Ergebnisse zur Stichwahl

Hamas-Freund und Deutschland-Hasser? So tickt Frankreichs Skandal-Sieger Jean-Luc Mélenchon

  • VonSarah El Sheimy
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Jean-Luc Mélenchon hat mit dem Linksbündnis laut Hochrechnungen die Frankreich-Wahl 20224 gewonnen. Als Regierungschef wollen viele ihn aber nicht. Wer ist er?

Paris/Berlin – Nachdem der französische Premierminister Gabriel Attal seinen Rücktritt angekündigt hat, streckt jetzt ein anderer seine Finger nach der Regierungsmacht aus: Jean-Luc Mélenchon, der bei der Präsidentschaftswahl vor zwei Jahren noch als Dritter hinter Präsident Emmanuel Macron und der ehemaligen Vorsitzenden des Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, platziert war, ist mit seiner Partei als Sieger der Parlamentswahlen in Frankreich hervorgegangen. Seine Aussichten auf den Posten des Regierungschefs sind aber schlecht.

„Der Präsident hat die Pflicht, den Nouveau Front Populaire (NFP) zum Regieren aufzufordern“, sagte Jean-Luc Mélenchon nach den ersten Hochrechnungen zur Frankreich-Wahl 2024. Premierminister Gabriel Attal aus dem Lager von Staatspräsident Macron müsse gehen – was dieser noch am Wahlabend ankündigte, nachdem die französischen Wählerinnen und Wähler das Mitte-Lager „Ensemble“ Hochrechnungen zufolge auf Platz zwei hinter dem Linksbündnis NFP platziert haben.

Warnung bei Frankreich-Wahl: Mélenchon und sein Programm könnte zu „Bürgerkrieg“ führen

Macron solle seine Niederlage bei der Frankreich-Wahl eingestehen, so Mélenchon. Verhandlungen über einen Zusammenschluss mit Macrons Lager schloss er aus. Doch auch innerhalb der Linken gibt es Streit um Mélenchon als Führungsikone, der Populist wird selbst innerhalb seiner Partei heftig kritisiert. Eine klare Führung hat das Linksbündnis nicht.

Jean-Luc Melenchon, leader of the France Unbowed party, speaks during an campaign rally in Montpellier, France, on Sunday, June 23, 2023. France‘s leftist alliance plans public spending of 200 billion ($214 billion) for its priorities over the next five years if it wins the snap election as it seeks to reverse President Emmanuel Macron‘s labor and pension reforms and boost growth. Photographer: Jeremy Suyker/Bloomberg via Getty Images

Der Präsident der französischen Republik, der nach den großen Verlusten seiner Partei bei der Europawahl vorzeitige Neuwahlen des Parlaments in Frankreich eingeleitet hatte, wertete das linke Lager im Vorfeld der Wahlen stark ab. So stellte er die Mélenchon-Partei „La France Insoumise“ auf eine Stufe mit dem rechtspopulistischen RN, als er etwa davon sprach, dass die Programme der beiden Parteien zu einem „Bürgerkrieg“ in Frankreich führen könnten.

Umfragen zur Frankreich-Wahl 20224: Mélenchons „Nouveau Front Populaire“ bei jungen Menschen stark

Nach dem Vormarsch des RN in der ersten Wahlrunde bei der Frankreich-Wahl 2024 hatte aber auch der französische Präsident, ebenso wie das Linksbündnis, Kandidierende dazu aufgerufen, sich in der zweiten Runde dort zurückzuziehen, wo sie als Dritte platziert sind. Das trug dazu bei, dass die Wählenden sich vielerorts für oder gegen Le Pens Partei entscheiden mussten. Einer Regierung mit dem LFI hatte Macron aber eine klare Absage erteilt: „Das kommt überhaupt nicht infrage“, zitiert ntv den Präsidenten.

Im Wahlprogramm des NFP fallen insbesondere die Forderungen nach einem höheren Mindestlohn, einer CO₂-Neutralität bis 2050 und einer höheren Reichen-Besteuerung ins Gewicht. Während das Bündnis mit seinen klassisch linken Positionen Umfragen des französischen Meinungsforschungsinstituts „Ifop“ zufolge beim letzten Wahlgang vor allem Wählende zwischen 18 und 24 Jahren angesprochen hat, war Macrons Ensemble unter den Menschen stark, die 65 und älter sind.

Antisemitismus vorgeworfen – Mélenchon sieht Hamas nicht als terroristische Organisation

Im NFP hatte sich vor der Parlamentswahl Frankreichs gespaltene Linke zusammengeschlossen: die linkspopulistische „La France insoumise“ (LFI), die sozialdemokratische „Parti socialiste“, die grünen „Écologistes“, die kommunistsiche PCF und ihre Verbündeten. LFI-Gründer Mélenchon steht im Zentrum des Bündnisses, seine politischen Positionen sind aber auch innerhalb der eigenen Reihen umstritten. Besonders im Zuge des Überfalls der islamistischen Hamas auf Israel und dem darauffolgenden Krieg im Gazastreifen fiel er damit auf, die Hamas nicht als „terroristisch“ einstufen zu wollen.

Die Präsidentin von Frankreichs aufgelöstem Parlament, Yaël Braun-Pivet (Ensemble), wirft mehreren Mitgliedern des LFI Antisemitismus vor. „Die allermeisten im linken Lager stehen für republikanische Werte ein, ich kann sie unterstützen – Grüne, Sozialisten, Kommunisten“, zitiert die Tagesschau die Abgeordnete von Macrons Renaissance-Partei. Bei LFI differenziere sie aber von Fall zu Fall.

Mélenchon feuerte gegen Merkel und wirft Deutschland Machtausnutzung vor

Nicht nur mit seiner Verharmlosung der Hamas macht Mélenchon von sich reden. In der Vergangenheit ist der linke Populist immer wieder mit euroskeptischen Aussagen aufgefallen und hat auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel hart zurechtgewiesen, als sie Frankreichs Reformbemühungen in der Haushaltspolitik als unzureichend kritisierte. Der linke Politiker twitterte damals: „Maul zu, Frau Merkel! Frankreich ist frei!“ Die Bundesrepublik solle sich um ihre Armen und „in Ruinen liegende Infrastruktur“ kümmern.

Marine Le Pen hat Frankreich-Wahl 2027 im Blick – trotz Ausschluss

Frankreich: Rassemblement National von Marine Le Pen.
In Frankreich ist der Rassemblement National unter Marine Le Pen (im Bild) in den vergangenen Jahren zu einer führenden Kraft aufgestiegen. So feierte der RN bei der Europawahl 2024 einen klaren Erfolg.  © François Lo Presti/afp
Europawahl - Frankreich
Das starke Ergebnis der rechtsnationalen Partei veranlasste den amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron anschließend dazu, das Parlament aufzulösen.  © Ludovic Marin/dpa
Jean-Marie Le Pen
Die Geschichte des Rassemblement National begann Anfang der Siebziger. Am 5. Oktober 1972 gründeten Jean-Marie Le Pen (hier eine Aufnahme von 2022) und Pierre Bousquet die rechtsextreme Splittergruppe Front National.  © Joel Saget/afp
1. Mai in Paris
Der 1928 geborene Le Pen (hier ein Bild von 2017) tat sich früh als Demagoge hervor, der mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt wurde und den Holocaust als ein „Detail der Geschichte“ abtat. Bousquet (1919 bis 1991) war ein ehemaliger Kollaborateur, der als Rottenführer in der Waffen-SS gedient hatte. Fremdenfeindliche Parolen waren über viele Jahre Markenzeichen der Partei. © Thibault Camus/dpa
Jean-Marie Le Pen
In den 1980er Jahren wurde der FN bei zwei Parlamentswahlen hintereinander mit mindestens einem Abgeordneten in die Nationalversammlung gewählt. Der Durchbruch gelang im Jahr 2002, als Jean-Marie Le Pen als Zweitplatzierter aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hervorging.  © Joel Saget/afp
Le Pen
Es kam zur Stichwahl, die der amtierende Präsident Jacques Chirac deutlich gewann. Fünf Jahre später verlor Le Pen viele Stimmen und schied im ersten Wahlgang aus.  © Joel Saget/AFP
Marine Le Pen
Einen großen Einschnitt gab es im Januar 2011. Der FN ging nach einem Führungswechsel andere Wege. Die neue Parteivorsitzende trug allerdings einen bekannten Namen: Marine Le Pen. Die studierte Juristin kam 1968 nahe Paris als jüngste Tochter Jean-Marie Le Pens zur Welt.  © Bernard Patrick/Imago
Marine Le Pen/dpa
Mit acht Jahren wurde sie von einer Bombenexplosion aus dem Schlaf gerissen – es handelte sich um einen Anschlag auf ihren Vater. Die Mutter dreier Kinder arbeitete als Anwältin und führte zunächst die Rechtsabteilung der Front National. Ihre zwei Ehen gingen auseinander. © Pascal Pavani
Jean-Marie Le Pen
Marine Le Pen bemüht sich seither, der einst radikal rechten Partei einen moderateren Anstrich zu verpassen. Das ging mit einer Entmachtung ihres Vaters einher.  © Kenzo Tribouillard/afp
Le Pen
Im April und Mai 2015 eskalierten die schon länger bestehenden Spannungen zwischen der Parteivorsitzenden und ihrem Vater. Am 20. August 2015 wurde Jean-Marie Le Pen wegen „schwerer Verfehlungen“ aus der Partei ausgeschlossen.  © Kenzo Tribouillard/AFP
Le Pen Bannon
Anderseits suchte Le Pen im Jahr 2018 die Nähe des früheren Trump-Beraters Steve Bannon. Damals firmierte die rechtsextreme Partei noch unter dem Namen Front National. Später verpasste Le Pen ihr aber einen neuen Namen: Seither ist die Partei als Rasseblement National bekannt. © Philippe Huguen/AFP
Marine Le Pen
Seither ist es Marine Le Pen gelungen, aus der Schmuddelecke zu kommen und sich als staatstragende Politikerin zu inszenieren. Ihre Strategie ist als „Dédiabolisation“ (Entteufelung) bekannt.  © Francois Nascimbeni/AFP
Marine Le Pen
Le Pen verbannte das alte rassistische Vokabular und gibt mittlerweile eher bedachte Worte von sich. Le Pens Kurs hat , in den vergangenen Jahren bis in die bürgerliche Mitte hinein wählbar gemacht.  © Thomas Samson/afp
Marine Le Pen
Die dreimalige Präsidentschaftskandidatin drängte zwar offenen Rassismus zurück, vertritt aber weiter radikale Positionen gegen Einwanderung. Ihre Vorstellungen für Frankreich bleiben auch heute noch deutlich rechts und nationalistisch.  © Ali Al-Daher/AFP
Olga Givernet
Zudem zeigen Studienergebnisse, dass im RN der Antisemitismus noch immer weit verbreitet ist. Die Renaissance-Parlamentarierin Olga Givernet (im Bild) reagierte entsprechend: „Der RN hat ein sauberes Schaufenster, aber die Küche dahinter ist immer noch schmutzig wie eh.“ © Niviere David/Imago
Marine Le Pen mit André Ventura und Tino Chrupalla
In ihrem Bemühen um Salonfähigkeit hat sich Marine Le Pen auch von der deutschen AfD abgegrenzt. Die gilt selbst für RN-Leute als zu extremistisch. Im November 2023 war das noch anders: Beim Treffen rechter Gruppen in Lissabon stand sie noch in einer Reihe neben dem portugiesischen Chega-Politiker André Ventura (Mitte) und AfD-Co-Chef Tino Chrupalla. © Paulo Spranger/Imago
Le Pen zu Besuch bei Putin
Zum Ukraine-Krieg vertreten RN und AfD hingegen nach wie vor sehr ähnliche Positionen. So lehnt Marine Le Pen jegliche Wirtschaftssanktionen gegen das Russland von Präsident Wladmir Putin ab. © Mikhail Klimentyev/dpa
Gabriel Attal
Waffenlieferungen für die Ukraine bedeuten für Le Pen das „Risiko eines dritten Weltkriegs“. Premierminister Gabriel Attal (im Bild) konterte in einer Ukraine-Debatte im Februar 2024: „Wenn Sie 2022 gewählt worden wären, würden wir heute Waffen nach Russland liefern, um die Ukrainer zu zermalmen.“  © Ludovic Marin/afp
Marine Le Pen und Wladimir Putin
Tatsächlich stand in Le Pens Präsidentschaftsprogramm von 2022 der folgende Satz: „Ohne Furcht vor amerikanischen Sanktionen wird eine Allianz mit Russland in gewissen Themen angestrebt.“ Trotzdem wollte sich der RN im Wahlkampf ein wenig von Putin absetzen. Die Partei ließ damals 1,2 Millionen Wahlkampfplakate vernichten, die ein Bild von Marine Le Pen beim Händeschütteln mit Putin zeigten. © Emmanuel Dunand/afp
Marine Le Pen
Zu Russland hat sie dennoch ein wesentlich besseres Verhältnis als zu Deutschland. Die deutsch-französische Partnerschaft will sie rasch beenden. Zwischen Berlin und Paris bestehe eine „tiefe und unheilbare Differenz der Doktrinen“, heißt es in Le Pens Programm. Das Nato-Kommando würde sie nach einem Wahlsieg 2027 verlassen. An dessen Stelle wünscht sich Le Pen für Europa ein russisch-französisches Kommando. © Lou Benoist/afp
Emmanuel Macron
Ohnehin richtet sich der Blick in Frankreich schon längst auf die Präsidentschaftswahl 2027. Nach zwei Amtszeiten kann Emmanuel Macron, der Le Pen zweimal in der Stichwahl besiegte, nicht mehr antreten.  © Sebastien Dupuy/AFP
Marine Le Pen
Wer eine Chance gegen Le Pen hätte, ist unklar. Doch im März 2025 kam dann die vorläufige Wende: Wegen der Veruntreuung von EU-Geld schloss ein Gericht Le Pen verurteilt. Der umstrittenste Teil der Strafe ist, dass sie fünf Jahre lang nicht bei Wahlen antreten darf.  © Guillaume Souvant/afp
Protestkundgebung des Rassemblement National
Diese Strafe war sofort in Kraft getreten – anders als eine teils auf Bewährung ausgesetzte Haftstrafe und obwohl Le Pen gegen das Urteil Berufung einlegte. Das Berufungsgericht hat eine Entscheidung im Sommer 2026 ins Auge gefasst.  © Julien De Rosa/dpa
Marine Le Pen
Le Pen wandte sich dann an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Doch das Straßburger Gericht wies ihren Antrag, den gegen sie verhängten vorläufigen Ausschluss von Wahlen auszusetzen, einstimmig ab, da Le Pen keinerlei nicht wiedergutzumachende Beeinträchtigung drohe, die durch die Menschenrechtskonvention geschützt sei. © Lionel Bonaventure/AFP
Le Pen sieht Bardella als möglichen Präsidentschaftskandidat
Inzwischen hat Le Pen ihren politischen Ziehsohn Jordan Bardella aufgefordert, sich auf eine Kandidatur vorzubereiten – für den Fall, dass sie selbst nicht antreten kann. Noch ist aber offen, wen der RN bei der Präsidentschaftswahl 2027 ins Rennen schicken wird. Die Frage, wer in den ehrwürdigen Élysée-Palast einziehen wird, bleibt damit völlig offen.  © Michel Euler/dpa

Mélenchon hat seiner Abneigung gegen deutsche Wirtschaftspolitik auch ein eigenes Pamphlet gewidmet: „Der Bismarck-Hering – Das deutsche Gift“. Die Welt zitiert seine darin geäußerte Abneigung gegenüber einer vermeintlichen Machtausnutzung durch Deutschland mit den Worten: „Deutschland dominiert uns.“

Armin Laschet: Mélenchon hat nicht gewonnen

In Deutschland sieht der CDU-Außenpolitiker Armin Laschet nach dem überraschenden Ausgang der Parlamentswahl in Frankreich dennoch Chancen für eine pro-europäische Mehrheit. „Weder die Rechtsextremen um Frau (Marine) Le Pen noch die antisemitischen und antideutschen Linksradikalen um (Jean-Luc) Mélenchon haben gewonnen, sondern es besteht die Chance auf eine demokratische und pro-europäische Mehrheit“, sagte Laschet, der Mitglied des Vorstands der Deutsch-französischen Parlamentarischen Versammlung ist, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Bei der Parlamentswahl in Frankreich liegt Hochrechnungen zufolge das Linksbündnis vorn. Das rechtsnationale RN schnitt deutlich schlechter ab als angenommen. Es könnte nur auf dem dritten Platz hinter dem Mitte-Lager von Staatspräsident Macron landen, wie die Sender TF1 und France 2 nach Schließung der Wahllokale berichteten. Die absolute Mehrheit von 289 Sitzen dürfte aber keines der Lager erreichen. (ses/dpa)

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