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Entsetzen über „Vertreibungs“-Konferenz mit AfD-Beteiligung: OB ruft Verfassungsschutz an
VonKilian Beck
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Vom Potsdamer Bürgermeister bis zum Bundeskanzler, die Politik ist empört, über die Deportationsfantasien, bei einem Treffen von Rechtsextremen.
Potsdam – Nach den Enthüllungen des Portals Correctiv zum konspirativen Treffen von Rechtsextremen ist das Entsetzen groß. Das Medienhaus hatte offen gelegt, wie hochrangige Mitglieder der AfD, Unternehmer, Mitglieder der Werteunion und andere die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland nach Nordafrika geplant haben.
„Treffen, Gespräche, Konferenzen mit dem Ziel ‚ethnischer Säuberungen‘ gab es schon einmal – nicht weit entfernt“, sagte Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) in einer Pressemitteilung der Stadt. Er nahm dabei Bezug auf die sogenannte „Wannsee-Konferenz“. 1942 hatten die Nazis die industrielle Vernichtung der europäischen Juden geplant.
Potsdamer OB wendet sich an Verfassungsschutz – Deportationsfantasien gehörten „strafrechtlich verfolgt“
Auf der von Correctiv aufgedeckten Konferenz stellte der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung, seine Pläne zur „Remigration“ also Vertreibung aller Menschen aus Deutschland vor, die er nicht als Deutsche betrachtet. Darunter auch Millionen deutscher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit Migrationshintergrund.
Solche Pläne müssten „aufgedeckt, geächtet“ und wenn sie sich bestätigten, „strafrechtlich verfolgt“ werden, sagte Schubert. In Potsdam dürfe es keinen Raum „konspirative Netzwerktreffen, in denen antidemokratische, rassistische Ideen ausgebrütet werden“, sagte der Bürgermeister. Sollten die Vorwürfe zutreffen, so Schubert, habe man es „mit Staatsfeinden zu tun“. Deshalb habe er mit dem Verfassungsschutz gesprochen, und um einen nicht-öffentlichen Informationsbesuch im Hauptausschuss des Stadtrats gebeten.
Blick auf ein Gästehaus in Potsdam, in dem AfD-Politiker nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November an einem Treffen teilgenommen haben sollen. Daran soll auch der bekannteste Vertreter der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner, teilgenommen haben
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf X, vormals Twitter: „Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist.“ Dass die Deutschen aus der Geschichte des Nationalsozialismus gelernt hätten, sei „kein bloßes Lippenbekenntnis“. Wer sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wende, sei ein Fall für Verfassungsschutz und Justiz, so Scholz weiter. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte gegenüber dem Stern vor „Verfassungsfeinden“, die sich mit AfD-Vertretern vernetzten und „menschenverachtende Ideologien“ propagierten.
Politikwissenschaftler: Identitäre Bewegung ist in der AfD aufgegangen
Laut dem Potsdamer Politikwissenschaftler Gideon Botsch ist das keine neue Entwicklung: Seit spätestens 2019 spiele die Identitäre Bewegung in Deutschland als eigenständige Gruppe keine Rolle mehr. Sie sei in der AfD insbesondere in der noch radikaleren Jugendorganisation Junge Alternative aufgegangen, sagte er dem RBB. „Wenn wir gucken, was identitäre Aktivisten heute tun und wo das identitäre Gedankengut sich heute findet, dann müssen wir in die Flure der Parlamente gucken, in die Flure der AfD-Fraktion“, sagte Botsch. Dort säßen die Anhänger dieser Bewegung in den Mitarbeiterbüros der AfD-Abgeordneten.
Auch bei der Parteijugend Junge Alternative seien Sprache und Aktionsformen der Identitären sehr präsent. Die JA wird in mehreren Bundesländern als „gesichert rechtsextrem“ vom Verfassungsschutz beobachtet. In drei Bundesländern gilt das für die AfD. Roland Hartwig, „rechte Hand“ von Parteichefin Alice Weidel nahm nach Correctiv-Angaben am Treffen teil. Die AfD bestätigte der Frankfurter Rundschau, dass Hartwig bei dem Treffen zugegen war. Politikwissenschaftler Hajo Funke forderte angesichts der Deportationspläne in der Frankfurter Rundschau „eine Neonazi-Bremse in allen demokratischen Parteien“.
CDU-Generalsekretär Linnemann will „Konsequenzen“ für CDU-Teilnehmerinnen „prüfen“
Die Vorwürfe gegen die zwei CDU-Mitglieder Simone Baum und Michaela Schneider, beide aus der Führungsebene der Werteunion, nahm CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zur Kenntnis. Im Konrad-Adenauer-Haus beobachte man „mit größter Sorge“, dass in der AfD darüber nachgedacht werde, das Land nach einem „rechtsextremistischen Weltbild“ umzubauen. „Sollte“ der Bericht betreffend Baum und Schneider „zutreffen“, verstoße deren Handeln „gegen die Grundsätze der CDU“, sagte Linnemann. „Natürlich werden mögliche Konsequenzen prüfen“, sagte Linnemann.
Die AfD-Spitze im Wandel der Zeit: von Bernd Lucke bis Alice Weidel
Organisator des rechtsextremen Treffens steigt bei „Hans im Glück“ aus
Erste kleine Konsequenzen hatte die Berichterstattung über die rechtsextreme Konferenz bereits für einen der Organisatoren des Treffens, den Unternehmer Hans Christian Limmer. Der war, bis zum 10. Januar, Gesellschafter der Burger-Kette „Hans im Glück“. Laut einer Mitteilung des Unternehmens hat Limmer seine Mitgesellschafter bereits vor Veröffentlichung der Rechercheergebnisse über die Vorwürfe informiert und seinen Rückzug angeboten, um Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Der Essener Lieferdienst „Pottsalat“, an dem Limmer ebenfalls beteiligt war, teilte am Donnerstag mit, dass Limmer sich ebenfalls aus dem Unternehmen zurückgezogen hat. Beide Firmen distanzierten sich von dem auf dem Treffen verbreiteten Weltbild.
Limmer war laut Correctiv „der reiche Mann im Hintergrund“ und selbst nicht beim Treffen anwesend. Er zeigte sich „bestürzt“ über Sellners Forderungen und distanzierte sich davon. Sein Co-Organisator Gernot Mörig hat sich laut dem Bericht, „fast sein ganzes Leben in der rechtsextremen Szene“ bewegt.
Verein Deutsche Sprache zieht bisher keine personelle Konsequenz
Hingegen ist Silke Schröder weiterhin Vorstandsmitglied des „Vereins Deutsche Sprache“, einer Vereinigung, der es zuletzt hauptsächlich um das Zurückdrängen des Gendersternchens ging. Der Verein distanzierte sich von den Inhalten des Treffens und betonte, „keine Aktionen, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind“ zu unterstützen.
Telefonisch teilte der Geschäftsführer des Vereins Holger Klatte auf fr.de-Nachfrage mit: Ob und welche weiteren Konsequenzen der Verein für Schröder ziehe, „müssen die Vereinsgremien klären“. Eine Nachfrage, ob bereits eine Vorstandssitzung einberufen sei, beantwortete Klatte nicht. Dem Verein wird wegen seiner enormen Sorge um die deutsche Sprache immer wieder eine rechtspopulistische Argumentationsweise vorgeworfen. (afp/dpa/kb)