„Der Weg ist steinig, aber möglich“

8 Dinge, die uns beim Thema Migration wirklich helfen würden

  • Jana Stäbener
    VonJana Stäbener
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Wegen hoher Asyl- und Geflüchteten-Zahlen fordern Politiker verschiedene Maßnahmen. Doch die bringen alle nur „kurzfristig“ etwas, erklärt eine Expertin.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht Fortschritte bei den Diskussionen über eine umstrittene Krisenverordnung für die geplante europäische Asylreform. Die Krisenverordnung ist ein Kernelement der geplanten EU-Asylreform, mit der unter anderem die irreguläre Migration begrenzt werden soll. So soll etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können.

Deutschland ist in den vergangenen Tagen wegen seiner fehlenden Zustimmung für den Teil der Reform zunehmend unter Druck geraten. Am Mittwoch (27. September) hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Angaben aus Regierungskreisen im Kabinett den Kurs ausgegeben, dass die Krisenverordnung nicht länger blockiert werden dürfe.

Politikerinnen und Politiker überschlagen sich also mit Forderungen, dass weniger Menschen zu uns flüchten

Schon im Februar warnte EU-Parlamentspräsidentin Metsola bei Reformen im Migrationsrecht „keine Zeit zu verlieren“. Nun kamen auf der Mittelmeerinsel Lampedusa in den vergangenen Tagen wieder tausende Geflüchtete mit dem Boot an. Aktuelle Daten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zeigen: Die Asylbewerberzahlen sind im Vergleich zu August 2022 um 72 Prozent gestiegen. Mehrere Kommunen sind besorgt.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagt der Rheinischen Post am Donnerstag, 21. September 2023, sein Bundesland sei „am Limit“. Einige Tage zuvor forderte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Obergrenze für Asylbewerber. Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte, es brauche „jetzt die im Koalitionsvertrag verankerten Migrations- und Rückführungsabkommen. Wir erwarten, dass es hier von Nancy Faeser und Joachim Stamp endlich Fortschritte gibt.“

Politikerinnen und Politiker überschlagen sich also mit Forderungen und Ideen, wie man dafür sorgt, dass weniger Menschen zu uns flüchten. Und das, obwohl Deutschland eigentlich 1,5 Millionen Zuwanderer braucht. Doch was bringen all die Maßnahmen gegen irreguläre Migration, fragt BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA die Leiterin des Migrationsprogamms bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Victoria Rietig.

Maßnahmen gegen irreguläre Migration gibt es viele. Doch was hilft wirklich? Eine Expertin klärt auf.

Migration: „Wir brauchen bessere Bedingungen in Herkunftsregionen“

Migration lasse sich nicht so gut steuern, wie Politiker und Politikerinnen das gerne darstellten, sagt Victoria Rietig BuzzFeed News Deutschland. „Um irreguläre Migration zu reduzieren, können einige Instrumente von Migrationspolitik (wie etwa intensivierte Grenzkontrollen) kurzfristige Erfolge bringen. Doch oft steigt die irreguläre Migration nach ein paar Wochen oder Monaten dann wieder an“, so die Migrationsforscherin.

„Um irreguläre Migration langfristig zu reduzieren, brauchen wir bessere Bedingungen in Herkunftsregionen. Diese Bedingungen können Deutschland und Europa nur begrenzt beeinflussen, aber die Instrumente, die wir haben, sollten wir dafür nutzen“, sagt die Expertin. Sie zählt acht Dinge auf, die uns beim Thema Migration mehr helfen würden, als jedes Politiker-Bullshit-Bingo zum Flüchtlingsgipfel:

1. Gute Sicherheitspolitik

Die trage dazu bei, dass es weniger Krisen, Konflikte und Krieg gebe. „Wir müssen vorausschauender planen und präventiv handeln, aber auch schneller auf akute Krisen reagieren und handlungsfähiger werden. Hiervon ist Deutschlands Sicherheitspolitik weit entfernt“, sagt Rietig BuzzFeed News Deutschland. 

2. Gute Klimapolitik

Klimapolitik dürfe nicht nur den Beitrag Deutschlands zur Klimakrise reduzieren, unter dem vor allem Frauen im globalen Süden leiden, sondern eben auch genau diesen Ländern helfen, sich besser an das veränderte Klima anzupassen.

3. Gute Handelspolitik

Laut Rietig brauche es „entwicklungsfreundliche Handelsverträge“ und einen „fairen internationalen Handel“, wenn Deutschland die Fluchtursachen weltweit bekämpfen will.

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4. Gute (oder zumindest bessere) Regierungsführung in Herkunftsregionen

Krisen wie diese zehn, die wir 2022 ignoriert haben, könnten zumindest vermindert werden, wenn es in den Herkunftsländern bessere Regierungsführungen gebe. Damit könnte man „Korruption und politische Verfolgung verringern und die Grundversorgung dort verbessern“, so Rietig zu BuzzFeed News Deutschland. „Dazu haben wir das Instrument unserer Entwicklungspolitik.“ 

5. Migrationsabkommen mit Herkunfts- und Transitländern

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6. Eine bessere EU-Asylpolitik und GEAS-Reform

Wie die Bundeszentrale für politische Bildung erklärt, zielt die GEAS-Reform (Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems) vor allem darauf ab, die sogenannte irreguläre Migration nach Europa einzudämmen und eine solidarische Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen.

Sie sieht einen wirksamen Grenzschutz an den europäischen Außengrenzen vor. Dazu gehören einheitliche Standards für Registrierungen und Zuständigkeiten. Das gesamte Prüf- und Rückführungsverfahren soll maximal sechs Monate dauern, Einreisewillige früh identifiziert werden und Sekundärmigration (Geflüchtete ziehen in ein anderes Land weiter) verhindert werden.

7. Legale Wege für Fluchtmigration

Das könnten laut Migrationexpertin Rietig etwa humanitäre Visa-Botschaftsverfahren, Resettlement oder für Arbeitsmigration talent partnerships sein. „Das Problem ist aber das der Umsetzung: Die EU verspricht seit Jahren legale Wege, aber die Mitgliedsstaaten bieten sie nur in kleinem Ausmaß“ so Rietig. „Die Anzahl an Resettlement für Flüchtlinge liegt EU-weit bei weniger als 20.000 Personen pro Jahr und für die umfassende Umsetzung der gehypten Talent Partnerships fehlt der politische Wille.“

8. „Eine weniger ideologische und ehrlichere Debatte über die Chancen und Herausforderungen, die Migration für unsere Gesellschaft bringt.“

„Wir brauchen diesen Mix aus kurz- und langfristigen Maßnahmen. Der Weg ist steinig, aber möglich. Wir brauchen dazu Ausdauer und festes Schuhwerk“, zeigt sich Rietig bei BuzzFeed News Deutschland zuversichtlich, dass man das Streitthema Migration schon bewerkstellige.

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(Mit Material der dpa)

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