Fachkräftemangel und die Folgen
Krankenhäuser überlastet: Patienten sollen mehr zum Hausarzt statt zur Notaufnahme
VonMoritz Maierschließen
Der Fachkräftemangel trifft auch das Gesundheitswesen. Experten aber sagen, im Vergleich zum Ausland habe Deutschland viel Personal. Das Problem liegt woanders.
Berlin – Knapp drei Millionen Menschen arbeiten in Deutschland im sozialen Sektor. Im internationalen Vergleich liegt der Anteil von Fachkräften in Pflege und Medizin im Verhältnis zur Bevölkerung weit oben. Trotzdem klagen die meisten Krankenhäuser und Pflegebetriebe über fehlende Arbeitskräfte. Das Problem liege aber in ineffizienten Strukturen, heißt es nun in einem Gutachten des Sachverständigenrats für Gesundheit und Pflege. Die Expertinnen und Experten wollen künftig weniger Menschen in Notaufnahmen sehen.
Personalmangel in Pflege und Krankenhäusern – Experten: künftig weniger Patienten in der Notaufnahme
Dass der deutsche Pflege- und Gesundheitssektor Reformen braucht, darin sind sich alle Beteiligten einig. Wie diese aussehen können, stellte am Donnerstag (25. April) der Sachverständigenrat für Gesundheit und Pflege (SVR) in Berlin vor. Im Gutachten „Fachkräfte im Gesundheitswesen – Nachhaltiger Einsatz einer knappen Ressource“, stellten die von der Bundesregierung einberufenen Expertinnen und Experten vor, wie der sich zuspitzende Personalmangel bekämpft werden kann. Und dass sich dafür die Versorgung ändern muss.
„Wir erleben einen erheblichen Personalmangel in der Branche, das ist schlecht für Patienten und Angestellte – und die Situation wird sich verschärften“, sagte Melanie Messer, Pflegewissenschaftlerin an der Uni Trier und stellvertretende Vorsitzende im SVR auf der Präsentation des Gutachtens, in dem der Bundesregierung weitreichende Reformen vorgeschlagen werden.
Immer mehr Patienten – aber es gibt kein Personal in Krankenhäusern
„Wir glauben, dass der ineffiziente Einsatz von Ressourcen im deutschen Gesundheitssystem gestoppt werden muss“, sagte auch der SVR-Vorsitzende, Michael Hallek. Das Grundproblem sei, dass die Zahl der Patienten in Krankenhäusern immer größer wird, gleichzeitig aber nicht mehr Personal zu bekommen ist. Ein Teil der Lösung: Menschen gar nicht erst ins Krankenhaus kommen lassen.
Deshalb fordert der Sachverständigenrat eine „Reform der Notfallversorgung“. Konkret strebt das Expertengremium an, jährlich 32 Millionen Belegungstage in Krankenhäusern zu reduzieren. Das entspricht etwa einem Viertel der Gesamtzahl in Deutschland. Dadurch würde sich die Personalnot entspannen. Gelingen soll das, indem zum einen die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung verbessert wird, um unnötige Notaufnahmen in Krankenhäusern zu verhindern. Heißt: Mehr Aufklärung über gesunde Lebensweise und Krankheitsprävention. Außerdem sollen Pflegeberufe deutlich attraktiver werden, indem bessere Fortbildungs- und Karrieremöglichkeiten in Aussicht gestellt werden.
Pflege, Gesundheitspersonal und Patienten sollen besser geschult werden
Mit den zusätzlichen Kompetenzen von Pflegefachkräften soll auch deren Verantwortung steigen, ähnlich wie es in vielen anderen Ländern bereits der Fall ist. Wenn die Pflege, die Durchführung von Heilmaßnahmen und das Verschreiben mancher Medikamente gebündelt übernommen wird, werden an anderen Stellen Kapazitäten frei, so die Idee. Auch Hausärzte sollen weitere Aufgaben in der Regelversorgung übernehmen, um Belegungszahlen in Krankenhäusern zu reduzieren. Langfristig sollen also die Menschen selbst, die Hausärztinnen und Ärzte, aber auch Leitstellen, die im Krankheitsfall angerufen werden, so gebildet und aufgestellt sein, dass künftig mehr Behandlung dezentralisiert stattfinden kann und Krankenhäuser entlastet werden.
Letztlich sprechen sich die Expertinnen und Experten des Sachverständigenrats für deutlich bessere Arbeitsbedingungen im Pflege- und Gesundheitsbereich aus. „Wenn der Arbeitsplatz attraktiv gestaltet wird, sodass die Angestellten die Arbeit auch schaffen können und sie als leistbar empfunden wird, dann macht die Arbeit den Menschen in der Pflege auch Spaß“, sagte der Vorsitzende Hallek. Ob die Bundesregierung die Empfehlungen des SVR umsetzen wird, bleibt offen. Der Expertenrat arbeitet nur beratend. Teilweise schneidet die geplante Krankenhaus-Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Probleme an, die auch vom SVR angesprochen wurden.
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