den Begriff „Xizang“ verwenden. Der Schritt „ist wahrscheinlich ein Versuch, die Diskussion über Fragen im Zusammenhang mit der Region von einem Ortsnamen wegzubringen, der in den westlichen Sprachen zum Symbol für Chinas Menschenrechtsverletzungen geworden ist“, sagte David Bandurski, der Leiter des China Media Project, das sich mit der chinesischen Medienlandschaft auseinandersetzt.
Im Westen wird unter „Tibet“ meist das gleichnamige autonome Gebiet im Westen Chinas verstanden, zudem Teile der Provinzen Qinghai, Sichuan, Gansu und Yunnan, die zum traditionellen Siedlungsgebiet der Tibeter zählen. China wiederum versteht unter „Xizang“ lediglich das deutlich kleinere autonome Gebiet Tibet.
Die Verwendung des Begriffs „Xizang“ auch in englischsprachigen Veröffentlichungen ist für Dawa Tsering vom Tibet Policy Institute, einer Denkfabrik der tibetischen Exilregierung im nordindischen Dharamsala, ein „schreckliches politisches Manöver“ der Kommunistischen Partei Chinas. „Indem sie ihr chinesisches Konzept dem englischen aufzwingt, will sie das Konzept heimlich ändern“, sagte Tsering Radio Free Asia. „Sie will anderen sagen, dass Tibet nur die ‚autonome Region Tibet‘ ist.“
Tibet und Xinjiang: „mahnendes Beispiel“
Der Schritt zeigt offenbar Wirkung: Wenige Tage nach dem Auftritt von Außenminister Wang in Nyingchi wies der Online-Marktplatz Weidian seine Mitglieder mit Verweis auf die offizielle englischsprachige Mitteilung über das Forum darauf hin, künftig nur noch den Begriff „Xizang“ zu verwenden. Händler, die das Wort „Tibet“ nutzten, würden von der Plattform entfernt, zitierte die Hongkonger South China Morning Post aus einer Notiz des Unternehmens, auf dessen Plattform 90 Millionen Einzelhändler vertreten sind.
Chinesische Medien erklären die Verwendung des Begiffs „Xizang“ mit einer Verordnung, der zufolge geografische Namen in der offiziellen chinesischen Umschrift Pinyin angegeben werden müssen. Die Tibeter selbst nennen ihr Land „Pö“.
Die International Campaign for Tibet verweist in ihrer Stellungnahme auf einen ähnlich gelagerten Fall. So werde im Westen für die historische Region Ostturkestan heute fast ausschließlich der chinesische Begriff Xinjiang verwendet – ein „mahnendes Beispiel“, so die Menschenrechtler. „Spätestens jetzt sollte deutlich geworden sein, dass die Propaganda-Strategen in Peking anscheinend auch für Tibet das gleiche Schicksal vorgesehen haben.“ (sh)
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