Geostrategisch wichtige Inseln
Urlaubsparadies Malediven: Wo die Großmächte China und Indien um ihren Einfluss ringen
VonChristiane Kühlschließen
Die Trauminseln der Malediven liegen strategisch günstig im indischen Ozean. Indien und China ringen auf dem Inselstaat um Einfluss, um ihre regionale Vormacht zu zementieren. Nun steht es Vorteil für Peking.
Sein wichtigster Wahlkampfslogan lautete „Indien raus!“ Nun hat Mohamed Muizzu die Stichwahl um das Präsidentenamt der Malediven gewonnen und wird im November sein Amt antreten. Mit 54 Prozent der Stimmen schickte der bisherige Bürgermeister der Hauptstadt Malé den Indien-freundlichen Amtsinhaber Ibrahim Solih in die Opposition. Und damit auch gleich ein ganzes Land: Indien. Traditionell gehörten die Malediven stets zum Einflussgebiet Neu-Delhis. Insofern ist die Wahl des 45-jährigen Muizzu auch ein Punktsieg für Peking im Fernduell um die Vormacht im indischen Ozean.
Denn die Malediven sind nicht nur ein Sehnsuchtsort sonnenhungriger Urlauber. Sondern sie liegen auch strategisch günstig mitten im Indischen Ozean: 300 Seemeilen südwestlich der Spitze des indischen Subkontinents, nahe internationaler Seehandelsrouten. So fahren Chinas Öllieferungen aus der Golfregion an der Inselgruppe vorbei. Die Volksrepublik ringt daher seit einiger Zeit mit Indien um Einfluss auf dem Inselparadies. Die Malediven befinden sich zwar weitaus dichter an Indien als an China, das Tausende Kilometer weiter östlich liegt. Doch China projiziert schon länger seine Seemacht weit hinein in den indischen Ozean. So waren chinesische Schiffe an der internationalen Operation gegen Piraten vor dem Horn von Afrika beteiligt. Und China besitzt im Zwergstaat Djibouti am Roten Meer seine einzige Überseebasis für die Marine.
Winziger Inselstaat mit großer geostrategischer Bedeutung
Immer wieder werden kleine, aber strategisch wichtige Länder zum Schauplatz des Wettbewerbs zwischen größeren Mächten, die um eine regionale Vorherrschaft ringen. Nur gut 500.000 Menschen vornehmlich muslimischen Glaubens leben auf den Malediven. Die gesamte Landfläche des Archipels aus 1.200 Inseln und Atollen beträgt nicht einmal 300 Quadratkilometer – von denen wegen des Klimawandels und des damit verbundenen Anstiegs des Meeresspiegels bis 2050 voraussichtlich 80 Prozent nicht mehr bewohnbar sein werden.
Schon im Südpazifik aber hat China gezeigt, dass es kleine Inselstaaten durchaus für strategisch wichtig genug hält, um mit ihnen Bündnisse zu schmieden. So schloss Peking etwa ein Sicherheitsabkommen mit den Salomonen – das Alarmglocken in Australien und den USA schrillen ließ. Seither sind auch die USA wieder aktiv im Pazifik und bemühen sich dort um Allianzen.
Die Malediven: Schaukelpolitik zwischen China und Indien
Dieser Wettbewerb der Großmächte ist vor etwa zehn Jahren zur Bruchlinie in der Innenpolitik der Malediven geworden. Die Malediven erlangten erst 1965 ihre Unabhängigkeit von Großbritannien und lagen vier Jahrzehnte lang in der direkten Einflusssphäre des nahen Indiens. Seit 2008 sind die Malediven eine Demokratie. Der Bruch mit Indien kam 2103. Damals wurde Abdulla Yameen Präsident – und der wandte sich auf einmal China zu.
Unter Yameen trat der Inselstaat Chinas Infrastrukturprogramm „Neue Seidenstraße“ bei und schloss ein Handelsabkommen mit Peking. Yameen bemühte sich um chinesische Kredite für Tourismus und Infrastrukturprojekte. China baute damals unter anderem eine neue Landebahn am internationalen Flughafen und riesige Wohnanlagen auf künstlich aufgeschüttetem Land. Es wuchs die Kritik, Yameen treibe das Land in eine chinesische Schuldenfalle. Auch agierte er zunehmend autokratisch.
Und so kam bei den Wahlen von 2018 mit Solih erneut ein Indien-freundlicher Politiker an die Macht. „Es ist ein riesiger Schaden durch Projekte entstanden, die nur aus politischen Gründen und mit Verlusten umgesetzt wurden“, wetterte er bei seiner Amtseinführung. Er fuhr eine „Indien zuerst“-Politik und stieg aus Yameens Handelsabkommen mit Peking wieder aus. Im Gegenzug bewilligte Indien 1,4 Milliarden US-Dollar, um die Malediven bei der Rückzahlung von Darlehen an China zu unterstützen. Zudem gab Indien Mittel für kommunale Entwicklungsprojekte, ein neues Krebskrankenhaus, einen neuen Hafen und eine weitere Modernisierung des Flughafens. Indien durfte dafür kleine militärische Regimenter auf den Malediven stationieren. 2022 wurde China-Freund Yameen wegen Korruption zu elf Jahren Haft verurteilt.
China auf den Malediven wieder erwünscht
Diese indischen Soldaten will Muizzu nun des Landes verweisen, das hat er im Wahlkampf versprochen. Der Regierung hatte er vorgeworfen, mit der Stationierung der indischen Soldaten die nationale Sicherheit zu gefährden und Neu-Delhi zuviel Einfluss zu gewähren. Das fiel unter anderem bei islamistischen Gruppen auf fruchtbaren Boden; die Stimmung kippte wieder gegen Indien. Schon im vergangenen Jahr hatte Muizzu einer Delegation von Offiziellen der Kommunistischen Partei Chinas zugesagt, die Rückkehr seiner Partei ins Präsidentenamt würde „ein weiteres Kapitel der starken Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern schreiben“. China dürfte das Ergebnis also freuen. Zumindest für fünf Jahre ist Peking wieder die Großmacht Nummer Eins auf den Malediven. Den Urlaubern aus aller Welt dürfte es dagegen eher egal sein, wer in Malé regiert: Sie kommen wegen der tropischen Traumstrände.
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