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Ampel-Minister fassen Arbeits-Plan für Asylbewerber - erster Ruf nach „Flüchtlings-Notlage“
VonFlorian Naumann
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Das Ampel-Kabinett hat sich auf neue Regeln für Asylbewerber auf dem Arbeitsmarkt geeinigt. Doch die Kritik ebbt vor dem Flucht-Gipfel nicht ab.
Berlin - Asylbewerber und Ausländer mit sogenannter Duldung sollen in Deutschland künftig schneller arbeiten können. Eine entsprechende Formulierungshilfe hat das Ampel-Kabinett am Mittwoch (1. November) beschlossen. Geduldeten sollen demnach im Regelfall eine Beschäftigungserlaubnis erhalten. Das Arbeitsverbot für Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen für Alleinstehende soll zugleich bereits nach sechs Monaten entfallen. Bisher galt es neun Monate.
Die Ampel-Koalition will auch die Stichtagsregelung für die „Beschäftigungsduldung“ ändern. Bisher kann diese Möglichkeit nur, wer vor dem 1. August 2018 nach Deutschland gekommen ist. Künftig sollen alle, die bis Ende 2022 eingereist sind, diese Chance auf eine langfristige Bleibeperspektive haben. Menschen, die aus sogenannten sicheren Herkunftsländern „offensichtlich unbegründete“ Asylanträge gestellt oder ihre Identitätsklärung verweigert haben, sollen von den angedachten Erleichterungen nicht profitieren können.
Die Neuerungen kommen wenige Tage vor dem nächsten Migrationsgipfel von Bund und Ländern. Die Sorgen sind weiterhin groß: Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) forderte ebenfalls am Mittwoch eine „Flüchtlingsnotlage“.
Ampel-Kabinett für neue Arbeitsregeln: Habeck und Faeser äußern sich
Geduldete sind Menschen, die zwar ausreisepflichtig sind, aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden können. Am 30. Juni waren insgesamt 279.098 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig - 224.768 von ihnen hatten eine Duldung, etwa weil sie keine Ausweisdokumente haben, krank sind oder ein minderjähriges Kind haben, das eine Aufenthaltserlaubnis besitzt.
„Arbeitgeber suchen händeringend nach Arbeitskräften, Kommunen brauchen Entlastung und Menschen, die arbeiten, tragen etwas bei, werden Steuerzahler“, sagte der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) und andere eskalierten in der Migrationspolitik rhetorisch - die Ampel-Koalition kümmere sich um pragmatische Lösungen, erklärte er.
Die Ampel wolle „die beruflichen Potenziale und Qualifikationen von den Menschen, die schon in Deutschland leben, bestmöglich nutzen“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einem „wichtigen Schritt“. Die Devise müsse lauten: „Raus aus dem Sozialsystem, rein in die Beschäftigung.“ Das entlaste nicht nur die Staatskasse, sondern fördere auch die Integration.
Kabinett Scholz: Nach dem Ampel-Aus kommt Rot-Grün ohne Mehrheit
Arbeitspläne für Asylbewerber: CDU übt Kritik - „Einfacher per Asyl als per Uni-Abschluss“
Unions-Innenexperte Alexander Throm (CDU) beklagte hingegen eine weitere Vermischung von Asyl- und Erwerbsmigration. Für Ausländer werde es „einfacher sein, mit einem Asylantrag als mit einem Universitätsabschluss nach Deutschland zu gelangen“. Das Problem seien nicht jene, die anfänglich nicht arbeiten dürften - sondern anerkannte Geflüchtete, die arbeiten dürften und könnten, aber von Sozialleistungen lebten.
Linke-Innenpolitikerin Clara Bünger begrüßte die Pläne in Sachen Arbeit. Sie kritisierte jedoch die Ausnahmen etwa für Menschen aus sicheren Herkunftsländern: „Weiterhin werden ganze Gruppen einem pauschalen Arbeitsverbot unterliegen.“ Die AfD forderte eine „echte Migrationswende“ und nannte Europas Norden als Vorbild. Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island hatten sich nach Angaben des dänischen Ausländer- und Integrationsministeriums unter anderem auf das Ziel geeinigt, in Zusammenarbeit mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex gemeinsame Flüge in ein Drittland zu organisieren, damit Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung ausreisen.
Ampel-Kabinett beschließt im Asyl-Streit auch härtere Strafen für Schleuser
Das Kabinett von Kanzler Olaf Scholz (SPD) beschloss außerdem Regelungen zum automatischen Datenaustausch im Ausländer- und Sozialrecht. So soll eine Ausländerbehörde informiert werden, wenn jemand keine Sozialleistungen mehr bezieht. Umgekehrt soll die Stelle, die sich um die Auszahlung existenzsichernder Leistungen kümmert, direkt von der Ausländerbehörde hören, wenn ein Ausländer fortgezogen ist. Derzeit „erhalten Leistungsbehörden Daten etwa zum Fortzug eines Ausländers nur auf Ersuchen im Einzelfall“, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Ebenfalls verabschiedet wurde ein Vorschlag zur Verschärfung der Strafvorschriften für Schleuser. Schleuser, die das Leben von Menschen leichtfertig aufs Spiel setzen, sollen demnach künftig mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder Haft von 10 bis 15 Jahren bestraft werden. Bislang liegt der Strafrahmen hier bei 3 bis 15 Jahren.
Flucht-Gipfel mit Scholz: Länder wollen Geld - die CSU die „Belastungsgrenze“
Scholz und die Ministerpräsidenten beraten am Montag (6. November) wieder über Migrationsfragen. Länder und Kommunen fordern neben mehr Geld vom Bund für die Versorgung Geflüchteter zunehmend eine Begrenzung der Zahl der Asylbewerber in Deutschland. Das hatte zuletzt auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mit dem Ruf nach einer „Belastungsgrenze“ bei Merkur.de von Ippen.Media getan. Kiziltepe verknüpfte indes die Forderung nach einem „Flüchtlingsnotstand“ mit der nach einer Aussetzung der Schuldenbremse. Bei der Finanzierung der Migration stehe „der Bund in der Verantwortung“, sagte sie der dpa.
Viele der jetzt vom Kabinett beschlossenen Änderungen gingen auf Beschlüsse des Flucht-Gipfels um Scholz und die Ministerpräsidenten im vergangenen Mai ein, betonte Faeser. Auf die Journalistenfrage, mit wie vielen zusätzlichen Arbeitskräften nun zu rechnen sei, antwortete die Ministerin ausweichend: Es sei schwierig, konkrete Zahlen zu nennen.
Die Grünen-Politiker Ricarda Lang und Winfried Kretschmann schrieben in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel: „Wenn die Kapazitäten - wie jetzt - an ihre Grenzen stoßen, müssen auch die Zahlen sinken.“ Die Parteivorsitzende und der baden-württembergische Ministerpräsident betonten, bei aller gebotenen Menschlichkeit gelte: „Steuerung und Rückführung gehören zur Realität eines Einwanderungslandes wie Deutschland dazu.“ Ihr Parteifreund Erik Marquardt forderte am Vortag bei FR.de ein Umdenken in Migrationsfragen. (dpa/fn/AFP)