„Die Sprache Hitlers“
Trump veröffentlicht Video und löscht es prompt wieder – Biden unterstellt ihm Nazi-Rhetorik
VonMichael Kisterschließen
Donald Trumps Truth-Social-Account postet ein Video, das Bezug auf ein „vereinigtes Reich“ nimmt. Es skizziert die Zukunft nach der US-Wahl.
Update vom 22. Mai, 8.40 Uhr: US-Präsident Joe Biden hat seinem Amtsvorgänger und Wahlkampf-Rivalen Donald Trump nach der Verbreitung seines fragwürdigen Videoclips erneut Nazi-Rhetorik vorgeworfen. Trump nutze „die Sprache Hitlers“, nicht die Amerikas, sagte Biden in einem Wahlkampfvideo. In dem kurzen Clip hält der Demokrat ein Telefon in der Hand und sagt mit Bezug auf das Video: „Das ist auf seinem offiziellen Account? Wow.“
Auch bei einer Wahlkampfveranstaltung in Boston griff Biden den Republikaner an, der im November erneut ins Weiße Haus einziehen will. Die Bedrohung, die von einer zweiten Amtszeit Trumps ausgehe, sei größer als während seiner ersten Präsidentschaft, sagte der 81-Jährige laut mitreisender Presse. Er nannte Trump demnach „gestört“ und warf ihm Rachsucht nach der verlorenen Präsidentenwahl 2020 vor.
Trump-Video: Ein „vereinigtes Reich“ nach seinem Wahlsieg?
Erstmeldung: New York – Das Video hat es in sich: Donald Trump postete auf seinem eigenen sozialen Netzwerk Truth Social einen Clip, der auf ein „vereinigtes Reich“ Bezug nimmt. Gezeigt wird, was passieren könnte, wenn der frühere Präsident die nächste US-Wahl im November 2024 gewönne. Vor der musikalischen Untermalung durch eine Melodie, die Aufbruchsstimmung vermittelt, fliegen Schlagzeilen ein und ein Erzähler beginnt mit der Frage: „Was passiert, wenn Donald Trump gewinnt?“
Der nächste Videoausschnitt zeigt die Schlagzeile „Was kommt als Nächstes für Amerika?“, wobei links im Bild etwas von der „Schaffung eines vereinigten Reiches“ zu lesen ist. Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) berichtete zuerst, dass es sich bei dem englischen Text um eine Zeile handele, die wortwörtlich aus einem Wikipedia-Eintrag über den Ersten Weltkrieg kopiert worden sei. Die Originalformulierung laute AP zufolge: „Die deutsche industrielle Stärke und Produktion hatte nach 1871 erheblich zugenommen, getrieben von der Schaffung eines vereinigten Reiches.“
„Vereinigtes Reich“ nach der US-Wahl: War die Referenz in Trumps Wahlkampfvideo Absicht?
Der Satz samt des Begriffes „Reich“ scheint sich in diesem Fall also nicht auf Nazi-Deutschland unter der Herrschaft von Adolf Hitler zu beziehen, sondern vielmehr auf das wilhelminische Kaiserreich, das nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 gegründet wurde und mit der Novemberrevolution 1918 endete. Andere Textstellen stützen den Eindruck, dass es sich bei der Zeitungs-Optik im Video um eine Maske handelt, die Platzhalter-Überschriften aus einem Wikipedia-Artikel zum Ersten Weltkrieg beinhaltet. So lautet die erste Unterüberschrift: „Erster Weltkrieg (oft abgekürzt als WWI)“, gefolgt von „Ursachen des Ersten Weltkriegs“.
NEW
— Republicans against Trump (@RpsAgainstTrump) May 21, 2024
A video posted to Donald Trump’s account on his social media network included references to a “unified Reich”, among hypothetical news headlines if he wins the election in November.
I did Nazi this coming. pic.twitter.com/h8dYbnLVyL
Karoline Leavitt, eine Sprecherin von Trumps Wahlkampfteam, kommentierte: „Das war kein Wahlkampfvideo.“ Stattdessen sei es von einem unbekannten Account online gepostet worden. Ein Mitarbeiter des Wahlkampfteams, der das Wort „Reich“ nicht gesehen habe, habe es dann noch einmal gepostet, während der Ex-Präsident im Gerichtsaal gewesen sei. Tatsächlich war Trump wegen seines Schweigegeld-Prozesses in New York. AP wies allerdings bereits darauf hin, dass das Video in der Mittagspause des Verfahrens gepostet worden sei.
Biden-Sprecher: Trump wolle „als Diktator über ein ‚vereinigtes Reich‘ herrschen“
Ungeachtet des genauen Hintergrunds kritisierte James Singer, Sprecher der Wahlkampagne von Joe Biden, Donald Trump für das Video gegenüber dem US-Nachrichtenportal Axios scharf: „Donald Trump spielt keine Spiele; er sagt Amerika genau, was er beabsichtigt, zu tun, wenn er die Macht wiedererlangt: als Diktator über ein ‚vereinigtes Reich‘ herrschen.“ Singer fügte hinzu: „‚Mein Kampf‘ nachzuplappern, während man vor einem Blutbad warnt, wenn man verliert, ist die Art von verrücktem Verhalten, dass man von einem Typen bekommt, der weiß, dass die Demokratie weiterhin seine extreme Vision von Chaos, Spaltung und Gewalt ablehnt.“
Damit nahm Singer Bezug auf eine Äußerung Trumps aus dem vergangenen März, der zufolge es zu einem Blutbad komme, wenn er die Präsidentschaftswahl verliere. Überhaupt fiel Trump während des Präsidentschafts-Wahlkampfes schon mehrfach durch ähnlich fragwürdige Aussagen auf. Er behauptete etwa wiederholt, Immigranten vergifteten das amerikanische Blut. Axios machte darauf aufmerksam, dass sich dieses Sprachbild mindestens dreimal in Hitlers „Mein Kampf“ findet.
Politikwissenschaftler sieht eine bewusste Entscheidung in Trumps Post
Der Politikwissenschaftler Mark Shanahan sagte Newsweek, dass er glaube, das aktuelle Trump-Video sei absichtlich gepostet worden: „Während die Trump-Kampagne oft weniger als kritisch erscheint, was die Auswahl des Materials betrifft, dass sie über Truth Social verbreiten, sind sie sich des Inhalts immer bewusst. Die ‚Fehler‘, die sie machen, sind bewusst und absichtlich.“ Die Diskussion über den Clip werde nun die Berichterstattung dominieren und von Trumps Schweigegeld-Prozess ablenken, so Shanahan weiter.
Abseits der Frage, ob die Bezugnahme auf ein „vereinigtes Reich“ Absicht war oder nicht, kündigt das Video unmissverständlich „die größte Abschiebung der Geschichte“ für den Fall eines Wahlsieges von Trump an. In der zugehörigen Schlagzeile ist die Rede von „15 Millionen illegalen Einwanderern“, die abgeschoben worden seien. (Michael Kister)
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