Zoff mit der Ampel
Asyl-Gipfel gescheitert: Heftige Kritik an der CDU – „kleine Taschenspielertricks und Provinz-Schauspielereien“
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Nils Thomas Hinsberger
Hannes Niemeyer
Nail Akkoyun
Christian Stör
Die Ampel trifft sich mit der Union zum Migrationsgipfel. Prompt folgt die Kritik an dem Vorhaben der Regierung. Der News-Ticker zum geplanten Gipfel.
Update vom 10. September, 20.55 Uhr: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die CDU aufgrund des abrupten Endes des Migrationsgipfels heftig kritisiert. Bei einer Veranstaltung des sogenannten Seeheimer Kreises der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin äußerte er sich wie folgt: „Ich kann nur sagen: Das Rausgehen aus dieser Runde, das stand schon vorher fest. Und das ist blamabel für diejenigen, die das zu verantworten haben“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters den Bundeskanzler.
Scholz kritisierte weiter, dass Merz bereits im vergangenen Jahr ähnliche Gespräche mit Bund und Ländern vorzeitig beendet hatte. Jetzt habe er zunächst Informationen aus vertraulichen Gesprächen an die Öffentlichkeit weitergegeben und die daraufhin geplanten Gespräche abgebrochen. „Führung sieht anders aus. Charakter, Ehrlichkeit und Festigkeit sind für dieses Land gefragt und nicht solche kleinen Taschenspielertricks und Provinz-Schauspielereien“, so Scholz.
Kritik nach Asyl-Gipfel: „Vollkommen unverständlich, dass die Union die Verhandlungen verlassen hat“
Update vom 10. September, 19.20 Uhr: „Es ist vollkommen unverständlich, dass die Union die Verhandlungen verlassen hat“, kritisierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai den Abbruch der Migrationsgespräche. „Schließlich wurde ihr angeboten, dass ihre Vorschläge zur Zurückweisung von Asylbewerbern eins zu eins umgesetzt werden“. Laut Djir-Sarai gibt es keinen „objektiven Grund, die Gespräche zu beenden“. Seine Partei sei jedoch weiterhin bereit, die Gespräche mit der Union fortzusetzen.
Union lehnt Ampel-Vorschläge bei Migrationsgipfel ab – „alles unterstützen, was unserem Land hilft“
Update vom 10. September, 17.49 Uhr: Im Spitzengespräch über eine bessere Steuerung und Kontrolle der Migration sind Union und Bundesregierung nicht vorangekommen. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, kritisierte, vorgelegte Vorschläge zielten nicht auf zusätzliche Zurückweisungen, sondern auf beschleunigte Verfahren im Land. Sie würden damit den Herausforderungen nicht gerecht. Die Union werde aber „alles unterstützen, was unserem Land hilft“.
Update vom 10. September, 17.23 Uhr: Der Union gehen die Pläne von Innenministerin Faeser offenbar nicht weit genug – und bricht die Gespräche ab. Dies berichten Medien übereinstimmend. Weiter sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gegenüber der Bild: „Die Ampel ist Grün-blockiert! Die Ampel ist nicht zu wirksamen Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration in der Lage. Diese Handlungsunfähigkeit ist eine Gefährdung der Ordnung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland. Die Verweigerung der Ampel, wirksame Maßnahmen wie die umfassende Zurückweisung an den Grenzen umzusetzen, ist eine Kapitulation.“
Bei ihren Migrationsgesprächen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der Union und den Ländern ein Maßnahmenpapier vorgeschlagen, das unter anderem die vorübergehende Inhaftierung von bestimmten Geflüchteten an den Grenzen vorsieht. Dieses Verfahren solle, wie es aus Regierungskreisen gegenüber AFP hieß, für diejenigen Geflüchteten angewandt werden, die in Deutschland Asyl begehren, für deren Asylverfahren aber ein anderer EU-Mitgliedstaat zuständig ist. Die Bundespolizei soll demnach Haftkapazitäten prüfen und eine Unterbringung bei Gericht beantragen. Die Union hatte sich jedoch gegen eine aufwendige Prüfung im eigenen Land und für konsequente Abweisungen an der Bundesgrenze ausgesprochen.
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Faeser-Pläne: Abschiebemaßnahmen sollen verstärkt werden
Update vom 10. September, 16.53 Uhr: Die Bundesregierung will Asylbewerber künftig rascher in für sie zuständige europäische Staaten bringen. Ein Modell dazu habe man in den aktuellen Gesprächen mit Vertretern von Ländern und Union vorgeschlagen, verlautete aus Regierungskreisen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) soll demnach das sogenannte Dublin-Verfahren künftig schneller betreiben. Dabei wird festgestellt, welches europäische Land für ein Asylverfahren zuständig ist. In vielen Fällen ist das jener Staat, auf dessen Gebiet Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten haben.
Die Bundespolizei soll derweil prüfen, ob es freie Haftplätze gibt und gegebenenfalls beim zuständigen Gericht Haft beantragen, damit Betroffene nicht untertauchen. „Hier ist ein schnelles Handeln der Justiz der Länder erforderlich. Auch müssen die Haftplätze der Länder in ausreichender Anzahl, möglichst in Grenznähe entlang der Migrationsrouten, vorhanden sein“, hieß es. Es gibt in Deutschland 800 Abschiebehaftplätze, nach bisheriger Einschätzung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist das zu wenig. „Alternativ soll eine feste Zuweisung und Wohnsitzauflage vorgesehen werden, wenn Haft nicht in Betracht kommt“, hieß es weiter aus Regierungskreisen.
Erste Details zu Ampel-Migrationsgipfel durchgesickert
Update vom 10. September, 13.17 Uhr: Der Migrationsgipfel mit der Ampel-Regierung und der Union rückt näher. Um 15 Uhr hat Innenministerin Nancy Faeser zur Runde geladen. Vorab sickern nun zu kritischen Punkten erste Informationen durch – und die könnten besonders die CDU um Friedrich Merz freuen.
Wie die Bild nun berichtet, soll SPD-Ministerin Faeser bereit sein, die Forderungen der Opposition nahezu komplett zu erfüllen. Demnach will die Innenministerin – wie besonders von Merz öffentlich erwünscht – auch an allen Außengrenzen Deutschlands zu Nachbarstaaten Migranten abweisen lassen. Dies solle für Menschen, für deren Asyl-Verfahren andere EU-Staaten oder Schengen-Staaten zuständig sind, gelten wie auch für Migranten, die keinen Pass haben.
Dies soll Faeser laut der Bild auch CDU-Chefverhandler Thorsten Frei mitgeteilt haben. Am Dienstagmorgen hieß es von Seiten Freis, eine Aussage Faesers ihm gegenüber habe die CDU überzeugt, am Gipfel teilzunehmen. Um welche Aussage es sich handelte, sagte er zunächst nicht. Es könnte also um die Rückweisung an den Grenzen gegangen sein.
Update vom 10. September, 12.18 Uhr: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat eine schnelle überparteiliche Verständigung zur Verschärfung der Migrationspolitik gefordert. „Es braucht jetzt eine nationale Kraftanstrengung und keine Bedenkenträger, die uns ständig nur sagen, weshalb etwas nicht geht“, sagte Djir-Sarai am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. „Bund, Länder und Kommunen müssen jetzt an einem Strang ziehen, um das Vertrauen der Bürger in die staatlichen Institutionen langfristig zu sichern.“
Das sei „die klare Erwartungshaltung aus der Bevölkerung“, fügte Djir-Sarai hinzu. Der FDP-Politiker äußerte sich vor dem Treffen von Bundesregierung, Union und Ländern am Nachmittag, bei dem es um ein gemeinsames Vorgehen im Kampf gegen die irreguläre Migration gehen sollte. Der FDP-Generalsekretär drängte auf ein rasches Vorgehen. „Die Politik sollte erkannt haben, dass die Probleme bei den Themen Asyl und Migration ohne Verzug gelöst werden müssen“, sagte er. Die am Montag angekündigten Grenzkontrollen an allen deutschen Landesgrenzen sowie die von der Union geforderte „effektive Zurückweisung“ von Geflüchteten an der Grenze seien dabei „wichtige Elemente“.
Union vor Migrationsgipfel: „Es muss ein großer Wurf sein“
Update vom 10. September, 10.26 Uhr: Die Union wird an dem für 15.00 Uhr geplanten Spitzentreffen zur Migration im Bundesinnenministerium teilnehmen. Das kündigte nun auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten, Thorsten Frei (CDU), in Berlin an. „Die Sache ist wichtiger, als der Weg dahin“, fügte er hinzu. „Wir haben weder Schaum vor dem Mund, noch sitzen in der Schmollecke.“
Innenministerin Faeser habe ihm, Frei, mündlich etwas gesagt, das nun dazu geführt habe, dass man an dem Treffen teilnehme. Es müsse jetzt keine großen Diskussionen und unnütze Sitzungen geben. Die Union sehe in dem Treffen eine Chance zum Wohle des Landes, die sie nicht ungenutzt verstreichen lassen wolle.
Wenn es nicht so sei, wäre dies zwar auch nicht das Ende von Gesprächen, sagte Frei. Die Union habe hier auch kein Ultimatum aufgestellt. Allerdings würde dann das Format mit Bundesregierung und Ländern für die Union so lange keinen Sinn mehr machen, bis die Bundesregierung zu einer abgestimmten Haltung gekommen sei. Nachdem beispielsweise der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour erklärt habe, er kenne die Pläne der Bundesinnenministerin nicht, könne er sich nicht vorstellen, dass es bereits eine abgestimmte Haltung der Ampel gebe.
Migrationsgipfel der Ampel: Union nimmt nach langem Zögern nun doch teil
Update vom 10. September, 9.23 Uhr: Das Rätselraten ist beendet: Nach langem Zögern hat die Unionsfraktion die Teilnahme an dem Migrationsgespräch mit der Regierung zugesagt. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP.
Erstmeldung: Berlin – Für den heutigen Dienstag (15 Uhr) sind neue Gesprächen zwischen der Ampel-Koalition und der Union zum Thema Migration geplant. Noch aber ist völlig offen, ob es überhaupt dazu kommen wird. Denn die Union verlangt für eine Teilnahme eine Zusage, dass die Ampel zu umfassenden Zurückweisungen an den Grenzen bereit sei. Die bisherigen Angaben aus der Regierung dazu seien zu widersprüchlich.
Union wartet vor Migrationsgipfel weiter auf Details der Ampel
Die Unionsfraktion vermisse zur Rechtssicherheit von Zurückweisungen weitere Details seitens der Regierung, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei. In einem Telefonat habe ihm Bundesinnenministerin Nancy Faeser „bedauerlicherweise“ keine Details genannt, sagte er in den ARD-„Tagesthemen“. Beim Migrationstreffen vergangene Woche sei vereinbart worden, dass die Regierung ihre Rechtsposition mitteile. Davon wollte die Union weitere Gespräche abhängig machen.
Am Montag (9. September) hatte Faeser vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet, um die Zahl unerlaubter Einreisen stärker einzudämmen. Die Kontrollen sollen am 16. September beginnen und zunächst sechs Monate andauern. Auch habe die Regierung ein „Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt“, hieß es vom Ministerium. Faeser sagte, sie habe dies der Unionsfraktion mitgeteilt und vertrauliche Gespräche dazu angeboten.
SPD-Chefin Esken warnt vor überzogenen Maßnahmen gegen Migration
Derweil hat die SPD-Vorsitzende Saskia Esken CDU und CSU vor überzogenen Maßnahmen gewarnt. „Die Begrenzung der irregulären Migration ist notwendig, aber sie muss auf rechtlich wasserdichten Grundlagen geschehen“, sagte Esken den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir können nicht einfach EU-Recht und Grundgesetz aushebeln.“
Wir können nicht einfach EU-Recht und Grundgesetz aushebeln.
Die SPD-Chefin kritisiert, viele Forderungen beim Thema Migration gingen „derzeit auch politisch ins Blaue hinein und überhitzen damit die Debatte“. „Um die Migration zu regeln, braucht es aber kein Ressentiment, sondern konkret wirksame Politik, wie die Bundesregierung sie vorgeschlagen hat“, fügte Esken hinzu.
Grüne werfen Union vor Migrationsgipfel „Erpressungsversuche“ vor
Von den Grünen kommt derweil geharnischte Kritik an der Haltung der Union. „Friedrich Merz benimmt sich wie ein trotziges Kind“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Diese Erpressungsversuche sind nur noch lächerlich.“
Auch Mihalic warnte die Union davor, den Boden des Rechts zu verlassen. „Vorschläge, die Recht brechen, machen wir nicht mit“, sagte sie dem RND. Ziel der Grünen sei, die Vollzugsdefizite in der Sicherheitspolitik abzubauen. Mihalic hatte einen Vorstoß ihrer Fraktion initiiert, nach dem Messerangriff von Solingen die Sicherheits- und Verfolgungsbehörden zu stärken.
Scholz bekräftigt vor Migrationsgipfel Angebot zu Kooperation
Unterdessen versicherte Kanzler Scholz, der Regierung sei es ernst mit gemeinsamen Lösungen. „Wir würden uns auch freuen, wenn wir da noch was gemeinsam machen können, auch mit der Opposition“, sagte der SPD-Politiker beim Sommerfest der Parteizeitung Vorwärts. „Im Rahmen klarer Prinzipien. Aber wir würden uns wirklich freuen.“ Von SPD-Seite sei das Angebot ehrlich gemeint. „An uns wird es nicht liegen, falls es nicht klappt“, sagte der Kanzler weiter. (dpa/AFP/cs)
Rubriklistenbild: © Kay Nietfeld/dpa





