Nach Wagenknecht-Rebellion
Ausverkauf bei den Linken: Wie die Fraktion aufgelöst wird
VonRobert Wagnerschließen
Es ist offiziell: Die Fraktion der Linken im Bundestag ist ab heute Geschichte und wird abgewickelt. Wir erklären, was nun folgt.
Berlin – Mitte November wurde dieser Schritt beschlossen, zum heutigen 6. Dezember ist er in die Tat umgesetzt worden: Die Bundestagsfraktion der Linken ist ab sofort offiziell nicht mehr existent. Sie wird nun abgewickelt und ist damit Gegenstand einer „Liquidation“, wie es juristisch heißt. Praktisch befindet sich die Fraktion bereits seit Wochen in der Auflösung. Aus der einst 38-köpfigen Fraktion wird zukünftig eine „Gruppe“ aus 28 Mitgliedern.
Die Linke im Bundestag: Auflösung der Fraktion ist ein Erbe von Sahra Wagenknecht
Ihre Auflösung hat die Linksfraktion am 18. November beschlossen. Der Beschluss war das Ergebnis des jahrelangen Streits innerhalb der Partei um die ehemalige Parteiikone Sahra Wagenknecht, die im Oktober aus der Partei ausgetreten ist und die Gründung einer neuen Partei angekündigt hat. Dieser Ausgang war von vielen in der Linken befürchtet, aber auch von vielen Anhängern Wagenknechts sehnlichst erwartet worden.
Wagenknecht gründet aber nicht nur eine neue Partei, die der Linken voraussichtlich viele Stimmen streitig machen wird. Gemeinsam mit ihr traten neun weitere Abgeordnete der Linksfraktion aus der Partei aus und gehören damit nicht länger der Fraktion an. Für eine Bundestagsfraktion braucht es aber mindestens 37 Mitglieder, die die Linke nun nicht mehr aufzubieten hat.
Aus einer Fraktion wird eine Gruppe – nicht das Ende der Linken im Bundestag
Die verbliebenen 28 Abgeordneten der Linkspartei werden daher weiterhin unter dem Namen „Die Linke“ als eine parlamentarische Gruppe weitermachen – wenn denn der Antrag, den die Fraktion Ende November gestellt hat, genehmigt wird. Das Bundestagspräsidium werde den Antrag prüfen und „so bald wie möglich“ eine Entscheidung fällen, berichtete die Nachrichtenagentur AFP damals.
28 Abgeordnete der bisherigen @Linksfraktion haben gestern entschieden, sich zum 6. Dezember als Gruppe Die Linke im Bundestag zu konstituieren, und beantragen eine rasche Anerkennung des Gruppenstatus. Eine Gruppe kann viel bewirken – Politik, Politik und nochmals Politik. Von… pic.twitter.com/dWjsgPaRNj
— Dietmar Bartsch (@DietmarBartsch) November 30, 2023
Die Liquidation der Linksfraktion sei „keinesfalls das Ende der Linken“, sagte der ehemalige Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch im Vorfeld des Beschlusses zur Auflösung. Er steht den nun fraktionslosen Abgeordneten seiner Partei weiterhin vor. Die Linke müsse jetzt die „Chance für einen Neustart“ nutzen, sagte er. Es müsse „Schluss sein mit der wirklich unsäglichen Selbstbeschäftigung“, appellierte Bartsch damals an seine Partei.
Wir klären hier die wichtigsten Fragen zur Auflösung der Linksfraktion.
Was ist eine Fraktion?
Eine Fraktion ist der reguläre Zusammenschluss von Abgeordneten einer Partei. Sie bietet den Abgeordneten das Maximum an Redezeit im Plenum des Bundestages und an weiteren Rechten, wie etwa dem Stellen von Anfragen an die Regierung. Auch wenn es um finanzielle staatliche Unterstützung geht, ist die Fraktion erste Wahl. Sie ist sozusagen der Goldstandard, der dem einzelnen Abgeordneten und der Partei die größten Einflussmöglichkeiten für die Arbeit im Parlament bietet. In der aktuellen Legislaturperiode sind allerdings mindestens 37 Mitglieder nötig, um eine Fraktion bilden zu können.
Was ist eine parlamentarische Gruppe?
Bekommt eine Partei nicht wenigstens 37 Abgeordnete zusammen, steht ihr die Möglichkeit offen, eine parlamentarische Gruppe zu gründen. Im Vergleich zu einer Fraktion hat eine Gruppe weniger parlamentarische Rechte und Aktionsspielraum, etwas beim Einbringen von Anfragen oder bei der Redezeit. Sie bekommt auch weniger Mittel aus der Staatskasse. Für die Einrichtung einer Gruppe ist ein Bundestagsbeschluss nötig, der auch die Rechte der Gruppe und die Höhe der staatlichen Finanzmittel bestimmt, wie Zeit Online berichtete.
Es gibt ein Vorbild für diese Art der parlamentarischen Arbeit: In den 1990er Jahren war die Vorläuferpartei der Linken, die PDS, teilweise nur als Gruppe im Bundestag vertreten. An deren Rechten damals, die teilweise erst vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten werden mussten, werden sich die Fraktionen der anderen Parteien orientieren müssen, so Bartsch gegenüber Zeit Online.
Wie sieht die Liquidation aus?
Mit der Abwicklung oder „Liquidation“ der Linksfraktion ist laut tagesschau.de ein Team aus zehn Mitarbeitern der Fraktion beschäftigt. Ihre wesentliche Aufgabe besteht darin, die verbliebenen Vermögenswerte der Fraktion an die Bundestagsverwaltung zurückzuführen. Denn finanziert werden Fraktionen ausschließlich durch Steuergelder, die sich in Millionenhöhe bewegen. Zwar wird das meiste davon für Personalkosten ausgegeben, aber es gibt noch Vermögenswerte in Form etwa von Einrichtungsgegenständen, technischer Ausstattung wie Laptops, einem Medienstudio mit dazugehöriger teurer Ausrüstung und sogar Kunstwerke. Auch drei Kleinbusse, die die Fraktion für Außentermine genutzt hat, gehören dazu. All diese Dinge müssen zu einem möglichst guten Preis versteigert werden.
Auch die Kündigung von Räumen und die Rückabwicklung der Fraktions-IT gehören zu den Aufgaben der „Liquidatoren“. Auf diese Dinge, Infrastruktur und Eigentum der Fraktion, dürfen die verbliebenen Abgeordneten, die voraussichtlich als Gruppe weitermachen werden, nicht einfach zurückgreifen. Ihnen bleiben aber ihre Büros und ihre persönlichen Mitarbeiter.
Wie lange dauert die Liquidation?
Für die Abwicklung der Fraktion haben die „Liquidatoren“ theoretisch 18 Monate Zeit – das ist der Zeitrahmen, den der Bundesrechnungshof vorgibt. Tatsächlich kann der Prozess aber wesentlich länger dauern. Als die Fraktion der PDS nach der Bundestagswahl 2002 nur noch mit zwei Direktmandaten im Parlament vertreten war und ihre Fraktion auflösen musste, zog sich dieser Prozess über drei Jahre hin. Skurril ist das Beispiel der FDP. Die Liberalen verpassten 2013 den Wiedereinzug in den Bundestag. Bis die Liquidation ihrer Fraktion abgeschlossen war, vergingen fünf Jahre – da war die FDP bereits wieder mit einer neuen Fraktion im Bundestag vertreten.
Was passiert mit den Mitarbeitern der Fraktion?
Die Linksfraktion hatte zuletzt laut tagesschau.de 108 Mitarbeiter. Diese Menschen erhalten nun, da die Auflösung der Fraktion offiziell in die Wege geleitet ist, in den nächsten Tagen ihre Kündigung. Entsprechend ihrer Betriebszugehörigkeit gehen sie zu unterschiedlichen Zeiten. Einige werden nur noch bis Februar bezahlt, andere behalten ihren Job noch bis zum Sommer. Zu tun haben sie bis dahin alle nicht mehr viel, abgesehen natürlich von den zehn Mitarbeitern, die mit der Liquidation beschäftigt sind. Alle erhalten außerdem eine Abfindung. Unberührt von diesen Kündigungen bleiben die persönlichen Mitarbeiter der einzelnen Abgeordneten, die nicht zur Infrastruktur der Fraktion gehören.
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