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Luft im Fall Graichen wird immer dünner: Was wusste Habeck – und vor allem wann?
VonAndreas Apetz
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck soll trotz des Wissens über die Fördergeld-Ungereimtheiten seinen Energiesekretär Graichen unterstützt haben.
Berlin – Der in die Kritik geratene Energiestaatssekretär Patrick Graichen hat nach langem Hin und Her am Mittwoch (17. Mai) seinen Posten geräumt. Das Billigen von 600.000 Euro fragwürdiger Fördergelder für ein Projekt der eigenen Schwester seien der „eine Fehler zu viel“ (Zitat Habeck) gewesen. Dem voran ging die Auswahl eines neuen Geschäftsführers für die bundeseigene Deutsche Energie-Agentur, an der Graichen beteiligt war, bei der die Wahl am Ende auf seinen Trauzeugen Michael Schäfer fiel.
Mit dem Geschehen rückt auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) immer mehr in unvorteilhaftes Rampenlicht. Neben den Vorwürfen der Vetternwirtschaft steht nun auch der Verdacht im Raum, Habeck habe Graichen trotz Wissen über Ungereimtheiten bei der Verteilung von Fördergeldern unterstützt.
Fall Graichen: Wann wusste Habeck vom Fördergeld-Sachverhalt?
Am 30. November 2022 billigte Graichen mehrere „Projektskizzen“ und stufte diese als „förderwürdig“ ein. Eines der Projekte stammte vom Berliner Landesverband der Öko-Organisation BUND. Mit 600.000 Euro wurde das Vorhaben subventioniert. Im Vorstand der Organisation sitzt die Schwester des Energiestaatssekretärs, Verena Graichen. Eine Gegebenheit, die schließlich das Fass zum Überlaufen brachte und Graichen in seiner Position als Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nicht mehr haltbar machten.
Auch für Habeck wird die Luft dünner. Der Grüne-Spitzenpolitiker steht in der Kritik, seinen Freund und Kollegen wissentlich gedeckt zu haben. Informationen der Bild-Zeitung zufolge, soll Habeck womöglich bereits am 9. Mai von den Ungereimtheiten der Fördergelder rund um seinen Staatssekretär gewusst haben, nur um diesen einen Tag später vor laufenden Kameras zu verteidigen: Er sei nicht bereit, für die Opposition einen „Mensch zu opfern“, kündigte der Bundeswirtschaftsminister damals an. Die Kampagne rund um Graichen sei „böswillig“.
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Laut Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums wusste Habeck über Fördergelder Bescheid
Laut einer Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber der Bild habe Habeck im Rahmen einer internen Prüfung erstmals am 9. Mai 2023 vom Sachverhalt zum BUND Landesverband Berlin erfahren. „An diesem Tag lag eine erste rechtliche Einschätzung im [Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz] vor, die zu dem Ergebnis kam, dass keine rechtlichen Fehler vorliegen, aber weiter geprüft werden sollte.“ Am 10. Mai trat der Bundesminister für Wirtschaft vor den Bundestag und stärkte Graichen den Rücken. Dabei erwähnte Habeck weder den BUND-Vorfall selbst, noch dessen Prüfung.
Stattdessen bezeichnete der Minister die Sachlage nach ersten Einschätzungen als „entlastend“. Zudem hatte Habeck betont, dass es sich bei der Graichens Verhalten um persönliche Fehler gehandelt habe, nicht aber um einen Fehler in der Anwendung der Compliance-Regeln – eine Aussage, welche die interne Prüfung eine Woche später widerlegte.
„Seit Dienstagabend, 16. Mai 2023, liegt das Ergebnis der vollständigen rechtlichen Prüfung und der Compliance-Prüfung des Sachverhaltes vor. Dies kommt zu dem Ergebnis, dass ein Compliance-Verstoß vorliegt. In der Folge erfolgt die am 17. Mai 2023 öffentliche von Bundesminister Habeck bekanntgegebene Entscheidung, Staatssekretär Patrick Graichen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen“, heißt es weiter in der Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums.
Graichen-Affaire: Union fordert Transparenz im Wirtschaftsministerium
Der Prozess hinterlässt zahlreiche offene Fragen: Wann wusste Habeck genau, was Graichen getan hatte? Warum stärkte der Wirtschaftsminister Graichen noch den Rücken, obwohl er schon ahnen konnte, dass etwas faul sein könnte? Warum war die Sachlage laut Habeck „entlastend“, wenn eine Woche später Graichens Entlassung folgte? Aus der Opposition hagelt es nun Forderungen.
Nach der angekündigten Entlassung von Energie-Staatssekretär Patrick Graichen verlangt die Union im Bundestag Transparenz vom Wirtschaftsministerium. „Wir wollen vom Wirtschaftsministerium den Aufbau des hausinternen Compliance-Management-Systems, die Compliance-Grundsätze sowie sämtliche damit verbundenen Richtlinien sehen“, sagte Julia Klöckner (CDU), wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, der Welt.
Außerdem wolle man Nachweise, wann und in welchen Abständen insbesondere Graichen und die Leitungsebene des Ministeriums an verpflichtenden Schulungen zu solchen internen Verhaltens- und Verfahrensregeln teilgenommen hätten, so Klöckner. Zudem forderte die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin eine Mitteilung über die angeblich geplanten Nachschärfungen“. Je nach Kooperationsbereitschaft von Wirtschaftsminister Habeck werde man „dies gegebenenfalls auch von den anderen Häusern einfordern“. (aa/dpa)