Skyline von Doha in Katar
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Die Skyline von Doha, Hauptstadt von Katar: Dem Land kommt eine spezielle Rolle beim Thema Nahost-Konflikt zu.

Zwischenstaatliche Beziehungen

Für Palästina, gegen Hamas: Das Dilemma der Golfstaaten im Israel-Krieg

  • Andreas Schmid
    VonAndreas Schmid
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Die Golfstaaten haben traditionell Sympathien für Palästina, die Hamas aber lehnen sie ab: ein Dilemma. Derweil wird ein Staat womöglich überraschend zum Vermittler.

Berlin – Israel und die Golfstaaten hatten lange kein gutes Verhältnis. Die muslimisch geprägte arabische Welt hatte den Staat über Jahrzehnte boykottiert. Doch das einstige Feindbild scheint mehr und mehr ad acta gelegt, in den letzten Jahren gab es deutliche Zeichen der Annäherung. Die Sympathien liegen bei vielen in der Region traditionellerweise aber auch bei den Palästinensern. In Zeiten des Kriegs in Israel ist das eine vertrackte Situation.

Israel und Palästina: „Diese beiden Extreme müssen die Golfstaaten ausbalancieren“

Die Golfstaaten – also Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) – befinden sich in einem Dilemma zwischen zeitgemäßer Realpolitik mit Israel und kulturellen Verbindungen zu Palästina. „Einige Golfstaaten lehnen Israel in vielen Bereichen ab, insbesondere aufgrund der Politik gegenüber den Palästinensern“, sagt Sebastian Sons, Historiker und Experte für arabische Golfstaaten, im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Aber man hat schon gemerkt, dass Israel eine Realität ist und man ohne Israel nicht kann.“ Dennoch gebe es eine starke emotionale Nähe zu Palästina.

„Diese beiden Extreme müssen die politischen Führungen am Golf ausbalancieren“, sagt Sons. Ein schwieriges Unterfangen. In den ersten Reaktionen auf den Hamas-Angriff äußerten sich einige Golfstaaten tendenziell pro-israelisch; die VAE etwa sprachen von „barbarischen und abscheulichen“ Hamas-Massakern. Nach der Gegenreaktion Israels gab es zum Teil rhetorische Kehrtwenden. Bahrain erklärte, seine „feste Unterstützung für die palästinensische Sache“, Saudi-Arabien und die VAE verurteilten israelische Gegenangriffe und mehrere arabische Außenminister forderten einen Waffenstillstand in Gaza, um die „Vertreibung der Palästinenser“ zu stoppen. „Aber sie sind keine Freunde der Hamas“, sagt Sons.

Zudem hätten die Golfstaaten, insbesondere Saudi-Arabien, Angst davor, dass sich der Konflikt ausweite und sich etwa die islamistische Hisbollah-Miliz aus dem Libanon oder die Huthi-Rebellen im Jemen noch stärker einmischten, sagt Sons. „Das sind reale Schreckensszenarien für die Golf-Monarchen.“

Der Krieg gefährde damit die Zukunftspläne der ambitionierten Golfstaaten. „Für die Golfstaaten geht es darum, dass dieser Konflikt in irgendeiner Art und Weise wieder gemanagt wird, so wie er die letzten Jahre vermeintlich gemanagt wurde.“ Das Ziel sei eine Deeskalation.

Armin Laschet: Hamas will „Annäherungen Israels mit seinen arabischen Nachbarn stören“

Vor dem Israel-Krieg sah vieles nach einer Normalisierung mit Israel aus. 2020 vermittelten die USA unter Donald Trump das sogenannte Abraham-Abkommen, mit dem Bahrain und die VAE Beziehungen zu Israel aufbauten. Der saudische Kronprinz Mohamed bin Salman sagte Ende September, Saudi-Arabien und Israel kämen einer Normalisierung „jeden Tag ein Stück näher“. Nicht einmal zwei Wochen später folgten die Gräueltaten der Hamas. Die Gespräche ruhen.

Der CDU-Politiker Armin Laschet sieht in dieser Annäherung indirekt gar einen Anlass für die neuerliche Eskalation im Nahost-Konflikt. „Der Angriff der Hamas hat das Ziel, die fortschreitenden Annäherungen Israels mit seinen arabischen Nachbarn zu stören“, sagte Laschet im Interview mit unserer Redaktion. „All dies geht gegen die Interessen des Iran, der Unterstützer der Hamas. Die Angriffe sind ein Zeichen der Hamas und des Irans, dass sie jeden Friedensversuch torpedieren werden.“

Das wird von der Hamas nicht einmal bestritten. Durch ihren Terrorangriff habe man die Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien verhindert, sagte Osama Hamdan, Mitglied im Hamas-Politbüro, zur Deutschen Presse-Agentur. Saudi-Arabien kündigte daraufhin an, die Annäherung an Israel sei „nicht vom Tisch“. Das Ziel sei weiterhin ein „normaler Naher Osten“. Normal ist in der Krisenregion aktuell jedoch gar nichts.

„Katar kann weiterhin als Vermittler auftreten“

Eine Sonderrolle am Golf nimmt Katar ein. Der Gastgeber der Fußball-WM 2022 pflegt enge Kommunikationskanäle zur Hamas. Das ist nicht unumstritten, verschafft Katar jedoch eine Vermittlerrolle. Zuletzt nahm das Emirat bei Verhandlungen um die Freilassung von Hamas-Geiseln eine Schlüsselrolle ein. „Katar kann weiterhin als Vermittler auftreten“, sagt Sons. Saudi-Arabien oder die VAE hätten wiederum die Möglichkeiten, mit Israel zu sprechen. Eine Lösung des Nahostkonflikts? „Noch sehe ich kein gemeinsames Vorgehen, aber das Potenzial ist da.“ (as)