Straßenszene in Taipeh
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Straßenszene in Taipeh: Nur wenige Länder unterhalten diplomatische Beziehungen zu Taiwan.

Diplomatischer Ärger

„Müssen Beziehungen zu China unterhalten“: Taiwan droht Verlust von weiterem Verbündeten

  • Sven Hauberg
    VonSven Hauberg
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Schon bald könnte Taiwan nur noch zwölf Verbündete haben: Nach den Präsidentschaftswahlen im südamerikanischen Paraguay will sich der mögliche Sieger China zuwenden.

München/Taipeh – Nur noch 13 Staaten weltweit erkennen die Regierung in Taipeh offiziell an – die überwiegende Mehrheit der Staatengemeinschaft unterhält statt mit Taiwan lediglich mit der Volksrepublik China diplomatische Beziehungen. In wenigen Wochen schon könnte die Zahl der Verbündeten Taiwans weiter schrumpfen: Efrain Alegre, aussichtsreichster Oppositionskandidat bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen in Paraguay, will im Falle eines Wahlsiegs die Seiten wechseln.

Der taiwanesische Außenminister Joseph Wu sagte nun in Taipeh, dass die Äußerungen Alegres „sicherlich eine gewisse Verwirrung ausgelöst haben“. Man versuche alles, um Paraguay nicht als Partner zu verlieren. „Unsere Kollegen in Paraguay haben sehr enge Beziehungen zu den politischen Parteien, den Lagern und den Kandidaten“, so Wu weiter. „Paraguay unterhält seit langem Beziehungen zu uns, und diese Beziehungen sind auch sehr stabil. Wir werden unser Bestes tun, um die diplomatischen Beziehungen mit Paraguay aufrechtzuerhalten“.

Taiwan: „Paraguay muss Beziehungen zu China unterhalten“

Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und will das demokratisch regierte Land mit der Volksrepublik „wiedervereinigen“ – möglichst friedlich, notfalls aber auch mit Gewalt, wie Staats- und Parteichef Xi Jinping immer wieder deutlich macht. Gemäß Pekings „Ein-China-Prinzip“ dürfen Staaten, die diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik unterhalten, die taiwanische Regierung nicht ebenfalls anerkennen.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

Laut Oppositionskandidat Alegre hätte ein Wechsel zu Peking wirtschaftliche Vorteile für sein Land. Laut Daten der OECD aus dem Jahr 2021 gehören Sojabohnen und Sojaprodukte sowie Rindfleisch zu den wichtigsten Exportgütern Paraguays. Bislang exportiert das südamerikanische Land vor allem nach Brasilien, Argentinien, Chile, Russland und Indien. Den lukrativen chinesischen Markt will Alegre nun erobern – möglich ist das aber nur, wenn Paraguay und China diplomatische Beziehungen aufnehmen. Von Taiwan zeigte er sich enttäuscht: „Wir haben diese kritische Haltung gegenüber den Beziehungen zu Taiwan, weil wir der Meinung sind, dass wir nicht genug von dieser Beziehung zurückbekommen“, sagte Alegre vor wenigen Monaten. „Paraguay muss Beziehungen zu China unterhalten.“

Paraguay wählt Ende April einen neuen Präsidenten. Umfragen sehen Alegre derzeit gleich auf mit Amtsinhaber Santiago Pena. Dieser will „die historischen Beziehungen zu Taiwan verteidigen“, wie Pena im Januar der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Taiwans Vize-Außenminister Alexander Yu vermutet, dass Peking hinter dem möglichen Wechsel des Sieben-Millionen-Einwohner-Staats zu China steckt. „Es ist eine Tatsache, dass China offensichtlich Kandidaten aller Lager“ in Paraguay „umworben hat“, sagte Yu Anfang April während einer parlamentarischen Anhörung.

Verlust von Paraguay wäre weiterer Schlag für Taiwan

Ein diplomatischer Wechsel zu China wäre ein schwerer Schlag für die Regierung von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen. Erst vor wenigen Wochen hatte Honduras Taipeh den Rücken gekehrt und Beziehungen zur Volksrepublik China aufgenommen. In den vergangenen Jahren hatte Taiwan zudem mit Ländern wie Panama, der Dominikanischen Republik, El Salvador, Nicaragua, den Salomonen-Insel und Kiribati weitere Verbündete verloren.

In Europa erkennt nur der Vatikan Taiwan an. Viele westliche Staaten, darunter die USA und Deutschland, unterhalten allerdings inoffizielle Beziehungen zur Regierung in Taipeh. Am Mittwoch erklärte Außenministerin Annalena Baerbock erneut, dass es in der Taiwan-Frage „zu keiner militärischen Eskalation kommen“ dürfe. Sie lehne eine „einseitige Änderung des Status quo“ ab, so die Grünen-Politikerin bei einer Regierungsbefragung im Bundestag. Baerbock hatte Ende vergangener Woche China besucht.