Faeser mit Scholz
+
Bundesinnenministerin Nany Faeser im Gespräch mit Kanzler Olaf Scholz (beide SPD).

„Werden unserer Verantwortung gerecht“

EU-Asylreform: Bundesregierung gibt Widerstand auf –Faeser stimmt strittigem Teil zu

  • Bedrettin Bölükbasi
    VonBedrettin Bölükbasi
    schließen

Die Ampel hat lange Fortschritte bei der geplanten EU-Asylreform verhindert. Nach Druck aus Brüssel will sie umstrittene Regeln nun doch akzeptieren.

Berlin/Brüssel – Es war ein wochenlanges Ringen, doch nun kommt endlich der Durchbruch: Trotz anhaltender Bedenken will Deutschland der umstrittenen Krisenverordnung als Teil der geplanten EU-Asylreform zustimmen. „Obwohl wir noch weiteren Änderungsbedarf hätten und auch darüber hinaus, werden wir heute unserer Verantwortung gerecht“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag (28. September) in Brüssel beim EU-Innenministertreffen.

EU-Innenminister einigen sich auf EU-Asylreform: Nancy Faeser gibt bei Gipfel in Brüssel grünes Licht

Deswegen werde man dem Kompromiss zustimmen, erklärte die Ministerin und ergänzte, es handle sich um einen „hervorragend ausgehandelten Kompromiss“. Die Krisenverordnung ist ein zentrales Element der geplanten EU-Asylreform, mit der unter anderem unerwünschte Migration begrenzt werden soll. So soll etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Über strengere Asyl-Regeln dürfte auch CDU-Chef Friedrich Merz glücklich sein: Er hatte im Gespräch mit Merkur.de eine Senkung der Asyl-Zahlen gefordert.

Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt. In Brüssel hatte die Bundesregierung ihre Ablehnung des Vorschlags für die Verordnung bislang damit erklärt, dass dieses Regelwerk EU-Staaten ermöglichen könnte, Schutzstandards für Migranten inakzeptabel zu senken. In Deutschland äußerten Außenministerin Annalena Baerbock und andere Politiker der Grünen zuletzt zudem überraschend die Befürchtung, dass die Krisenregeln „Anreize für eine Weiterleitung großer Zahlen unregistrierter Flüchtlinge nach Deutschland“ setzen könnte. Im Rat der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel wurde vermutet, dass diese Argumentation mit den bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern in Verbindung stehen könnte, weil diese Linie in den EU-Verhandlungen bis dato keine Rolle spielte.

Asylreform der EU: Um was geht es?

  • Was soll passieren? Kern der Reformvorschläge sind Maßnahmen, die zu einem deutlichen Rückgang des Zustroms von Menschen ohne Anrecht auf Schutz führen sollen. Wer aus einem Staat einreist, der als relativ sicher gilt, könnte künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in eine streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtung kommen. Dort würde dann im Idealfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat - wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden. Zudem soll die Überwachung und Abschiebung abgelehnter Asylsuchender erleichtert werden, zum Beispiel, in dem mehr Daten über sie gesammelt und zentral gespeichert werden.
  • Um wie viele Menschen geht es? Die Zahl der Asylanträge in der EU stieg nach einem Rückgang während der Corona-Pandemie zuletzt wieder deutlich an. Im vergangenen Jahr wurden in den 27 Mitgliedstaaten nach offiziellen Zahlen 881.200 Erstanträge gestellt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutete dies ein Plus von 64 Prozent. Stattgegeben wird im EU-Schnitt nicht einmal jedem zweiten Antrag.
  • Was soll künftig mit Schutzsuchenden passieren, denen beim Grenzübertritt Chancen auf Asyl eingeräumt werden? Sie würden nach den derzeitigen Plänen wie bisher ein normales Verfahren durchlaufen, also in der Regel in den Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen. Wenn Länder mit einem sehr großen Zustrom an Menschen konfrontiert sind, sollen sie allerdings über einen Solidaritätsmechanismus Unterstützung von anderen Mitgliedstaaten beantragen können. Eine bestimmte Anzahl an Schutzsuchenden würde dann über einen Verteilungsschlüssel in andere Länder kommen. Staaten, die sich daran nicht beteiligen wollen, müssten für jeden nicht aufgenommenen Menschen eine Kompensationszahlungen leisten.
  • Was ist mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine? Menschen aus der Ukraine genießen in der EU wegen einer Sonderregelung vorübergehenden Schutz, ohne dass sie Asyl beantragen müssen. Für sie haben die Diskussionen derzeit deswegen keine unmittelbare Bedeutung.

Asylkompromiss der EU: Scholz hatte bereits Aufhebung der Blockade in Aussicht gestellt

Den Plänen für die Asylreform zufolge müssten die Mitgliedstaaten auch bei einem starken Anstieg der Migration alle ankommenden Menschen registrieren. Eine mögliche Verlängerung von Fristen dafür wäre zudem nur nach vorheriger Zustimmung des Rates der Mitgliedstaaten möglich. Das Gleiche gilt auch für die Aufweichung von Schutzstandards. Es blieben demnach auch in einer Krisensituation noch etliche Kontrollmöglichkeiten, um Missbrauch zu verhindern. Am Mittwoch hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach Angaben aus Regierungskreisen im Kabinett den Kurs ausgegeben, dass die Krisenverordnung nicht länger blockiert werden dürfe. Sobald der Streit über die Krisenverordnung beigelegt ist, können voraussichtlich auch die für die Reform wichtige Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament fortgesetzt werden.

Denn das Parlament hatte zuletzt angekündigt, Teile der Gespräche zu blockieren, bis sich die EU-Staaten bei dem Thema Krisenverordnung positioniert haben. Dabei drängt die Zeit angesichts der baldigen Europawahl im Juni 2024. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern. Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders großer Rückschlag. An dem Projekt wird bereits seit Jahren gearbeitet. Vor allem rechte Parteien wie die AfD werfen der EU seit langem Versagen im Kampf gegen illegale Migration vor. (bb/dpa)

Mehr zum Thema