Gefahr einer vollständigen Niederlage

„Zeit wird knapp“: Pelosi wirkt auf Biden zu Kandidatur bei US-Wahl ein

  • Michael Kister
    VonMichael Kister
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Biden ist angeschlagen, gesundheitlich und politisch. Pelosi telefonierte nun erneut mit ihm und legte dar, was passieren könnte, bliebe er im Rennen.

Washington, DC – Die Debatte um seine Präsidentschaftskandidatur lässt Joe Biden keine Ruhe, selbst jetzt nicht, da er an Corona erkrankt ist. Das Timing schürt Spekulationen umso stärker, denn der Präsident sagte in einem Interview mit dem US-Sender BET News, das am Mittwoch veröffentlicht wurde, eine ernsthafte Krankheit könnte ihn dazu bewegen, aus dem Wahlkampf auszuscheiden. „Wenn ich eine Krankheit hätte, die auftritt, wenn jemand, wenn Ärzte zu mir kämen und sagten, Sie haben dieses und jenes Problem“, so Biden, dann würde er reevaluieren, ob er im Rennen bleiben sollte. Bisher bekräftigten er und seine Ärzte allerdings stets, dass das nicht der Fall sei.

War Bidens Gesundheit wegen seines Alters schon früher ein Thema, so trat nach dem TV-Duell gegen Donald Trump vor allem die Frage nach seiner geistigen Schärfe in den Vordergrund. Eine ganze Reihe von Kritikerinnen und Kritikern aus den eigenen Reihen der Demokratischen Partei nahmen das schwache Auftreten des Präsidenten, inklusive mehrerer Aussetzer, zum Anlass, seinen Rückzug aus dem Wahlkampf zu fordern oder ihn mindestens dazu anzuhalten, darüber nachzudenken. Zu letzteren gehört die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, die nach wie vor eine einflussreiche Person bei den Demokraten ist. Sie soll in der vergangenen Woche schon zum zweiten Mal mit Biden über seine Kandidatur gesprochen haben.

Nancy Pelosi ist nicht alleine mit ihrem Appell an Joe Biden, sich aus dem Präsidentschaftswahlkampf zurückzuziehen.

Demokratische Präsidentschaftskandidatur: Jetzt redet Pelosi Biden ins Gewissen

19 demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus und ein Senator haben sich seit dem TV-Duell für einen Rückzug Bidens ausgesprochen. Unlängst untermauerte eine Umfrage des mit der Nachrichtenagentur AP zusammenarbeitenden NORC Center for Public Affairs Research der Universität Chicago diese Forderung mit Daten: 65 Prozent der Befragten, die sich als Demokraten identifizieren, gaben an, Joe Biden sollte sich zurückziehen und seiner Partei erlauben, einen anderen Kandidaten zu wählen.

Jüngst häufen sich nun auch Aussprüche von einflussreichen Demokraten gegen den amtierenden Präsidenten oder wenigstens Berichte darüber, dass sie diese getätigt hätten. Chuck Schumer, Mehrheitsführer im Senat, soll Biden laut dem US-Sender ABC News in einem Gespräch am Samstag dazu gedrängt haben, seine Wiederwahl-Kampagne aufzugeben, weil es besser für Land und Partei sei. Schumer bestätigte den Bericht nicht. Ähnlich soll sich der demokratische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, im Austausch mit Biden geäußert haben. ABC News berief sich dafür auf eine Jeffries nahestehende Quelle.

Pelosi: Biden könnte die Demokraten das Repräsentantenhaus kosten

Nancy Pelosi, die früher den Job von Jeffries ausübte und deren Stimme bei den Demokraten immer noch viel Gewicht hat, soll nun auf Biden eingewirkt haben. Sie sprach kurz nach dem TV-Duell bereits einmal direkt mit ihm und äußerte sich mehrfach in den Medien zu der Kandidaten-Debatte. Am 10. Juli sagte sie in einem Interview mit MSNBC, dass es Joe Bidens Entscheidung sei, ob er Kandidat bleiben wolle. „Wir alle ermutigen ihn, diese Entscheidung zu treffen, weil die Zeit knapp wird“, fügte sie hinzu.

Jetzt habe sie laut CNN mit Biden telefoniert. Der US-Sender berief sich auf vier Quellen, die über den Anruf Bescheid wüssten. Darin habe Pelosi auf die Umfragen hingewiesen, die zeigten, dass der Präsident Donald Trump bei der US-Wahl 2024 nicht schlagen könne. Sie habe Biden außerdem gesagt, dass er die Chancen der Demokraten zunichtemachen könnte, im November eine Mehrheit im Repräsentantenhaus zu gewinnen, wenn er im Rennen bleibt.

Die CNN-Quellen waren sich uneinig darüber, wie Biden reagierte: Eine gab an, er sei defensiv geworden, die andere, er habe gekontert, dass er Umfragen gesehen habe, die das Gegenteil behaupten. Keine der Quellen äußerte sich allerdings dazu, ob Pelosi Biden mitgeteilt habe, dass sie glaube, er solle seine Präsidentschafts-Kandidatur zurückziehen.

Eine Entscheidung muss – und wird – bald fallen

Zweifellos bahnt sich in den kommenden Wochen jedoch eine Entscheidung in dieser internen Debatte an. Zum einen will das Demokratische Nationale Komitee spätestens bis zum 7. August, noch bevor sein Nominierungs-Kongress beginnt, virtuell über die Nominierung Bidens abstimmen lassen. Das erfuhr CNN aus einer internen E-Mail.

Zum anderen sei Biden in Gesprächen mit demokratischen Kongressabgeordneten zunehmend „empfänglich“ und „nicht so trotzig wie in der Öffentlichkeit“, wie ein Präsidentenberater, der anonym bleiben will, CNN mitteilte. „Davon zu sagen ‚Kamala kann nicht gewinnen‘ bewegte er sich zu ‚Glaubt ihr, Kamala kann gewinnen?‘“, so der Berater weiter. Es sei immer noch unklar, wo das hinführe, der Präsident „scheint aber zuzuhören.“

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