Die Rolle Moskaus

Warum ein Krieg zwischen Israel und dem Iran Russland schaden könnte

  • Michael Kister
    VonMichael Kister
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Russland ist ein enger Verbündeter des Irans. Putin verurteilt den iranischen Angriff auf Israel nicht. Doch nützt ihm ein Nahost-Krieg – oder ist das Gegenteil der Fall?

Moskau – Als die israelische Botschafterin in Moskau gegenüber der staatlich-russischen Nachrichtenagentur RIA Russland dazu aufforderte, den iranischen Großangriff auf ihr Land zu verurteilen, folgte die Antwort prompt: „Erinnern Sie mich, wann verurteilte Israel zum letzten Mal einen von Kiews Angriffen auf russische Regionen?“ So äußerte sich Reuters zufolge Marija Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums.

Stattdessen stellte Sacharowas Ministerium eine Verbindung zum israelischen Militärschlag auf den iranischen Botschaftskomplex in Damaskus am 1. April her, den Russland durchaus verurteilt hatte und sprach im Hinblick auf den jüngsten Angriff von berechtigter Selbstverteidigung Irans. In einem Statement teilte es allerdings auch seine Besorgnis über die gefährliche Eskalation in der Region mit und rief alle Parteien zur Zurückhaltung auf.

Der iranische Oberste Führer Ali Chamenei empfängt am 19. Juli 2022 den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Teheran.

Russland verurteilt den iranischen Angriff auf Israel nicht – will es den Krieg?

Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew schrieb derweil zu den möglichen Konsequenzen des iranischen Militärschlags auf Telegram, dass Amerika „keinen großen Krieg im Nahen Osten“ wolle. „Die Tötungen in Gaza verschlechtern Bidens Chancen in den Wahlen, und Krieg zwischen Israel und Iran würde zusätzliche Unsicherheit bringen.“ Doch will auch Russland keinen großen Krieg im Nahen Osten?

Russland ist ein enger Verbündeter des Irans. Das zeigte sich unmittelbar nach der iranischen Attacke auf Israel darin, dass der russische Außenminister Sergei Lawrow am Sonntag mit seinem iranischen Amtskollegen Hossein Amir-Abdollahian telefonierte. Der Militär-Experte Carlo Masala sagte gegenüber der Bild-Zeitung: „Es ist möglich, dass der Kreml ein Interesse daran hat, dass der Konflikt im Nahen Osten unberechenbar bleibt. Das bindet amerikanische Kräfte und amerikanisches Geld, das wiederum bei der Verteidigung der Ukraine fehlt.“

Ähnlich sieht es Alexander Dubowy in der Berliner Zeitung. Er bezieht sich auf Nikita Smagin, einen russischen Iran-Experten, wenn er die „Feindschaft gegenüber den USA den wesentlichen Kooperationsanker zwischen Russland und dem Iran“ nennt.  Er hebt Russlands Absichten aber noch auf eine höhere Ebene: Da es sich in einem geopolitischen Kampf mit den Vereinigten Staaten wähne, so paraphrasiert Dubowy Smagin, sei ihm jede „zielführende Schwächung der politischen Interessen der USA im Nahen Osten“ recht.

Gäbe es einen Nahost-Krieg, bräuchte der Iran selbst seine Drohnen und Raketen

Das bedeutet allerdings nicht, dass Wladimir Putin an einem ausgewachsenen Krieg interessiert ist, der seinem eigenen Land womöglich mehr schadet, als nützt. Der Kremlherrscher bezieht zahlreiche Waffen aus dem Iran, insbesondere Shahed-Kamikaze-Drohnen und ballistische Raketen, die seine Streitkräfte über ukrainischen Städten niedergehen lassen. Da der Iran diese Geschosse im Falle eines Krieges gegen Israel größtenteils selbst benötigen würde, bliebe nur noch wenig für Russland.

Im Gegenzug könnte der Iran von seiner Allianz Waffenhilfe erwarten, die Russland derzeit nicht leisten kann – eben weil es im Ukraine-Krieg engagiert ist und das nicht unbedingt erfolgreich. Darüber hinaus würde ein Flächenbrand die Machtpositionen bedrohen, in die sich Russland im Nahen Osten in den vergangenen Jahren manövriert hat. Vor allem in Syrien konnte es im Fahrwasser seiner Unterstützung des Diktators Baschar al-Assad eine starke Militärpräsenz etablieren.

China könnte als Vermittler in die Lücke stoßen, die ein Israel-Iran-Krieg reißt

Nach dem israelischen Angriff auf den iranischen Botschaftskomplex in Damaskus verstärkte Putin sogar das Kontingent russischer Militärpolizisten im syrischen Teil der Golanhöhen. Der Rest der Höhen ist seit 1967 von israelischen Truppen besetzt. Nominell sollen sie Aufgaben der Friedenssicherung wahrnehmen, doch eins ist klar – Russland ist wegen seiner Bande zum Iran kein geeigneter Vermittler mehr.

Michelle Grisé vom RAND-Forschungsinstitut weist in The National Interest darauf hin, dass China in die Lücke drängen könnte, die eine eskalierende Situation im Nahen Osten öffnet. Weder Putin noch Biden sind mehr neutrale Vermittler, sodass Xi Jinping ihnen in dieser Hinsicht den Rang abzulaufen droht. Die von China vermittelte Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien gab einen Vorgeschmack auf eine mögliche neue Ordnung. (Michael Kister)

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