Um Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten, verwenden wir Cookies.
Durch Nutzung unserer Dienste stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen
„Mehr Dänemark wagen“: Lindner offen für Zurückweisung an deutscher Grenze
VonTadhg Nagel
schließen
Die Ampel streitet weiter über Asylpolitik. Christian Lindner (FDP) hat jetzt ein entschlossenes Vorgehen gefordert – und ein Vorbild genannt.
Berlin – Die Asylpolitik ist in der Ampel-Koalition zum Streitthema geworden – verschärft durch die jüngsten Wahlerfolge der AfD und den Anschlag von Solingen. Auch die Forderung des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz nach Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen hat den Streit weiter angeheizt. Jetzt hat sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu Wort gemeldet und sich ebenfalls offen für Zurückweisungen gezeigt. Vor allem kritisierte er die Haltung der Grünen, die „nicht hilfreich“ sei. Gerne würde sich der FDP-Chef an Dänemark orientieren. Eine gute Idee?
Bereits Anfang der Woche hatte Lindner einen ersten Vorstoß unternommen. „Die Leute haben die Schnauze voll davon, dass dieser Staat möglicherweise die Kontrolle verloren hat bei Einwanderung und Asyl nach Deutschland“, so der Finanzminister, nachdem seine Partei den Einzug in die Landesparlamente Sachsens und Thüringens weit verfehlt hatte. Das berichtete die Nachrichtenagentur AFP.
Ampel nach Merz-Forderungen unter Druck – Lindner kritisiert die Grünen für ihre Bedenken bei Asylpolitik
Inzwischen hat er nochmals nachgelegt. „Ich kann die Bedenken, die geäußert werden, und auch teilweise die Naivität kaum mehr ertragen“ zeigte er sich gegenüber der ARD-„Tagesschau“ erbost über den Fortgang der Debatte. Zwar sei die deutsche Gesellschaft vielfältig und brauche Einwanderung, diese müsse aber reguliert werden. Die Kontrolle sei „zu lange verloren gegangen, mühsam erarbeiten wir sie uns zurück und mir können Ambitionen und Tempo nicht hoch genug sein“, so der FDP-Politiker weiter.
Besonders die Position der Grünen sieht Lindner offenbar als Problem an. Diese hatten rechtliche Bedenken an Zurückweisungen geäußert – was „nicht hilfreich für die Gespräche, die die Regierung mit Ländern und der CDU-Opposition führt“ sei. Ihm zufolge darf es in der Sache keine „Denkverbote“ geben.
Lindner sieht taktischen Vorgehen der Merz-CDU – Er will der AfD bei der Asylpolitik zuvorkommen
Auch die Merz-CDU kam nicht ungeschoren davon. Zwar versteht Lindner nach eigener Aussage „die Ungeduld“ des Unionsvorsitzenden und teil diese. Das genüge jedoch nicht. „Es muss noch mehr passieren. Aber wir alle müssen Demut zeigen. Es sind auch CDU-Landesregierungen, in denen es Vollzugsdefizite gibt“, so der FDP-Politiker. Vor allem warf er der CDU vor, die Asylpolitik als taktisches Instrument zu missbrauchen.
Linder zufolge müssen „staatstragende Parteien, die in Bund und Ländern in der Verantwortung stehen“ bald eine Lösung anbieten. Ansonsten würden zukünftig noch mehr Menschen „die Systemfrage stellen“ und in der Folge zu AfD oder BSW abwandern. Als positives Beispiel für eine funktionierende Regelung nannte er Dänemark. Dem sozialliberal regierte Land sei durch eine strengere Asylpolitik gelungen, den Rechtspopulismus in die Schranken zu weisen. „Wir sollten in diesem Sinne mehr Dänemark wagen“, so der Finanzminister.
Merz und Lindner träumen von Dänemarks Asylpolitik – Wird sich die Ampel gegen das EU-Recht stellen?
Der FDP-Politiker ist nicht der erste, der sich vom dänischen Modell angetan zeigt. In den vergangenen Jahren wurden aus der Politik immer wieder Forderungen laut, dass man sich in der Asylpolitik an dem skandinavischen Land orientieren solle. Vor Lindner hatte Ende August zuletzt CDU-Chef Merz von Dänemark als Vorbild in Sachen Migration gesprochen. Doch so einfach wie behauptet ist die Angelegenheit nicht. Selbst wenn man ethische Bedenken außer Acht lässt, sind viele der dort angewendeten Maßnahmen nicht mit geltendem EU-Recht vereinbar. Dänemark kann diese nur deshalb umsetzen, weil es sich bei seinem Beitritt im Jahr 1973 einen Sonderstatus zusichern ließ. Die rechtlichen Bedenken der Grünen sind also begründet.
Kabinett Scholz: Nach dem Ampel-Aus kommt Rot-Grün ohne Mehrheit
Dänemark hat mit seinem Modell vor allem Erfolg, weil es an seiner, einzigen, verhältnismäßig kurzen, Grenze seit 2016 permanente Kontrollen durchführt – die laut EU-Recht untersagt sind. Auch die Bedingungen der Unterbringung, die gezahlten Sozialleistungen und zahlreiche weitere Regelungen verstoßen dagegen. Diesen Bruch mit dem EU-Recht könne man sich in der Politik natürlich zum Vorbild machen, so Maximilian Pichl, Professor für Sozialrecht an der Hochschule RheinMain, gegenüber der taz. Damit stelle man „aber ehrlicherweise das Prinzip der EU komplett infrage“. Ohnehin sei längst wissenschaftlich erwiesen, dass sich abschreckende Maßnahmen „auf die Migrationsbewegungen von Geflüchteten nur sehr begrenzt auswirken“, so Pichl dort weiter. (tpn)