Viktor Orbán und Xi Jinping 2019 in Peking.
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Gute Freunde: Viktor Orbán und Xi Jinping 2019 in Peking.

Reise nach Frankreich, Ungarn, Serbien

Besuch bei Konkurrenten und bei Freunden: Chinas Staatschef Xi Jinping in Europa

  • Christiane Kühl
    VonChristiane Kühl
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  • Sven Hauberg
    Sven Hauberg
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Für seinen Staatsbesuch in Europa wählt Chinas Staatschef Xi Jinping die Ziele sorgfältig aus: Auf ein eher schwieriges Treffen in Frankreich folgen Visiten bei Freunden.

Chinas Staatschef Xi Jinping reist in diesen Tagen durch Europa – „zum ersten Mal seit fünf Jahren“, wie das Außenamt in Peking mitteilte. Was so freilich nicht ganz stimmt, schließlich war Xi vor gut einem Jahr von Russlands Präsident Putin in Moskau empfangen worden. Xis Nähe zum Kreml dürfte vor allem bei seinem ersten Stopp, einem zweitägigen Treffen mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, Thema werden. Zumal auch die äußerst China-kritische EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen dazustoßen wird. Anschließend geht es für Xi weiter nach Serbien und Ungarn. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán geben sich stets ausgesprochen Peking-freundlich – und pflegen zugleich gute Beziehungen zu Russland, ebenso wie China selbst.

Xis Reise werde „der friedlichen Entwicklung in der Welt neuen Schwung verleihen“, proklamierte das Pekinger Außenministerium. Kritischere Beobachter sehen eher eine Teile- und Herrsche-Strategie gegenüber der EU am Werk. Zwar betont Peking stets, mit der EU kooperieren zu wollen, man wünsche sich eine „strategische Unabhängigkeit Europas“ – soll heißen, eine weniger enge Partnerschaft mit den USA. Doch China sieht die EU aufgrund ihrer Vielstimmigkeit nicht wirklich als bedeutenden Akteur und spricht lieber mit den einzelnen Mitgliedsstaaten. Diese haben allein weniger Verhandlungsmacht als Brüssel – und sind dazu noch oftmals uneins. Das ist gut für Peking.

Xi Jinping in Frankreich: E-Autos und Ukraine-Krieg auf der Tagesordnung

In Frankreich will Xi mit Macron die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 60 Jahren feiern. Frankreich war das erste große Land des Westens, das die Volksrepublik China anerkannte. Das war damals, im Jahr 1964, keine Selbstverständlichkeit. Deutschland etwa nahm erst acht Jahre später Beziehungen mit China auf, die USA sogar erst 1979. Dass Charles de Gaulle damals einen eigenen Weg gegangen sei, habe China nicht vergessen, glaubt der französische Journalist Claude Leblanc, Asien-Redakteur bei der Tageszeitung L’Opinion. „Und noch heute sehen die Chinesen Frankreich als ein Land, das seine eigenen Entscheidungen trifft, unabhängig von den USA“, sagt er im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

Trotzdem wird der Frankreich-Besuch für Xi keine leichte Übung – vor allem dann nicht, wenn von der Leyen dabei ist. Ihr ist vor allem das wachsende Handelsdefizit der EU mit China ein Dorn im Auge. Von der Leyens Kommission untersucht etwa derzeit, ob China seine Elektroautos unzulässig subventioniert, und drohte bereits mit Strafzöllen. Die Zahl der Einfuhren chinesischer E-Autos steigt, und mancher in Europa fürchtet eine Importflut. Anders als die deutsche Bundesregierung steht Emmanuel Macron hinter dem EU-Vorstoß. „Ich glaube aber nicht, dass Xi bei dem Thema Zugeständnisse machen wird“, sagt Leblanc.

Chinas Staats- und Parteichef: So stieg Xi Jinping zum mächtigsten Mann der Welt auf

Chinas heutiger Staatschef Xi Jinping (2. von links) mit anderen Jugendlichen im Mao-Anzug
Xi Jinping wurde am 15. Juni 1953 in Peking geboren. Als Sohn eines Vize-Ministerpräsidenten wuchs er sehr privilegiert auf. Doch in der Kulturrevolution wurde er wie alle Jugendlichen zur Landarbeit aufs Dorf geschickt. Das Foto zeigt ihn (zweiter von links) 1973 mit anderen jungen Männer in Yanchuan in der nordwestlichen Provinz Shaanxi. Dort soll Xi zeitweise wie die Einheimischen in einer Wohnhöhle gelebt haben. © imago stock&people
Xi Jinping steht vor der Golden Gate Bridge in San Francisco
Xi Jinping 1985 vor der Golden Gate Bridge in San Francisco: Damals war er als junger Parteichef des Landkreises Zhengding in der nordchinesischen Agrarprovinz Hebei Delegationsleiter einer landwirtschaftlichen Studienreise nach Muscatine im US-Bundesstaat Iowa. Dort nahm die Gruppe nach offiziellen Berichten „jeden Aspekt der modernen Landwirtschaft unter die Lupe“. Anschließend reiste Xi weiter nach Kalifornien. Es war sein erster USA-Besuch. © imago stock&people
Xi Jingping und Peng Liyuan
Zweites Eheglück: Xi Jinping und seine heutige Ehefrau, die Sängerin Peng Liyuan, Anfang 1989. Zu dieser Zeit war Xi Vizebürgermeister der ostchinesischen Hafenstadt Xiamen. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter. Xis erste Ehe war nach nur drei Jahren an unterschiedlichen Lebenszielen gescheitert. Seine erste Frau, die Diplomatentochter Ke Lingling, zog in den 1980er-Jahren nach Großbritannien. © imago
Xi Jinping gräbt mit Parteikollegen an einem Damm zur Verstärkung eines Deiches in Fujian
Aufstieg über die wirtschaftlich boomenden Küstenregionen: 1995 war Xi Jinping bereits stellvertretender Parteichef der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian – und noch ganz volksnah. Im Dezember 1995 arbeitet er mit an der Verstärkung eines Deiches am Minjiang-Fluss. © Imago/Xinhua
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt Chinas Vizepräsident Xi Jinping das Regierungsviertel in Berlin
Vizepräsident Xi Jinping 2009 im Kanzleramt bei Angela Merkel: Die deutsch-chinesischen Beziehungen waren unter Merkel relativ eng und von wirtschaftlicher Zusammenarbeit geprägt. Merkel und Xi reisten aus Berlin weiter nach Frankfurt, um die dortige Buchmesse zu eröffnen. China war als Ehrengast geladen. © GUIDO BERGMANN/Pool/Bundesregierung/AFP
Die Vizepräsidenten Xi Jinping aus China und Joe Biden aus den USA halten T-Shirts mit einer Freundschaftsbekundung in die Kamera
Ein Bild aus besseren Zeiten: Aus ihrer jeweiligen Zeit als Vizepräsidenten kamen Joe Biden und Xi Jinping mehrmals zusammen. Im Februar 2012 demonstrierten sie bei einer Reise Xis nach Los Angeles in einer Schule „guten Willen“ zur Freundschaft mit T-Shirts, die ihnen die Schüler überreicht hatten. Damals fehlten Xi nur noch wenige Monate, um ganz an die Spitze der Kommunistischen Partei aufzusteigen. © FREDERIC J. BROWN/AFP
Ein alter Mann in Shanghai schaut auf Xi bei seiner ersten Rede als Parteichef im Fernseher.
Xi Jinping hat es geschafft: Zum Ende des 18. Parteitags am 15. November 2012 wurde Xi als neuer Generalsekretär der Kommunisten präsentiert – und ganz China schaute zu. Xi gelobte in seiner ersten kurzen Rede als Parteichef, die Korruption zu bekämpfen und ein „besseres Leben“ für die damals 1,3 Milliarden Menschen des Landes aufzubauen.  © PETER PARKS/AFP
Der neue Staatschef Xi Jinping geht hinter seinem Vorgänger Hu Jintao zu seinem Platz in der Großen Halle des Volkes in Peking.
Übernahme auch des obersten Staatsamtes: Xi Jinping wurde auf dem Nationalen Volkskongress im März 2013 Präsident und schloß damit den Übergang von seinem Vorgänger Hu Jintao (vorn im Bild) zur Xi-Ära ab. © GOH CHAI HIN/AFP
Chinas Präsident und seine Ehefrau Peng Liyuan gehen über den Flughafen Orly in Paris.
Xi Jinpings Ehefrau Peng Liyuan ist die erste First Lady Chinas, die auch öffentlich in Erscheinung tritt. Hier kommt das Ehepaar zu einem Staatsbesuch in Frankreich an. Die Gattinnen von Xis Vorgängern hatten sich nie ins Rampenlicht gedrängt. Vielleicht auch, weil Maos politisch aktive dritte Ehefrau Jiang Qing nach dem Tod des „Großen Vorsitzenden“ als Radikale verurteilt worden war. © YOAN VALAT/Pool/AFP
Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Weg zum Parteitag in Peking
So sehen KP-Funktionäre aus: Delegierte des 19. Parteitags auf dem Weg zur Großen Halle des Volkes in Peking im Oktober 2017. Auf diesem Parteitag gelang es dem Staats- und Parteichef, seine „Xi Jinping-Gedanken zum Sozialismus Chinesischer Prägung in der Neuen Ära“ in die Parteiverfassung aufzunehmen. Er war der erste nach Mao, der zu Lebzeiten in der Verfassung eine Theorie mit seinem Namen platzieren konnte. Einen Kronprinzen präsentierte Xi auf dem Parteitag nicht – entgegen den normalen Gepflogenheiten. © GREG BAKER/AFP
Xi Jinping nimmt in einer Staatslimousine „Rote Fahne“ die Parade zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China ab.
70 Jahre Volksrepublik China: Staatschef Xi Jinping nahm 2019 in einer offenen Staatslimousine Marke „Rote Fahne“ die Militärparade in Peking zum Jahrestag der Staatsgründung ab. © GREG BAKER/AFP
Wirtschaftsforum in Wladiwostok
Xi Jinping pflegt eine offene Freundschaft zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin – bis heute, trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Putin und Xi teilen die Abneigung gegen die von den USA dominierte Weltordnung. Hier stoßen sie 2018 bei einem gemeinsamen Essen auf dem Wirtschaftsforum von Wladiwostok, auf dem sich Russland als Handelspartner und Investitionsziel im asiatischen Raum präsentierte, miteinander an. © Sergei Bobylev/POOL TASS Host Photo Agency/dpa
Xi Jinping besucht im weißen Kittel ein Labor und lässt sich die Impfstoffentwicklung erklären
Ende 2019 brach in China die Corona-Pandemie aus. Im April 2020 informierte sich Xi Jinping in einem Labor in Peking über die Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung. Xi ist bis heute überzeugt, dass China die Pandemie besser im Griff hat als der Rest der Welt. Seine Null-Covid-Politik beendet er nicht, wohl auch wegen der viel zu niedrigen Impfquote unter alten Menschen. © Ding Haitao/Imago/Xinhua
Xi Jinpings Konterfei lächelt von einem Teller mit rotem Hintergrund
Auf dem 20. Parteitag im Oktober 2022 ließ sich Xi Jinping zum dritten Mal zum Generalsekretär der Kommunisten ernennen. Damit ist er der mächtigste Parteichef seit Mao Zedong. © Artur Widak/Imago

Chinas Staatschef Xi in Serbien und Ungarn: Besuch bei Freunden

Das dürfte beim Ukraine-Krieg kaum anders sein. Der blutige Konflikt mitten in Europa habe für Macron oberste Priorität beim Treffen mit Xi, hieß es im Vorfeld aus dem Élysée-Palast. Doch Xi dürfte kaum auf Wunsch Europas von Russland abrücken. So reagierte Xi 2023 bei Macrons Besuch nicht auf dessen Wunsch, „Russland zur Vernunft zu bringen“. Und erst im April holte sich Bundeskanzler Olaf Scholz eine Abfuhr bei dem Thema.

Trotzdem zeigte sich Macron in einem am Donnerstag publizierten Interview mit dem britischen Magazin Economist überzeugt, dass ein destabilisierendes Russland ebenso wenig in Pekings Interesse sei wie ein Flächenbrand im Mittleren Osten. Es muss daher mit China gearbeitet werden, um Frieden zu schaffen“, so Macron.

Xi in Osteuropa: Besuch bei Freunden

Die Besuche bei den osteuropäischen Freunden dürften für Xi harmonisch ablaufen. Chinas Beziehungen zu Ungarn und Serbien sind eng. Beide, das EU-Mitglied Ungarn und der EU-Kandidat Serbien, sind ein Pfand Pekings im Umgang mit Brüssel – und nützlich für die eigene Positionierung in der Welt. Peking biete den Entwicklungsländern das Modell einer nicht-westlichen Modernisierung an, da brauche es Freunde, die diese Vision unterstützen, sagt Una Aleksandra Bērziņa-Čerenkova, Direktorin des China Studies Centre an der Stradins-Universität im lettischen Riga.

„Daher werden Unterstützungsbekundungen, fotogene Kooperationsprojekte sowie Berichte einer privaten Freundschaft mit Viktor Orbán und Aleksandar Vučić allesamt Zeichen eines erfolgreichen Besuchs sein“, so Bērziņa-Čerenkova zu IPPEN.MEDIA. „Diese können innerhalb und außerhalb Chinas weiter vermarktet werden.“

Serbien und Ungarn unterstützen Chinas Seidenstraßen-Projekt

Serbien und Ungarn verimpften während der Corona-Pandemie im großen Stil die chinesischen Vakzine – ein Erfolg der damaligen chinesischen Impfdiplomatie. Belgrad und Budapest begründeten das damals mit schleppenden Lieferungen aus der EU. Beide Länder sind zudem Mitglieder des Infrastrukturprogramms Neue Seidenstraße und offen für chinesische Projekte. Am Mittwoch erst nahm Serbiens Präsident Vučić am Spatenstich des neuen Fußball-Nationalstadions in Belgrad teil, das von einem chinesischen Staatskonzern gebaut wird. China errichtete bereits Straßen und Bahnlinien im Land. In Ungarn zieht Chinas Batteriegigant CATL derzeit eine Fabrik für Elektroautobatterien hoch; auch E-Auto-Marktführer BYD wird dort eine Produktion aufbauen.

Auch in sicherheitspolitischen Fragen kooperieren die beiden Staaten mit China. Serbien soll 2022 Mittelstreckenraketen aus der Volksrepublik bezogen haben, auch wenn eine offizielle Bestätigung damals ausblieb. Im Kosovo-Konflikt vor einem Jahr stützte Peking die serbische Seite. In Ungarn wiederum unterschrieb Chinas Minister für öffentliche Sicherheit im Februar nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua Abkommen zu Sicherheitskooperation und Rechtsdurchsetzung.

Xis Besuch in Serbien wird – wohl nicht zufällig – mit dem 25. Jahrestag der Bombardierung der chinesischen Botschaft in der Hauptstadt Belgrad durch die Nato am 7. Mai 1999 zusammenfallen. Damals kamen drei chinesische Journalisten ums Leben. Das Timing des Besuchs wird ein Ereignis ins Rampenlicht rücken, das in China damals viele zum Protest gegen die USA auf die Straße trieb – und maßgeblich dazu beigetragen hat, Pekings bis heute bestehendes Misstrauen gegenüber der Nato zu schüren. Obwohl Allianz damals beteuerte, der Angriff sei ein Versehen gewesen, witterte Peking Absicht. Die Allianz dürfte daher den Termin in Belgrad genau beobachten.