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USA zeigen militärische Präsenz: Die große Angst, dass der Iran in den Konflikt einsteigt
VonTadhg Nagel
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Die USA unterstützen Israel im Krieg gegen die Hamas. Ein direktes Eingreifen scheint, trotz anderer Absichten, nicht gänzlich ausgeschlossen.
Washington – Die USA waren schon lange vor dem Krieg in Israel diplomatisch, militärisch und ökonomisch eng mit dem Land verknüpft. Erst im Juni bekräftigte Joe Biden diese Beziehung, als er sagte, die Freundschaft beider Staaten sei „einfach unzerbrechlich“, trotz derzeitiger Spannungen. Man stehe „fest“ an der Seite Israels. Insbesondere Benjamin Netanjahus umstrittene Justizreform und die israelische Siedlungspolitik in den palästinensischen Gebieten hatten für anhaltende Kritik aus den USA gesorgt.
Schon damals war jedoch klar gewesen, dass Israel geopolitisch eine viel zu wichtige Rolle einnimmt, um ernsthaft Rechenschaft über seine innenpolitischen Zerwürfnisse ablegen zu müssen. John Bolton, ehemaliger US-Sicherheitsberater unter Donald Trump, hatte gegenüber dem Handelsblatt vor einer Einmischung der US-Regierung in innere Angelegenheiten des Staates gewarnt. Als strategischer Partner sei Israel für die USA „und für den gesamten Westen“ schlicht unverzichtbar.
Krieg in Israel ändert die Situation im Nahen Osten – uneingeschränkte Unterstützung der USA
Daran hat sich nichts geändert, auch wenn der brutale Überraschungsangriff der Hamas auf Israel im Nahen Osten drei Monate später keinen Stein auf dem anderen gelassen zu haben scheint. Nur wenige Wochen, nachdem Jake Sullivan, nationaler Sicherheitsberater der USA, sagte, die Region sei „heute so ruhig wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr“, gleicht sie wieder einem Pulverfass. Von der deutlichen Kritik Washingtons an Benjamin Netanjahu gibt es indes keine Spur mehr. Stattdessen sicherte Joe Biden uneingeschränkte Unterstützung „angesichts dieser terroristischen Angriffe“ zu. Israel habe „das Recht, sich und seine Bevölkerung zu verteidigen - Punkt“, so der US-Präsident.
Allerdings ist Israel bei dieser Selbstverteidigung mehr denn je auf Hilfe von außen angewiesen. Militär und Geheimdienst haben, wie Verantwortliche am Donnerstag (12. Oktober) erstmals eingestanden haben, in ihrer Aufgabe versagt, das Land und die Bürger zu schützen. Als Vergeltung für die Taten der Hamas sowie als Versuch einer Befreiung der israelischen Geiseln hat das Land nun eine Bodenoffensive angekündigt. Eine solche wird sich jedoch nach Ansicht von Experten - trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der israelischen Armee - nur unter hohen Verlusten durchführen lassen. Zudem besteht die Gefahr, dass es zu einem Zweifrontenkrieg kommt, wenn sich die Hisbollah aus Libanon oder andere militante Gruppen aus Syrien in den Konflikt einmischen.
USA senden Flugzeuge und Kriegsschiffe – als Warnung an die Hisbollah und den Iran
Auch der größte Unterstützer der Hisbollah, der Iran, reagierte prompt auf die israelische Ankündigung und drohte im Falle einer vollwertigen Bodenoffensive ein Eingreifen an. Als direkte Warnung an die Hisbollah, aber auch an den Iran, hat US-Präsident Joe Biden daher klargemacht, dass Handlungen dritter Parteien eine Reaktion der USA nach sich ziehen könnte. Bereits vor einer Woche hatte das Pentagon bekannt gegeben, einen Flugzeugträger und weitere Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer zu verlegen. Am Samstag kündigte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die Verlegung einer zweiten Flugzeugträgerkampfgruppe sowie eines Luftwaffengeschwaders in die Region an. Zudem versprach Austin den israelischen Streitkräften Ausrüstung und Munition.
Das amerikanische Militär unterhält ohnehin Munitions- und Waffenlager in Israel, welche den israelischen Streitkräften im Notfall kurzfristig zur Verfügung stehen sollen. Diese wurden jedoch teilweise geplündert, um der Ukraine im Krieg gegen Russland zur Seite zu stehen. Bisher war das nach Angaben von CNN kein Problem, da Israel bisher hauptsächlich präzisionsgelenkte Luftmunition und Iron-Dome-Abfangjäger angefordert hatte. Im Falle einer Bodenoffensive könne sich das aber ändern. Dann gebe es auch in Israel einen Bedarf an der Artilleriemunition, die bisher hauptsächlich an die Ukraine geliefert wurde. Damit wachse die Sorge, die immer knapper werdenden Munitionsvorräte zu strecken, um zwei verschiedenen Kriege zu unterstützen.
USA wollen keine Bodentruppen nach Israel entsenden - bisher nur nachrichtendienstliches Personal
Gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die USA sich direkt am Kriegsgeschehen beteiligen. Bereits jetzt stellen die Vereinigten Staaten eine kleine Sondereinsatztruppe, die Israel mit nachrichtendienstlichen Informationen versorgt. Diese unterstützt und berät die israelischen Verteidigungskräfte bei der Geiselbefreiung, greift jedoch nicht in den Konflikt ein. Nach Angaben des US-Präsidialamtes soll das weiterhin so bleiben. Man wolle in Israel keine Bodentruppen einsetzen, so der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, John Kirby. Die US-Regierung werde aber die Interessen der USA in der Region schützen.
Vor dem Gaza-Krieg: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern
Bisher versucht die US-Regierung das mit diplomatischen Mitteln. US-Außenminister Anthony Blinken reist durch die Länder des Nahen Ostens und versuche einen Flächenbrand zu verhindern. Im Zentrum seiner Bemühungen stehen dabei die humanitäre Hilfe und mögliche Wege, einer Ausweitung des Krieges Einhalt zu gebieten. Vor allem die vorsichtige Annäherung Israels und Saudi-Arabiens, die unter US-Vermittlung zustande kam, ist durch den Krieg stark gefährdet. Am Samstag hat Saudi-Arabien, das sich als Schutzmacht der Palästinenser versteht, die Gespräche eingestellt. Dies schreibt die dpa unter Berufung auf saudische Diplomatenkreise.
Beteiligung der USA am Krieg nicht ausgeschlossen – „schiere Anzahl der Variablen“ schlicht zu hoch
Trotz der diplomatischen Bemühungen ist eine direkte Beteiligung der USA an dem Krieg nicht ausgeschlossen. Nach Ansicht des ehemaligen CIA-Analysten Michael DiMino ist es sogar höher, als den meisten Menschen bewusst ist. In einem Interview mit dem Onlinemagazin Telepolis sagte DiMino, er glaube nicht, dass die US-Regierung in einen neuen Krieg im Nahen Osten verwickelt werden wolle. Das reiche jedoch manchmal nicht aus. Sobald Streitkräfte eines Landes in eine Region verlegt würden, bestünde die Gefahr, dass diese ins Kampfgeschehen verwickelt werden können. Man übersehe leicht „die schiere Anzahl der Variablen, die eintreten können“.
Nur weil die USA die Absicht hätten, einen Konflikt zu vermeiden, heiße das „noch lange nicht, dass Fehlkalkulationen, übersehene Signale und Geschehnisse vor Ort nicht eine Dynamik in Gang setzen können“. Die Israelis hätten erklärt, dass „die Eröffnung einer bedeutenden zusätzlichen Front ein Grund für ein Eingreifen der USA wäre“. Zudem bestehe die Möglichkeit, dass einzelne lokale Akteure die Prioritäten ihrer Führung nicht teilten. Selbst wenn die Führungsspitze der Hisbollah nicht eingreifen wolle, könne das Handeln einzelner Personen, die diese Prioritäten nicht teilen, eine Kettenreaktion auslösen. (tpn)