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Kipppunkt Migration? Woran die Sondierungsgespräche scheitern könnten
VonNils Thomas Hinsberger
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Die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD gehen weiter. Trotz erster Erfolge bleiben viele Fragen offen. Bei der Migration gibt es Konfliktpotenzial.
Update vom 7. März, 5.20 Uhr: Die Sondierungen von Union und SPD für die Bildung einer schwarz-roten Bundesregierung gehen in eine entscheidende Phase. Beide Seiten seien guten Willens, zu Ergebnissen zu kommen, ließen die Unterhändler am Donnerstagabend erkennen. Eine Einigung heute scheint nicht ausgeschlossen.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt machte einen Zeitkorridor auf: Man habe am Freitag Zeit und auch am Wochenende - „und das ist jetzt das, was ansteht“. „Die Stimmung ist gut. Es kommt aber darauf an, dass die Ergebnisse gut werden, und da haben wir alle eine Verantwortung wahrzunehmen“, mahnte er. Am Donnerstag sprachen die Unterhändler in unterschiedlichen Runden vom späten Nachmittag bis nach 22 Uhr miteinander. „Wir sind vorangekommen“, sagte die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) am späten Abend.
Nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius wird in den Sondierungen auch über das schon länger vorgeschlagene zusätzliche Hilfspaket für die Ukraine im Umfang von drei Milliarden Euro gesprochen. „Und ich setze mich natürlich mit Nachdruck dafür ein, dass wir hier zu einer schnellen Lösung kommen“, sagte der SPD-Politiker. Dann sei etwa die Lieferung weiterer Luftverteidigungssysteme mit Lenkflugkörpern für das von Russland angegriffene Land möglich.
Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD: Migration könnte zum Streit führen
Erstmeldung: Berlin – SPD und Union tasten sich langsam aber sicher vor zu einer gemeinsamen Regierung. Nach der Bundestagswahl reicht es klar für eine Mehrheit aus CDU/CSU und den Sozialdemokraten und damit für eine Neuauflage der Großen Koalition. Doch zunächst werden in den Sondierungsgesprächen die Standpunkte der jeweiligen Parteien klargemacht. Damit wollen die Parteien am Donnerstag (6. März) und Freitag (7. März) weitermachen.
Die erste Einigung konnten die Vertreter bereits in dieser Woche vorzeigen. Bei den Gesprächen stimmten unter anderem CDU-Chef Friedrich Merz, CSU-Chef Markus Söder und die SPD-Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken für ein Milliardenpaket für die deutsche Infrastruktur. Daneben soll die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben ausgesetzt werden. Doch wenngleich die Parteien in der Finanzfrage eine Einigung erzielen konnten, könnte die Migration für deutlich mehr Ärger sorgen.
„Rote Linie“ – Klingbeil setzt bei Migration eine Grenze in den Sondierungsgesprächen
Nach den tödlichen Angriffen in Aschaffenburg, Mannheim oder Solingen, hatte die Union auf eine Verschärfung der Migrationspolitik gedrängt. Merz legte dazu sogar einen Fünf-Punkte-Plan vor, den er über einen Antrag mit Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD durch den Bundestag brachte. Damit zog er auch die Kritik des möglichen Koalitionspartners SPD auf sich.
In dem Plan sprach sich die Union für die Einführung von Kontrollen an den deutschen Außengrenzen aus. Dazu heißt es in dem Antrag: „Die deutschen Staatsgrenzen zu allen Nachbarstaaten müssen dauerhaft kontrolliert werden.“ Von Seiten der ehemaligen Ampelparteien SPD und Grüne wurde der Vorwurf laut, die Union wolle damit faktisch die deutschen Außengrenzen schließen.
Wen holt Friedrich Merz in sein Kabinett? Diese Minister stehen bereit
Klingbeil distanzierte sich und seine Partei mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen mit der Union von einem solchen Vorhaben. „Es gibt eine rote Linie, über die gehen wir nicht rüber. Und das ist die Frage des Grundgesetzes, der europäischen Verträge und des Völkerrechts“, erklärte er Anfang Februar gegenüber der Boulevardzeitung Bild. In der ARD-Sendung Maischberger wiederholte Klingbeil am Mittwoch (5. März) erneut seinen Standpunkt. „Ich kann Ihnen sehr klar sagen: Die SPD wird keine faktischen Grenzschließungen mitmachen.“
Migration als Stolperstein bei den Sondierungen? CDU-Mann mahnt SPD zur Migrationswende
Wie fragil der Hausfrieden bei den Sondierungsgesprächen beim Thema Migration ist, zeigt auch die Reaktion von Union-Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU). Der warnte die SPD gegenüber den Sendern ntv und RTL, auf ihrer Position in der Migrationsfrage zu beharren. „Wir müssen auf die ungeregelte Migration ein starkes Signal, eine starke Antwort geben“, sagte er in der Sendung Frühstart.
Wadepuhl betonte jedoch, dass die Migrationspolitik noch Gegenstand der laufenden Verhandlungen sei. „Ich kann es nur nochmal wiederholen, rote Linien bringen niemandem etwas“, so der CDU-Politiker. Die SPD müsse aus dem „Modus Ampel“ herauskommen. Er wolle eine „Koalition der Ergebnisse“. Die Wahlerfolge der AfD, aber auch der Linken und des BSW müssten zu einem Umdenken führen.
Kritik an der SPD-Position kam auch vom Vorsitzenden der Jungen Union, Johannes Winkel. „Lars Klingbeils öffentliche Absage einer Migrationswende ist unverantwortlich gegenüber Deutschland und schlechter Stil gegenüber den Sondierungspartnern“, sagte er gegenüber der Bild. Winkel schickte auch gleich ein Ultimatum an die SPD nach. Die Union könne „ohne eine Migrationswende“ nicht in eine Regierung eintreten.
Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD – Bei diesen Themen könnte es noch Konflikte geben
Doch nicht nur die Migrationspolitik bietet Zündstoff in den Sondierungsgesprächen. Ein weiteres Konfliktfeld könnte das von der Ampel eingeführte Bürgergeld sein, das die Union mit einer „neuen Grundsicherung“ ablösen will. „Schon der Begriff“ des Bürgergeldes sei ein Fehler gewesen, erklärte Merz im Kanzlerduell vor der Bundestagswahl.
Auch in der Steuerpolitik müssen die Parteien unterschiedliche Ansichten in Einklang bringen. CDU und CSU wollen breite Steuerentlastungen auch für Unternehmen. Dagegen hat sich die SPD für einen „made in Germany“-Bonus ausgesprochen. Damit sollen Investitionen angekurbelt werden. Superreiche sollen im Sinne der Sozialdemokraten stärker belastet – kleine und mittlere Einkommen dagegen entlastet werden.
Einigung auf Finanzpaket – Scheitert die Verabschiedung noch im alten Bundestag?
Auch der Teilerfolg mit dem milliardenschweren Finanzpaket für die Infrastruktur und die Bundeswehr steht auf der Kippe. Allerdings liegt das nicht so sehr an den Sondierungs-Parteien, sondern am aktuellen Bundestag. Grüne und FDP kritisieren den Vorstoß – wenn auch aus gänzlich unterschiedlichen Gründen. Dabei müsste mindestens eine Partei bei dem Vorhaben zustimmen.
Die Grünen kritisieren vor allem Friedrich Merz, der sich im Wahlkampf klar gegen die Aufnahme weiterer Schulden ausgesprochen habe. „Es ist ja ein gewisses Maß an Skrupellosigkeit und Unverfrorenheit, dass Merz sich eine Woche nach der Wahl hinstellt und exakt das Gegenteil von dem tut, was er den Wählerinnen und Wählern noch vor der Wahl erzählt hat“, sagte Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende der Grünen, im ARD-Brennpunkt. Sie erklärte sich und ihre Partei allerdings bereit, zu verhandeln. Dröge mahnte jedoch an, bei den Investitionen den Klimaschutz nicht aus den Augen zu verlieren.
FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki nannte den Vorstoß von Merz sogar „unseriös“. Auf X schrieb er: „Das Szenario, das sich hinter dem ‚Whatever it takes‘ von Friedrich Merz verbirgt, erinnert mich stark an die damalige Corona-Argumentation.“ Was die Stärkung der Bundeswehr betreffe, könne man miteinander reden. „Einer infrastrukturellen Carte blanche des Parlaments für die Bundesregierung in dieser Größenordnung kann ich so keine Zustimmung geben.“ (nhi)