„Nicht ausreichend gesichert“

Digitalpolitiker warnen vor Desinformationskampagne in Deutschland: „Rasante Zunahme“

  • Peter Sieben
    VonPeter Sieben
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Russland will Deutschland gezielt schaden – mithilfe von Fake News. Digitalexperten im Bundestag warnen vor erheblichen Schäden für Demokratie und Wirtschaft.

Berlin – Es sind dreiste Lügen und Falschinformationen, mit denen Russlands Präsident Wladimir Putin Deutschland gezielt schaden will. Das zeigten jüngst die sogenannten SDA-Leaks eindrücklich. Die russische Agentur SDA hat demnach die Aufgabe, putinfreundliche Narrative in den sozialen Netzwerken in Deutschland zu platzieren und die Bundesregierung schlecht dastehen zu lassen.

Die Digitalexperten der Bundestagsfraktionen sehen eine rasante Zunahme von Desinformationskampagnen. Sie warnen vor schwerwiegenden politischen Folgen sowie wirtschaftlichen Schäden durch Cyberattacken in dreistelliger Milliardenhöhe.

Desinformationskampagnen aus China und Russland: „Deutschland nicht ausreichend gesichert“

„Autokratische Staaten versuchen systematisch und rasant zunehmend, den freiheitlich-pluralistischen Diskurs in Deutschland und in Europa zu manipulieren“, sagt etwa Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD, im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Aus meiner Sicht sind weder Deutschland noch Europa ausreichend gegen solche Kampagnen gesichert.“

Maik Außendorf, digitalpolitischer Sprecher der Grünen, sagte: „Akteure wie Russland nutzen solche Kampagnen als Bestandteil hybrider Kriegsführung, um mit Falschinformationen und gezielten Manipulationen gesellschaftliche Spannungen zu verstärken.“ Im Kampf dagegen sei es jetzt wichtig, einerseits die Medienkompetenz von Bürgerinnen und Bürgern zu stärken und andererseits eine stärkere Regulierung von Online-Plattformen vorzunehmen. Vor allem TikTok steht immer wieder in der Kritik, gegen die Verbreitung von Falschnachrichten und Desinformationskampagnen nichts zu unternehmen.

Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP, formuliert es drastisch: „Desinformationskampagnen autokratischer Regime zielen auf das Herz unserer Demokratie.“ Die jüngsten Enthüllungen aus Russland über die kremlnahe Agentur SDA belegten das erneut. „Mir macht es Sorgen, dass in Russland und China parallel zu den etablierten ‚Trollfabriken‘ der Nachrichtendienste eine regelrechte Desinformationsindustrie mit privatwirtschaftlichen Akteuren entstanden ist. Die Leaks des chinesischen Unternehmens i-Soon belegen auch ein solches Vorgehen privater Firmen im Dienst der VR China“, so Funke-Kaiser. Deutschland sei aufgrund seiner Bedeutung für Europa, die NATO und die EU ein häufiges Ziel solcher hochautomatisierten Desinformationskampagnen.

Fake News in den sozialen Medien: „Müssen dem Problem auf EU-Ebene entgegentreten“

Reinhard Brandl, digitalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, setzt auf EU-Zusammenarbeit beim Kampf gegen gezielte Desinformation. „Das ist ein Problem, das alle EU-Staaten gleichermaßen betrifft. Das Fatale ist, dass Desinformation und Fake News nicht an Staatsgrenzen Halt machen.“ Deutschland könne auch Opfer von Desinformationskampagnen im Ausland werden. Das zeige die Fake-News-Kampagne gegen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Litauen im Jahr 2017. Damals waren aus Russland falsche Gerüchte über eine angebliche Vergewaltigung durch deutsche Soldaten gestreut worden.

„Wir müssen dem Problem gemeinsam auf EU-Ebene entgegentreten“, so Brandl. Erste gemeinsame Anstrengungen seien dazu mit der Einrichtung eines Frühwarnsystems im März 2019 gemacht worden, das in Echtzeit alle Mitgliedstaaten vor Desinformationskampagnen warnen kann.

Putins hybride Kriegsführung: Wirtschaftsschaden in Höhe von 267 Milliarden Euro

Auch der Digital Services Acts (DSA) im Oktober 2022 sei eine adäquate Reaktion auf hybride Bedrohungen, diese Einschätzung teilen die Fraktionsexperten. Doch wirklich resilient sei Deutschland keineswegs. Plattformen müssten konsequenter in die Pflicht genommen werden, fordert FDP-Politiker Funke-Kaiser: „Der gesetzliche Rahmen ist vorhanden, jetzt geht es um die Durchsetzung.“ Grünen-Experte Außendorf sieht Bundesinnenministerin Nancy Faeser in der Pflicht: „Wichtig ist jetzt, dass das Bundesinnenministerium schnell das KRITIS-Dachgesetz nicht weiter verschleppt.“ Das KRITIS-Gesetz soll die Resilienz und die physische Sicherheit kritischer Infrastrukturen regulieren. „Wir müssen die innere und die äußere Sicherheit stärker zusammendenken. Russlands hybride Kriegsführung umfasst nicht nur Desinformationskampagnen, sondern auch Sabotageakte und Cyberangriffe auf unsere Wirtschaft und kritische Infrastruktur. Allein im letzten Jahr haben IT-Sicherheitsvorfälle rund 267 Milliarden Euro Schäden für die deutsche Wirtschaft verursacht“, so Außendorf.

Rubriklistenbild: © dpa/Sputnik Pool Kremlin/Mikhail Metzel & Jens Büttner/dpa (Montage)