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Frankreich-Wahl: Das Wichtigste zum französischen Linksbündnis

Bei der Parlamentswahl in Frankreich hat das Linksbündnis die relative Mehrheit erlangt. Unter den Koalitions-Parteien herrscht aber Uneinigkeit.

Paris – Aus dem zweiten und entscheidenden Wahlgang der Parlamentswahlen am Sonntag ist in Frankreich überraschend ein Linksbündnis als Siegerin hervorgegangen. Hochrechnungen zufolge liegt der neu gegründete „Nouveau Front Populaire“ (NFP) vor der zentristischen Koalition von Präsident Emmanuel Macron und der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen.

Der Wahlsieg des neuen Bündnisses war für viele ein Schock, nachdem die französische Linke jahrzehntelang durch ihre tiefe Spaltung gekennzeichnet war. Doch das starke Abschneiden von Le Pens einwanderungsfeindlicher Bewegung in der ersten Runde hat die verschiedenen linken Kräfte des Landes dazu bewogen, sich zusammenzuschließen. Hier die wichtigsten Informationen.

Eine Fahne in den Farben der neuen Volksfront (Nouveau Front Populaire) mit der Aufschrift „7. Juli, lasst uns wählen“ an der Mariannen-Statue auf dem Place de la Republique.

Das Linksbündnis in Frankreich hat aus Not zusammengefunden

Der NFP war ein aus der Not geborenes Bündnis, das in letzter Minute zwei gemäßigte linke Parteien – die „Parti Socialiste“ (PS) der Mitte und die grüne Partei – und zwei linksradikale Bewegungen – Jean-Luc Mélenchons „La France Insoumise“ (LFI) und die Kommunistische Partei – zusammenbrachte.

Das Bündnis will das Renteneintrittsalter senken, das Macron im vergangenen Jahr angehoben hat, und die Staatsausgaben für Soziales, Umweltschutz und Gesundheitsfürsorge deutlich erhöhen.

Macron rief im vergangenen Monat vorgezogene Neuwahlen aus, nachdem seine Koalition bei den Wahlen zum Europaparlament vom RN geschlagen worden war. Er setzte darauf, dass die Möglichkeit einer rechtsradikalen Regierung die französischen Wähler:innen dazu bewegen würde, sein Mandat zu bestätigen.

Nach dem ersten Wahlgang: Linksbündnis, RN und Macrons Koalition treten in Stichwahlen an

Während er offenbar richtig eingeschätzt hat, wie die Öffentlichkeit am Sonntag auf die Bedrohung durch die Möglichkeit einer ersten rechtsextremen Regierung des Landes seit dem Zweiten Weltkrieg reagieren würde, hat er anscheinend die Anziehungskraft der Linken unterschätzt. In der ersten Runde kam der NFP mit 28 Prozent der Stimmen auf den zweiten Platz, hinter dem RN mit 33 Prozent. Macrons zentristisches Bündnis kam nur auf 21 Prozent.

Die französischen Wahlen werden auf Bezirksebene entschieden. Während der RN und der NFP jeweils mehr als 30 Kandidat:innen hatten, die mehr als 50 Prozent der Stimmen erhielten und direkt ins Parlament gewählt wurden, kam es in anderen Bezirken zu einer Stichwahl zwischen zwei oder drei Spitzenkandidat:innen.

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Mélenchon will eine Regierungsaufforderung von Frankreichs Präsident

In den Bezirken, in denen Le Pens Kandidat:innen einen knappen Sieg errangen, vereinten das Linksbündnis und Macrons zentristische Koalition ihre Kräfte und ermutigten die schwächeren Kandidat:innen, von der Wahl zurückzutreten. Laut der französischen Zeitung Le Monde verzichteten vor allem Kandidat:innen der Linken, darunter Mélenchons LFI, auf die Teilnahme am zweiten Wahlgang.

Der NFP hat sich zwar durchgesetzt, ist aber weit davon entfernt, eine parlamentarische Mehrheit zu erreichen. Wenn die gemäßigten Mitglieder des Bündnisses nicht in der Lage sind, eine Regierung mit Macrons zentristischen Verbündeten zu bilden, könnte Frankreich wenige Wochen vor der Ausrichtung der Olympischen Spiele auf einen politischen Stillstand zusteuern.

Nach den ersten Hochrechnungen am Sonntag forderte Mélenchon, die bekannteste Figur des Bündnisses, Macron auf, den Block zur Regierungsbildung einzuladen.

Schon vor der Frankreich-Wahl: Mélenchon ist im Linksbündnis umstritten

„Der Präsident muss sich beugen und diese Niederlage eingestehen, ohne zu versuchen, sie zu umgehen“, sagte Mélenchon. „Keine Ausrede, kein Arrangement und keine Kombination wäre akzeptabel“, um seine Koalition von der Macht fernzuhalten, fügte er hinzu.

Aber selbst einige innerhalb der Linkskoalition halten Mélenchon für zu radikal. Es bleibt abzuwarten, ob die Mitglieder des Bündnisses, das mit der ausdrücklichen Absicht gegründet wurde, Le Pen zu besiegen, weiterhin ihre Differenzen überspielen und eine einheitliche Front präsentieren können.

Schon vor der Wahl, am Donnerstag, hat François Ruffin, eine der charismatischsten Persönlichkeiten der Linken, mit Mélenchon gebrochen, ihn als „Hindernis“ bezeichnet und erklärt, er werde sich im Falle seiner Wiederwahl nicht mehr mit der radikalen Linken in der Nationalversammlung verbünden.

Marine Le Pen hat Frankreich-Wahl 2027 im Blick – trotz Ausschluss

Frankreich: Rassemblement National von Marine Le Pen.
In Frankreich ist der Rassemblement National unter Marine Le Pen (im Bild) in den vergangenen Jahren zu einer führenden Kraft aufgestiegen. So feierte der RN bei der Europawahl 2024 einen klaren Erfolg.  © François Lo Presti/afp
Europawahl - Frankreich
Das starke Ergebnis der rechtsnationalen Partei veranlasste den amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron anschließend dazu, das Parlament aufzulösen.  © Ludovic Marin/dpa
Jean-Marie Le Pen
Die Geschichte des Rassemblement National begann Anfang der Siebziger. Am 5. Oktober 1972 gründeten Jean-Marie Le Pen (hier eine Aufnahme von 2022) und Pierre Bousquet die rechtsextreme Splittergruppe Front National.  © Joel Saget/afp
1. Mai in Paris
Der 1928 geborene Le Pen (hier ein Bild von 2017) tat sich früh als Demagoge hervor, der mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt wurde und den Holocaust als ein „Detail der Geschichte“ abtat. Bousquet (1919 bis 1991) war ein ehemaliger Kollaborateur, der als Rottenführer in der Waffen-SS gedient hatte. Fremdenfeindliche Parolen waren über viele Jahre Markenzeichen der Partei. © Thibault Camus/dpa
Jean-Marie Le Pen
In den 1980er Jahren wurde der FN bei zwei Parlamentswahlen hintereinander mit mindestens einem Abgeordneten in die Nationalversammlung gewählt. Der Durchbruch gelang im Jahr 2002, als Jean-Marie Le Pen als Zweitplatzierter aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hervorging.  © Joel Saget/afp
Le Pen
Es kam zur Stichwahl, die der amtierende Präsident Jacques Chirac deutlich gewann. Fünf Jahre später verlor Le Pen viele Stimmen und schied im ersten Wahlgang aus.  © Joel Saget/AFP
Marine Le Pen
Einen großen Einschnitt gab es im Januar 2011. Der FN ging nach einem Führungswechsel andere Wege. Die neue Parteivorsitzende trug allerdings einen bekannten Namen: Marine Le Pen. Die studierte Juristin kam 1968 nahe Paris als jüngste Tochter Jean-Marie Le Pens zur Welt.  © Bernard Patrick/Imago
Marine Le Pen/dpa
Mit acht Jahren wurde sie von einer Bombenexplosion aus dem Schlaf gerissen – es handelte sich um einen Anschlag auf ihren Vater. Die Mutter dreier Kinder arbeitete als Anwältin und führte zunächst die Rechtsabteilung der Front National. Ihre zwei Ehen gingen auseinander. © Pascal Pavani
Jean-Marie Le Pen
Marine Le Pen bemüht sich seither, der einst radikal rechten Partei einen moderateren Anstrich zu verpassen. Das ging mit einer Entmachtung ihres Vaters einher.  © Kenzo Tribouillard/afp
Le Pen
Im April und Mai 2015 eskalierten die schon länger bestehenden Spannungen zwischen der Parteivorsitzenden und ihrem Vater. Am 20. August 2015 wurde Jean-Marie Le Pen wegen „schwerer Verfehlungen“ aus der Partei ausgeschlossen.  © Kenzo Tribouillard/AFP
Le Pen Bannon
Anderseits suchte Le Pen im Jahr 2018 die Nähe des früheren Trump-Beraters Steve Bannon. Damals firmierte die rechtsextreme Partei noch unter dem Namen Front National. Später verpasste Le Pen ihr aber einen neuen Namen: Seither ist die Partei als Rasseblement National bekannt. © Philippe Huguen/AFP
Marine Le Pen
Seither ist es Marine Le Pen gelungen, aus der Schmuddelecke zu kommen und sich als staatstragende Politikerin zu inszenieren. Ihre Strategie ist als „Dédiabolisation“ (Entteufelung) bekannt.  © Francois Nascimbeni/AFP
Marine Le Pen
Le Pen verbannte das alte rassistische Vokabular und gibt mittlerweile eher bedachte Worte von sich. Le Pens Kurs hat , in den vergangenen Jahren bis in die bürgerliche Mitte hinein wählbar gemacht.  © Thomas Samson/afp
Marine Le Pen
Die dreimalige Präsidentschaftskandidatin drängte zwar offenen Rassismus zurück, vertritt aber weiter radikale Positionen gegen Einwanderung. Ihre Vorstellungen für Frankreich bleiben auch heute noch deutlich rechts und nationalistisch.  © Ali Al-Daher/AFP
Olga Givernet
Zudem zeigen Studienergebnisse, dass im RN der Antisemitismus noch immer weit verbreitet ist. Die Renaissance-Parlamentarierin Olga Givernet (im Bild) reagierte entsprechend: „Der RN hat ein sauberes Schaufenster, aber die Küche dahinter ist immer noch schmutzig wie eh.“ © Niviere David/Imago
Marine Le Pen mit André Ventura und Tino Chrupalla
In ihrem Bemühen um Salonfähigkeit hat sich Marine Le Pen auch von der deutschen AfD abgegrenzt. Die gilt selbst für RN-Leute als zu extremistisch. Im November 2023 war das noch anders: Beim Treffen rechter Gruppen in Lissabon stand sie noch in einer Reihe neben dem portugiesischen Chega-Politiker André Ventura (Mitte) und AfD-Co-Chef Tino Chrupalla. © Paulo Spranger/Imago
Le Pen zu Besuch bei Putin
Zum Ukraine-Krieg vertreten RN und AfD hingegen nach wie vor sehr ähnliche Positionen. So lehnt Marine Le Pen jegliche Wirtschaftssanktionen gegen das Russland von Präsident Wladmir Putin ab. © Mikhail Klimentyev/dpa
Gabriel Attal
Waffenlieferungen für die Ukraine bedeuten für Le Pen das „Risiko eines dritten Weltkriegs“. Premierminister Gabriel Attal (im Bild) konterte in einer Ukraine-Debatte im Februar 2024: „Wenn Sie 2022 gewählt worden wären, würden wir heute Waffen nach Russland liefern, um die Ukrainer zu zermalmen.“  © Ludovic Marin/afp
Marine Le Pen und Wladimir Putin
Tatsächlich stand in Le Pens Präsidentschaftsprogramm von 2022 der folgende Satz: „Ohne Furcht vor amerikanischen Sanktionen wird eine Allianz mit Russland in gewissen Themen angestrebt.“ Trotzdem wollte sich der RN im Wahlkampf ein wenig von Putin absetzen. Die Partei ließ damals 1,2 Millionen Wahlkampfplakate vernichten, die ein Bild von Marine Le Pen beim Händeschütteln mit Putin zeigten. © Emmanuel Dunand/afp
Marine Le Pen
Zu Russland hat sie dennoch ein wesentlich besseres Verhältnis als zu Deutschland. Die deutsch-französische Partnerschaft will sie rasch beenden. Zwischen Berlin und Paris bestehe eine „tiefe und unheilbare Differenz der Doktrinen“, heißt es in Le Pens Programm. Das Nato-Kommando würde sie nach einem Wahlsieg 2027 verlassen. An dessen Stelle wünscht sich Le Pen für Europa ein russisch-französisches Kommando. © Lou Benoist/afp
Emmanuel Macron
Ohnehin richtet sich der Blick in Frankreich schon längst auf die Präsidentschaftswahl 2027. Nach zwei Amtszeiten kann Emmanuel Macron, der Le Pen zweimal in der Stichwahl besiegte, nicht mehr antreten.  © Sebastien Dupuy/AFP
Marine Le Pen
Wer eine Chance gegen Le Pen hätte, ist unklar. Doch im März 2025 kam dann die vorläufige Wende: Wegen der Veruntreuung von EU-Geld schloss ein Gericht Le Pen verurteilt. Der umstrittenste Teil der Strafe ist, dass sie fünf Jahre lang nicht bei Wahlen antreten darf.  © Guillaume Souvant/afp
Protestkundgebung des Rassemblement National
Diese Strafe war sofort in Kraft getreten – anders als eine teils auf Bewährung ausgesetzte Haftstrafe und obwohl Le Pen gegen das Urteil Berufung einlegte. Das Berufungsgericht hat eine Entscheidung im Sommer 2026 ins Auge gefasst.  © Julien De Rosa/dpa
Marine Le Pen
Le Pen wandte sich dann an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Doch das Straßburger Gericht wies ihren Antrag, den gegen sie verhängten vorläufigen Ausschluss von Wahlen auszusetzen, einstimmig ab, da Le Pen keinerlei nicht wiedergutzumachende Beeinträchtigung drohe, die durch die Menschenrechtskonvention geschützt sei. © Lionel Bonaventure/AFP
Le Pen sieht Bardella als möglichen Präsidentschaftskandidat
Inzwischen hat Le Pen ihren politischen Ziehsohn Jordan Bardella aufgefordert, sich auf eine Kandidatur vorzubereiten – für den Fall, dass sie selbst nicht antreten kann. Noch ist aber offen, wen der RN bei der Präsidentschaftswahl 2027 ins Rennen schicken wird. Die Frage, wer in den ehrwürdigen Élysée-Palast einziehen wird, bleibt damit völlig offen.  © Michel Euler/dpa

Macrons negative Rhetorik über das Linksbündnis hat Wähler bestärkt

Macron hat gesagt, die extreme Linke sei genauso gefährlich wie die extreme Rechte, insbesondere die LFI, und hat letzten Monat behauptet, dass dem Bündnis Parteien angehören, die Antisemitismus propagieren. Einige Wähler:innen sagten der Washington Post im Vorfeld der Stichwahl, dass es Macrons alarmistische Rhetorik über die Linke war, die sie dazu veranlasst hat, den NFP zu unterstützen.

Um ihr Bündnis zu bilden, mussten sich die linken Parteien auf eine:n Kandidat:in pro Wahlkreis einigen. Zur Enttäuschung der gemäßigten Linken, zu der auch die sozialdemokratische PS gehört, die lange Zeit die französische Politik geprägt hat, erhielt die Partei von Mélenchon einen besonders hohen Anteil an Kandidat:innen.

Rick Noack und Annabelle Timsit haben zu diesem Bericht beigetragen.

Zur Autorin

Anika Arora Seth ist Praktikantin in der internationalen Redaktion von The Washington Post. Zuvor berichtete sie aus Delhi für das Daten- und Wirtschaftsteam der Hindustan Times und war Chefredakteurin der Yale Daily News, ihrer College-Zeitung.

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Dieser Artikel war zuerst am 8. Juli 2024 in englischer Sprache bei der „Washingtonpost.com“ erschienen – im Zuge einer Kooperation steht er nun in Übersetzung auch den Lesern der IPPEN.MEDIA-Portale zur Verfügung.

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