Sicherheitsgefühl angeknackst
Polizei fordert nach Solingen Sofortmaßnahme von Ampel: „Brauchen jetzt schon eine Milliarde Euro mehr“
VonPeter Siebenschließen
Der Bund will mehr Geld für Innere Sicherheit ausgeben – doch das reicht nicht, sagt Polizeigewerkschaftschef Kopelke. Über Sparpläne in NRW zeigt er sich überdies verwundert.
Berlin/Düsseldorf – Das allgemeine Sicherheitsgefühl ist angeknackst. Spätestens nach dem Anschlag von Solingen oder der geplanten mutmaßlichen Terrortat in München. In beiden Fällen hatten die Täter einen islamistischen Hintergrund. Experten warnen davor, dass der Islamische Staat (IS) Europa und Deutschland im Fokus hat – und dass immer mehr junge Männer vor allem in den sozialen Medien radikalisiert und zu potenziellen unberechenbaren Einzeltätern werden.
Anschlag von Solingen und geplante Terrortat in München: Mehr Geld für Innere Sicherheit
Sicherheitsbehörden klagen derweil seit Jahren über unzureichende Mittel und Befugnisse, wenn es um Ermittlungen gegen Terrorverdächtige geht. Das Thema Innere Sicherheit steht auch bei den aktuellen Haushaltsberatungen im Bundestag auf der Tagesordnung. Das Bundesinnenministerium hat zuletzt deutlich gemacht, dass 2025 eine Milliarde Euro mehr für die Innere Sicherheit vorgesehen ist. Doch das allein reiche nicht, sagt Jochen Kopelke, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.
„Eine Milliarde mehr für Sicherheit ab 2025 ist ein guter Schritt der Ampel. Wir erwarten aber auch im Nachtragshaushalt 2024 weiteres Geld zur Finanzierung der Inneren Sicherheit, um die aktuellen hohen Haushaltsprobleme der Bundespolizei, des BKA und des Verfassungsschutzes zu lösen“, so Kopelke, der sich ein deutliches Signal der Regierung wünscht: „Wir brauchen jetzt schon die Milliarde mehr, nicht erst ab 2025.“
Gewerkschaft der Polizei will Sondervermögen für Sicherheit
Vor wenigen Tagen erst hatte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert im Interview mit dieser Redaktion deutlich gemacht, dass die Finanzierung der inneren Sicherheit bei Haushaltsdebatten nicht zur Disposition stehen dürfe und im Zweifel nachgebessert werden müsse. Auch aus der SPD kam Anfang des Jahres die Forderung nach einem Sondervermögen für Innere Sicherheit – vergleichbar mit dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Verteidigung. Wie genau ein solches Paket aussehen und wie groß es sein könnte, darüber gibt es bislang keine konkreten Aussagen. Sicherheitsexperten halten aber einen zweistelligen Milliardenbetrag für sinnvoll.
Auch GdP-Chef Jochen Kopelke fordert mit Nachdruck ein Sondervermögen: „Die Fraktionsklausuren im Bund zeigen, dass dort eine solche Sonderinvestition Thema ist und Grüne und SPD dies umsetzen wollen. Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei führt bei Betrachtung der subjektiven und objektiven Sicherheit in der gesamten Bundesrepublik kein Weg an einer gemeinsamen Finanzierung der Inneren Sicherheit vorbei.“ Digitalisierungsprojekte und die Modernisierung von Fahrzeugen, Dienststellen und Ausrüstung müssten „umgehend und kraftvoll angeschoben“ werden.
Die Opposition im Bundestag sieht es ähnlich. So sagte der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag gegenüber IPPEN.MEDIA: „Der Gesetzentwurf zum Haushalt 2025 sieht für die innere Sicherheit zunächst einmal vielversprechend aus, ist aber auf den zweiten Blick vor allem Augenwischerei.“ Ein Großteil der Mittelsteigerungen gehe gerade bei der Polizei für laufende Kosten drauf. „Echt Verbesserungen werden damit schwer möglich sein“, so Throm.
„Wir brauchen eine richtige Sicherheitswende“, so der CDU-Politiker weiter. „Das heißt vor allem, mehr Kompetenzen für unsere Behörden. Durch Erleichterungen beim Datenschutz und technische Möglichkeiten wie IP-Adressen-Speicherung und automatisierte Gesichtserkennung wären wir einen großen Schritt weiter.“ Das scheitere bislang weiterhin an FDP und Grünen, so Throm, der auch den Kanzler in die Pflicht nahm: „Bundeskanzler Scholz darf sich nicht weiter wegducken. Es ist Zeit zum Handeln.“
Ausgerechnet in NRW soll nach Solingen bei Prävention gespart werden
Derweil steht der Haushalt in NRW – also in dem Bundesland, in dem ein mutmaßlicher islamistischer Terrorist drei Menschen beim Anschlag von Solingen getötet hat – vor einer Sparrunde. Ausgerechnet bei Integrationsmaßnahmen und Präventionsprojekten wie „Kurve Kriegen“, das Jugendliche vor Intensivtäterkarrieren bewahren soll, wird wohl gespart. So soll es für die soziale Beratung von Geflüchteten im Jahr 2025 etwa 13 Millionen Euro geben – in diesem Jahr sind es noch 35 Millionen. Auch bei Rückkehrprojekten wird es deutliche Abstriche geben. Kaum verständlich, findet Jochen Kopelke: „Mich verwundert, dass NRW an Prävention sparen will. Innere Sicherheit muss Schwerpunkt aller Landeshaushalte sein, denn die Angst der Bevölkerung löst man mit mehr Polizei und eben auch mit mehr Prävention.“
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