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Geiseln „keine Priorität“ für Israel: Was der Angriff auf Hamas-Führer Hanija für die Verhandlungen bedeutet
VonLukas Rogalla
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Nach dem Tod von Hamas-Führer Hanija stehen die Friedensverhandlungen im Nahen Osten vor einer Zerreißprobe. Die Auswirkungen sind noch unklar.
Doha – Ismail Hanija, ein Anführer der Hamas, ist am Mittwoch (31. Juli) bei einem Angriff in Teheran getötet worden. Die Hamas sprach laut Al Jazeera von einem „verräterischen zionistischen Überfall“ Israels. Die militant-palästinensische Organisation und der Iran haben bereits Konsequenzen angekündigt. Israel hat sich nicht direkt geäußert.
Hanija lebte mit Teilen seiner Familie seit Jahren in dem Golfemirat Katar. Die Hamas unterhält in Doha auch ein politisches Büro. Im Gaza-Krieg nimmt Katar eine wichtige Vermittlerrolle zwischen Israel und der Hamas ein, neben Ägypten und den USA. Hanija war zwar nicht für den Militäreinsatz der Hamas im Gazastreifen zuständig, doch als Hamas-Führer im Exil war er einer der wichtigsten Gesprächspartner bei den Verhandlungen. Was bedeutet Hanijas Tötung in Teheran für die Gespräche?
Schleppende Verhandlungen zwischen Israel und Hamas im Gaza-Krieg
Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und den Austausch von Geiseln gegen Gefangene, zuletzt am Sonntag in Rom, verlaufen seit Monaten ohnehin sehr schleppend. Nun könnte Israel ein deutliches Zeichen gegen eine diplomatische Lösung gesetzt haben, sagen sowohl an den Gesprächen Beteiligte als auch Fachleute.
„Die Prioritäten scheinen nicht auf den Friedensverhandlungen zu liegen, denn sonst würde man nicht den Hauptverhandlungsführer der Hamas töten“, erklärte der Direktor des Deutschen Orient-Instituts, Andreas Reinicke, der auch deutscher Botschafter und EU-Sonderbeauftragter für den Friedensprozess im Nahen Osten war, im Fernsehsender Phoenix.
Auch für die israelischen Geiseln, die nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 verschleppt worden waren, sei dies kein gutes Zeichen. „Es scheint offensichtlich auch keine Priorität zu haben, durch Verhandlungen die noch geschätzt 120 israelischen Geiseln freizubekommen. Das ist jetzt sehr klar geworden durch diese Angriffe“, war Reinicke überzeugt.
Spielt Israel-Regierungschef Netanjahu im Nahost-Konflikt auf Zeit?
Die Washington Post berichtet von Spekulationen unter Vertretern der arabischen Länder, dass Israels Premier Benjamin Netanjahu auf Zeit spielt und auf einen Wahlsieg seines politischen Verbündeten Donald Trump in den USA im November setzt. Dieser würde sich eher für Israels Regierung starkmachen als ein Demokrat, so die Theorie. Deshalb sei Netanjahu derzeit nicht an einer politischen Lösung des Kriegs interessiert.
„Es war in Rom klar, dass wir uns im Kreis drehten“, sagte ein arabischer Offizieller laut der Washington Post am Rande des Treffens. „Alle waren frustriert – sogar David Barnea“, Mossad-Chef, der Berichten zufolge mit Netanjahus Verhandlungsstrategie nicht einverstanden ist. „Ich glaube, sogar die Vereinigten Staaten waren schockiert.“
Hamas-Führer Hanija getötet: Ägypten und Katar sehen Nahost-Verhandlungen gefährdet
Die katarische Regierung zeigte sich nach Bekanntwerden des Tods Hanijas entsetzt: „Politische Attentate und der fortgesetzte Beschuss von Zivilisten im Gazastreifen während der laufenden Gespräche lassen uns fragen, wie eine Vermittlung gelingen kann, wenn eine Seite den Verhandlungsführer der anderen Seite ermordet“, schrieb Katars Ministerpräsident Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani am Mittwoch auf der Online-Plattform X. „Der Frieden braucht ernsthafte Partner und eine globale Haltung gegen die Missachtung von Menschenleben“, so Al Thani weiter.
Das ägyptische Außenministerium erklärte, eine „gefährliche israelische Eskalationspolitik“ in den vergangenen Tagen habe die Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza untergraben. „Das Zusammentreffen dieser regionalen Eskalation mit dem Ausbleiben von Fortschritten bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen erhöht die Komplexität der Situation und zeigt den fehlenden politischen Willen Israels, die Lage zu beruhigen“, heißt es Al Jazeera zufolge aus Kairo. „Es untergräbt die Bemühungen Ägyptens und seiner Partner, den Krieg im Gazastreifen zu beenden und dem menschlichen Leid des palästinensischen Volkes ein Ende zu setzen.“
Geisel-Deal und Waffenruhe im Krieg in Israel und Gaza „in weite Ferne gerückt“
ARD-Korrespondent Clemens Verenkotte sagte in einem Radiointerview mit dem NDR, dass die vermittelnden Länder mit dem Tod Hanijas ihre Kontaktperson zur Hamas im Gazastreifen verloren haben. „Verhandlungen über eine Geisel-Freilassung, über eine Waffenruhe, dürften damit erstmal in weite Ferne gerückt sein“, sagte der Journalist.
Die USA äußerten sich noch zurückhaltend. Auf die Frage, welche Auswirkungen die Ereignisse in Beirut und Teheran auf die Verhandlungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg haben könnten, antwortete der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, es sei noch zu früh für eine Beurteilung. „Es bleibt kompliziert, und die Berichte aus der Region, die wir in den letzten 24 bis 48 Stunden gesehen haben, machen es nicht weniger kompliziert.“
Vor dem Gaza-Krieg: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern
Er wolle nicht zu optimistisch klingen, betonte Kirby. „Aber wir sind immer noch der Meinung, dass es sich lohnt, das vorliegende Abkommen weiterzuverfolgen.“ Nach US-Auffassung gebe es weiterhin „einen gangbaren Prozess“ und „interessierte Gesprächspartner“.
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat vor einer Gefährdung der Verhandlungen um eine Waffenruhe gewarnt. „Die Diplomatie läuft auf Hochtouren und unser gemeinsames Ziel ist es, dazu beizutragen, die Lage zu deeskalieren“, teilte das Auswärtige Amt mit. (lrg/dpa)