„Sicherheitsgefährdung für Europa“

Im Ukraine-Krieg fest an Putins Seite: Chinas Handel mit Russland wächst weiter

Allen Warnungen zum Trotz: China und Russland arbeiten auch im Ukraine-Krieg weiter eng zusammen. Dahinter stecke Kalkül, sagt eine Expertin.

Im vergangenen Jahr kletterte der Handel zwischen China und Russland auf ein Allzeithoch. Und ein Ende dieser vermeintlichen Erfolgsgeschichte ist nicht in Sicht – obwohl der Westen China auffordert, von der Unterstützung für Russland und damit auch dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine abzurücken. Laut Daten, die der chinesische Zoll am Freitag (12. Juli) veröffentlicht hat, stieg das Handelsvolumen zwischen den beiden Nachbarländern im ersten Halbjahr 2024 um 4,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Chinesische Exporte nach Russland nahmen demnach um 1,8 Prozent zu, Importe aus Russland um 6,9 Prozent.

2023 waren Waren im Rekordwert von mehr als 240 Milliarden US-Dollar zwischen Russland und China gehandelt worden, ein Plus von 26,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Trotz des gewaltigen Anstiegs kam die Meldung seinerzeit nicht überraschend: Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Russland Präsident Wladimir Putin hatten zuvor vereinbart, den Handel zwischen beiden Ländern auf jährlich 200 Milliarden US-Dollar zu steigern. Ein Ziel, das auch 2024 übererfüllt werden dürfte, auch wenn die Wachstumsrate im bilateralen Handel deutlich unter dem massiven Anstieg von 2023 liegt.

China hilft, Russlands Ukraine-Krieg zu finanzieren

Bereits vor Beginn des Ukraine-Kriegs hatte sich Chinas Staatschef Xi an die Seite des Kreml gestellt, beide Länder verbindet eine „grenzenlose Partnerschaft“. Drohungen der USA, Sekundärsanktionen gegen Unterstützer Russlands zu verhängen, scheinen daran nur wenig zu ändern. Zwar haben mehrere chinesische Großbanken aus Furcht vor Strafmaßnahmen zuletzt Abstand vom Russland-Handel genommen, mittlerweile wird der bilaterale Handel aber vermehrt durch kleinere Banken sowie in der chinesischen Währung Yuan abgewickelt.

Nach dem Rückzug vieler westlicher Unternehmen aus Russland haben chinesische Firmen erfolgreich einige der dadurch entstandenen Lücken besetzt. Ein Beispiel ist die Autobranche. Russland, das im Jahr 2022 nicht einmal zu den zehn wichtigsten Zielländern für in China hergestellte Autos gehörte, hatte sich im vergangenen Jahr an die Spitze der Liste gesetzt, insgesamt wurden rund 900.000 Fahrzeuge in das Land verkauft. Gleichzeitig hat China seine Öl- und Gasexporte aus Russland massiv angekurbelt – nachdem Putins Regierung in Moskau zu deutlichen Preisnachlässen gezwungen wurde. Westlichen Analysten zufolge hilft Peking somit indirekt, Russlands brutales Vorgehen gegen die Ukraine zu finanzieren.

Im März 2023 besuchte Xi Jinping Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Moskau.

China unterstützt Russland mit Dual-Use-Gütern

Ebenso entscheidend für den Verlauf des Ukraine-Kriegs dürften chinesische Exporte von sogenannten Dual-Use-Gütern sein. Damit sind Waren gemeint, die nicht nur zu zivilen, sondern auch zu militärischen Zwecken eingesetzt werden können. Etwa Kugellager, die in Panzern verbaut werden können, Mikrochips zur Steuerung von Hightech-Waffen, Werkzeugmaschinen zur Waffenproduktion oder gepanzerte Fahrzeuge.

Laut einer Analyse der Financial Times kommen rund 60 Prozent der Dual-Use-Güter, die Russland im vergangenen Jahr importiert hat, aus der Volksrepublik. Kurz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine war der Export von militärisch nutzbaren Gütern aus China nach Russland zwar vorübergehend eingebrochen, im Juli 2022 dann aber wieder angestiegen. Im vergangenen Jahr hatte er weiter deutlich zugenommen, sodass das Vorkriegsniveau mittlerweile deutlich übertroffen ist. Die Regierung in Peking bestreitet, durch derartige Lieferungen Russlands Rüstungsindustrie mit kriegsrelevanten Gütern versorgen zu wollen.

„Die chinesische Unterstützung für Russland stellt eine Sicherheitsgefährdung für Europa dar“

Die meisten westlichen Experten sehen das anders. „Nur durch Chinas Unterstützung war und ist Russland überhaupt erst in der Lage, seinen Angriffskrieg in der Ukraine so zu führen, wie es das tut“, sagte die China-Expertin Mareike Ohlberg von der Denkfabrik German Marshall Fund im Interview mit IPPEN.MEDIA. „Gemeinsam mit Russland bildet China eine Einheitsfront gegen die USA, gegen die NATO und damit auch gegen Europa. Deswegen wird China Russland nicht fallen lassen oder irgendetwas tun, das Russland gegenüber dem Westen schwächen könnte.“ Ohlberg folgert: „Die chinesische Unterstützung für Russland stellt eine Sicherheitsgefährdung für Europa dar.“ (sh)

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