Experten-Einschätzung

Aiwangers Freie Wähler bald im Bundestag? „Chance gar nicht so gering“ – aber nicht über den herkömmlichen Weg

  • Andreas Schmid
    VonAndreas Schmid
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Sitzt nach der Bundestagswahl eine neue Partei im Bundestag? Die Freien Wähler haben reelle Chancen, sagt ein Experte. Das allerdings nicht über den klassischen Weg.

Hubert Aiwanger will nach Berlin. Seine Freien Wähler sind aber nur in Bayern wirklich konkurrenzfähig, stehen in Umfragen zur Bundestagswahl bundesweit bei unter zwei Prozent. Deshalb fährt der Parteichef eine Direktstimmenstrategie. Mindestens drei Politiker der Freien Wähler sollen einen Wahlkreis gewinnen. Dann wäre die Aiwanger-Partei auch im Bundestag, wenn sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollte.

Freie Wähler im Bundestag: „Chance gar nicht so gering“

„Die Freien Wähler wissen, dass sie nicht über fünf Prozent kommen“, sagt der Politikwissenschaftler Martin Gross von der LMU München. „Aber sie könnten drei Direktmandate gewinnen, mit Hubert Aiwanger und prominenten Landräten, die jeder im Wahlkreis kennt”, so Gross im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich sehe die Chance da gar nicht so gering.“

Die Direktkandidaten der Freien Wähler seien vor Ort populär, sagt Gross. Ihre Chancen dürfte zudem erhöhen, dass die Konkurrenz in den jeweiligen Orten mitunter überschaubar ist, wie unser Blick auf die für die Freien Wähler entscheidenden Wahlkreise zeigt.

Die Direktkandidaten der Freien Wähler für die Bundestagswahl am 23. Februar 2025, rund um Parteichef Hubert Aiwanger.

Aiwanger wechselt für Bundestagswahl den Wahlkreis: Gute Chancen in Freie-Wähler-Hochburg

  • Hubert Aiwanger, Wahlkreis Rottal-Inn

Hubert Aiwanger selbst dürfte die besten Karten auf ein Direktmandat haben. Er ist bestens bekannt im Freistaat. Nicht nur, weil er Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in Bierzeltbesuchen und Wählertreffen in nichts nachsteht. Seit 2008 sitzt er im bayerischen Landtag, seit 2018 ist er Vize-Regierungschef. Bei der vergangenen Bayern-Wahl holte er in Landshut sein erstes Direktmandat – wird bei der Bundestagswahl aber in Rottal-Inn antreten. Der Wahlkreis in Niederbayern ist eine Freie-Wähler-Hochburg. Rottal-Inn zählte zu den vier Wahlkreisen, die die Freien Wähler bei der Bayern-Wahl 2023 im Gesamtergebnis gewinnen konnten. Bei den Zweitstimmen holte die Partei damals sogar mehr als 40 Prozent.

Bei Bundestagswahlen war das Ergebnis zwar ordentlich, gegen die CSU blieb man dennoch stets chancenlos. Das lag auch daran, dass mit Max Straubinger ein erfahrener und populärer CSU-Direktkandidat in Rottal-Inn kandidiert hatte. Nun tritt Straubinger nach mehr als 30 Jahren im Bundestag nicht mehr an. Aiwangers Gegenkandidat ist Günter Baumgartner, Bürgermeister der 2000-Einwohner-Gemeinde Bayerbach.

Hubert Aiwanger auf der Landesversammlung der Freien Wähler.

Aiwanger hat in Rottal-Inn durchaus Chancen – und obendrein schon große Pläne im Falle eines Einzugs in den Bundestag. Bereits vor Monaten träumte er im Gespräch mit dem Münchner Merkur von einer „bürgerlichen Koalition, um aus den ewigen Linkskoalitionen rauszukommen.“ Sein Wunsch: „Eine Koalition aus Union, Freie Wähler und FDP anstreben statt Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün.“

Einst schickte er Merkel syrische Asylbewerber – jetzt will er in den Bundestag

  • Peter Dreier, Wahlkreis Landshut

Wer im Raum Landshut lebt und sich politisch interessiert, kam an einem Namen in den letzten Jahren nicht vorbei: Peter Dreier. Als Bürgermeister machte er sich zwölf Jahre lang in einer kleinen Gemeinde im Kreis Landshut einen Namen, dann wählten ihn die Landshuter 2014 zu ihrem Landrat.

Gut zwei Jahre später erreichte Dreier bundespolitische Aufmerksamkeit. Der Landrat schickte einen Bus mit syrischen Asylbewerbern von Niederbayern in Richtung Kanzleramt. Damit wollte er nach eigenen Angaben „ein Zeichen setzen, dass es so wie bisher in der Flüchtlingspolitik nicht weitergehen kann und darf“. Viele überregionale Medien berichteten, Dreier geriet in den Fokus. Wenig später war die PR-Aktion wieder Geschichte – und die Asylbewerber zurück in Landshut.

Landrat schickt Migranten mit Bus zu Merkel

Landrat von Landshut schickt Migranten mit Bus zu Merkel nach Berlin
Wegen der angespannten Flüchtlingssituation schickte der Landshuter Landrat Peter Dreier am Donnerstag einen Bus mit rund 50 Flüchtlingen zum Kanzleramt nach Berlin. © dpa
Landrat von Landshut schickt Migranten mit Bus zu Merkel nach Berlin
Wegen der angespannten Flüchtlingssituation schickte der Landshuter Landrat Peter Dreier am Donnerstag einen Bus mit rund 50 Flüchtlingen zum Kanzleramt nach Berlin. © dpa
Landrat von Landshut schickt Migranten mit Bus zu Merkel nach Berlin
Wegen der angespannten Flüchtlingssituation schickte der Landshuter Landrat Peter Dreier am Donnerstag einen Bus mit rund 50 Flüchtlingen zum Kanzleramt nach Berlin. © dpa
Landrat von Landshut schickt Migranten mit Bus zu Merkel nach Berlin
Wegen der angespannten Flüchtlingssituation schickte der Landshuter Landrat Peter Dreier am Donnerstag einen Bus mit rund 50 Flüchtlingen zum Kanzleramt nach Berlin. © dpa
Landrat von Landshut schickt Migranten mit Bus zu Merkel nach Berlin
Wegen der angespannten Flüchtlingssituation schickte der Landshuter Landrat Peter Dreier am Donnerstag einen Bus mit rund 50 Flüchtlingen zum Kanzleramt nach Berlin. © dpa
Landrat von Landshut schickt Migranten mit Bus zu Merkel nach Berlin
Wegen der angespannten Flüchtlingssituation schickte der Landshuter Landrat Peter Dreier am Donnerstag einen Bus mit rund 50 Flüchtlingen zum Kanzleramt nach Berlin. © dpa
Landrat von Landshut schickt Migranten mit Bus zu Merkel nach Berlin
Am Donnerstagabend erreichte der Bus das Kanzleramt. © dpa
Landrat von Landshut schickt Migranten mit Bus zu Merkel nach Berlin
Am Donnerstagabend erreichte der Bus das Kanzleramt. © dpa
Landrat von Landshut schickt Migranten mit Bus zu Merkel nach Berlin
Am Donnerstagabend erreichte der Bus das Kanzleramt. © dpa
Landrat von Landshut schickt Migranten mit Bus zu Merkel nach Berlin
Am Donnerstagabend erreichte der Bus das Kanzleramt. © dpa
Landrat von Landshut schickt Migranten mit Bus zu Merkel nach Berlin
Am Donnerstagabend erreichte der Bus das Kanzleramt. © dpa

Jetzt sagt Dreier: „Wir müssen wieder an g’sunden Menschenverstand nach Berlin bringen.“ Er und die Freien Wähler würden das verkörpern. Zumindest tragen sie diese Botschaft in ihren Wahlkampfreden regelmäßig nach außen. Und von diesen Reden hat Dreier, der Aiwanger im Auftreten durchaus ähnlich ist, zuletzt viele geschwungen. Als Landrat ist Dreier im Wahlkreis omnipräsent, von Bierzelten bis Feuerwehrjubiläen nimmt er jede Veranstaltung mit.

Sein Gegner ist der CSU-Kandidat Florian Oßner. Er sitzt zwar schon seit 2013 im Bundestag und ist damit alles andere als ein politischer Neuling; im Wahlkreis Landshut kann Oßner durch seine Arbeit im Bundestag aber deutlich seltener vor Ort sein als Dreier. Ein Vorteil für den Freien-Wähler-Kandidaten?

Landrätin nach Bundestagswahl für Freie Wähler in Berlin?

  • Indra Baier-Müller, Wahlkreis Oberallgäu.

Mit Indra Baier-Müller schicken die Freien Wähler eine weitere Landrätin ins Rennen. Sie leitet seit 2020 die Geschicke im Oberallgäu und ist insgesamt weniger populär als ihr Parteifreund Dreier. Ihr Wahlsieg war eher überraschend. Ihr CSU-Kontrahent Alfons Hörmann, damals immerhin Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, führte im ersten Wahlgang. Doch Baier-Müller konnte für die Stichwahl mobilisieren und wurde damit die erste Frau an der Spitze des Landratsamts.

Politisch aktiv war sie zuvor nicht, Baier-Müller arbeitete unter anderem als Geschäftsführerin der Diakonie Allgäu. Ihr Einzug in den Bundestag wäre eine große Überraschung. Auch, weil die CSU den Wahlkreis bei vergangenen Wahlen doch recht komfortabel für sich entschied. Für die Christsozialen tritt die Bundestagsabgeordnete Mechthilde Wittmann an.

Spannender Bundestagswahlkreis in Augsburg: Auch die Freien Wähler mischen mit

  • Michael Wörle, Wahlkreis Augsburg

Michael Wörle ist seit zehn Jahren Bürgermeister im schwäbischen Gersthofen. Die Freien Wähler hatten ihn zusammen mit der SPD ins Amt gehievt, eigentlich ist Wörle ein parteiloser Kommunalpolitiker. Nun gehört er zu Aiwangers Vierer-Team fürs Direktmandat und kandidiert in der Stadt Augsburg.

Gersthofen liegt eigentlich im Wahlkreis Augsburg-Land. Dort gilt ein CSU-Sieg allerdings als sicher. Kandidat Hansjörg Durz holte im Wahlkreis schonmal 60 Prozent, zuletzt waren es gut 40 Prozent. In der Stadt stehen die Chancen für die Freien Wähler daher besser.

In Augsburg bewerben sich auch die aktuellen Bundestagsabgeordneten Volker Ullrich (CSU), Claudia Roth (Grüne) und Ulrike Bahr (SPD) fürs Direktmandat. Eine große Konkurrenz. Das bedeutet aber auch, dass sich die Kandidaten untereinander Stimmen wegnehmen werden, etwa SPD und Grüne. Somit reichen vermutlich schon 25 Prozent für den Gewinn des Wahlkreises.

Ein mögliches Problem für Wörle: der Augsburger Lokalpatriotismus. Wählen die Augsburger wirklich einen Kandidaten der Nachbarstadt zu ihrem Wahlkreisrepräsentanten?

Eine ähnliche Strategie wie die Freien Wähler fährt übrigens die Linke. Sie hatte schon bei der Bundestagswahl 2021 von der Grundmandatsklausel profitiert. Sie landete damals bundesweit bei nur 4,8 Prozent, entschied aber drei Wahlkreise für sich. Bei der Neuwahl im Februar will sie das erneut schaffen und setzt dabei auf die drei Parteipromis Dietmar Bartsch, Gregor Gysi und Bodo Ramelow. Die Freien Wähler schicken vor allem vier regional bekannte Gesichter ins Rennen.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Eibner-Pressefoto/Heike Feiner