Warnung vor Links und Rechts
„Macron oder Chaos“: Wie Frankreichs Präsident die Neuwahlen gewinnen will
- VonSören Kemnadeschließen
Frankreichs Präsident Macron teilt bei einer Rede aus. Alles links und rechts seiner Partei sei extrem. Ob ihm die Ansprache nützt, bleibt abzuwarten.
Paris – Emmanuel Macron gibt sich kämpferisch. Und das, obwohl er die meiste Zeit nur noch in der Kritik steht und in der eigenen Partei als Werbegesicht unerwünscht ist. „Die Masken sind gefallen, und der Wertekampf ist offen ausgebrochen“, sagte Macron auf einer Pressekonferenz in Paris. Er sinnierte dabei auch über die hektischen politischen Umstrukturierungen, die durch seine Entscheidung, Neuwahlen auszurufen, in Gang gesetzt wurden. Es war Macrons erster Auftritt nach seiner Entscheidung, die Nationalversammlung aufzulösen.
Der Tenor seiner Rede war finster: Der französische Präsident beschrieb die bevorstehenden Wahlen zum Parlament, als ein Gerangel zwischen seinem gemäßigten Lager und zwei „unnatürlichen Allianzen“, die sich am „äußersten Linken“ und am „äußersten Rechten“ herausgebildet hätten. Die zwei Runden der französischen Parlamentswahl finden am 30. Juni und dann am 7. Juli statt.
„Heute ist die Sache ganz einfach: Wir haben an beiden Extremen unnatürliche Allianzen, die sich über nichts einig sind, außer über die zu teilenden Aufgaben“, sagte Macron in seiner Rede. Die gemäßigten Wähler forderte er auf, sich zusammenzuschließen und seine Regierungskoalition zu unterstützen.
Macron attackiert in seiner Rede jeden, der links und rechts von ihm steht
Zu Beginn seiner Rede schoss er scharf gegen Eric Ciotti, Vorsitzender der konservativen Partei Les Républicains. Dieser sorgte für Empörung, als er sich für eine Unterstützung von Marine Le Pens „Rassemblement National“ am vergangenen Dienstag aussprach. Ciotti habe einen „Pakt mit dem Teufel“ geschlossen, sagte Macron. Er warf den Konservativen vor, „dem Erbe von General de Gaulle, Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy den Rücken zu kehren“.
Auch gegen die Linken schoss Macron scharf. Diese haben sich für die anstehende Wahl zu einer neuen „Volksfront“ zusammengeschlossen. Jaen-Luc Mélenchons Partei „La France insoumise“ warf er Antisemitismus vor. Ihre Einstellung zum Krieg zwischen Israel und Hamas sei nicht hinzunehmen. Das Bündnis sei „nicht nur barock, es ist unanständig“, wetterte er und spielte damit auf Léon Blum an. Dieser „müsste sich im Grab umdrehen“. Blum war eine Ikone der Linken, die in den 1930er Jahren die antifaschistische Volksfront anführte.
Um seine Standpunkte klarzumachen, verwendete Macron in seiner Rede gezielt die Begriffe „extrême gauche“ (zu Deutsch: extrem links) und „extrême droite“ (zu Deutsch: extrem rechts). Der Conseil d‘État lehnte laut france24 die Einstufung des linken Bündnisses aber als „extrem links“ ab. Weniger gilt das aber für Marine Le Pens „Rassemblement National“: Die Partei gilt in Frankreich als gesichert rechtsextrem. Der Conseil d‘État ist die höchste Verwaltungsbehörde in Frankreich.
Marine Le Pens Rechtsextreme formieren sich – Macron sucht Verbündete im Volk
Macrons überraschender Schritt, das Unterhaus aufzulösen, erfolgte kurz nach der Europawahl, bei denen Le Pens Rassemblement National mit über 30 Prozent der Stimmen siegte – mehr als doppelt so viel wie die 14,6 Prozent, die Macrons Bündnis noch aufbringen konnte.
Während die extreme Rechte in Frankreich einen historischen Höchststand erreicht, sagen Umfragen voraus, dass die Rassemblement National die meisten Sitze in der Nationalversammlung erringen wird, vielleicht sogar die absolute Mehrheit. Das könnte zur ersten rechtsextremen Regierung Frankreichs seit dem Zweiten Weltkrieg führen.
Auf der Pressekonferenz am Mittwoch wies Macron Vorwürfe zurück, sein Handeln würde nur den Rechten helfen. Er rief „Männer und Frauen guten Willens dazu auf, geschlossen ein gemeinsames Projekt“ für das Land aufzubauen. Dieser Appell hatte für Macron bereits zwei Mal funktioniert. Das erste Mal bei den Wahlen 2017 und dann 2022. Viele der Wähler stellten sich aber eher widerwillig hinter Macron, denn in Frankreich kommt es immer zu einer Stichwahl der Kandidaten, die im ersten Wahlgang die meisten und zweitmeisten Stimmen eingefahren haben. 2022 hatten die französischen Wähler dann die Optionen Macron und Le Pen. Für viele wohl eine Entscheidung für das geringere Übel.
„Das Ziel besteht darin, eine Wiederholung der Präsidentschafts-Stichwahlen in jedem der 577 französischen Wahlkreise herbeizuführen“, sagte Pierre-Nicolas Baudot. Er ist politischer Analyst an der Universität von Clermont-Ferrand. „Das Präsidentenlager wird diese Wahlen als eine Entscheidung zwischen Macron und dem Chaos darstellen“, sagte er weiter.
„Aber das ist eine sehr riskante Strategie, denn die extreme Rechte hat sich in den Augen vieler Wähler ‚normalisiert‘.“ Außerdem wies Baudot darauf hin, dass Macrons Regierung dazu beigetragen habe, Le Pens einwanderungsfeindliche Partei zu normalisieren. Denn sie selbst drückten mit Unterstützung des Rassemblement National ein umstrittenes Einwanderungsgesetz durch.
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