Wahlkampf der Partei überschattet

Russischer Agent in den Bundestag eingeschleust: AfD-Spionageaffäre um Krah und Bystron weitet sich aus

  • Christoph Gschoßmann
    VonChristoph Gschoßmann
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Die Spionage-Affäre um die AfD zieht vor der Europawahl weitere Kreise. Die Partei gewährte wohl einem russischen Spion Zugang zum Bundestag.

Frankfurt – Die Europawahl steht kurz bevor, und die AfD muss eine Negativmeldung nach der anderen verkraften. So gibt es strafrechtliche Ermittlungen, eine umstrittene SS-Äußerung des Spitzenkandidaten und schließlich den Ausschluss aus der ID-Fraktion im Europaparlament: All dies überschattet den Wahlkampf der Partei, die in Umfragen absackt.

Neue Recherchen zeigen nun, dass die Verstrickungen der Spitzenkandiaten Alexander Krah und Petr Bystron tiefer gehen als bisher angenommen.

AfD-Europa-Spitzenkandidat Alexander Krah gerät in Bedrängnis

Sowohl Maximilian Krah, als auch Petr Bystron stehen im Rampenlicht. Krah provoziert seit Jahren mit EU-feindlichen und völkisch-nationalistischen Thesen, trotzdem wurde er im Sommer zum Spitzenkandidaten gewählt. In Bedrängnis geriet Krah im März, als in Medienberichten Vorwürfe der Bestechlichkeit gegen mehrere Europa-Politiker im Zusammenhang mit Auftritten bei einer pro-russischen Internetseite erhoben wurden. Krah sagte, für die Interviews kein Geld erhalten zu haben.

Nach Spionage-Vorwürfen und einem Haftbefehl gegen einen Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah (l.) wurde Kritik auch innerhalb der AfD laut. (Archivbild)

Im April schlug die Verhafung von Krahs langjährigem Mitarbeiter Jian G. wegen des Verdachts der Spionage für China hohe Wellen. Die Vorwürfe wogen so schwer, dass die Parteiführung den Spitzenkandidaten für einige Tage aus der Schusslinie zog und ihn damit öffentlich anzählte. Später durchsuchte die Bundesanwaltschaft Krahs Büro im Brüsseler Europaparlament, dem er seit 2019 angehört.

Schließlich brachte eine verharmlosende Äußerung zur SS am vergangenen Wochenende das Fass zum Überlaufen. Nachdem die französischen Rechtspopulisten infolgedessen die Zusammenarbeit im EU-Parlament aufkündigten, strafte die Parteiführung Krah mit einem Auftrittsverbot ab. Dieser zog sich daraufhin auch aus dem Bundesvorstand zurück.

Ermittlungen gegen den AfD-Listenzweiten Petr Bystron

Vorwürfe stehen auch gegen den Listenzweiten und Bundestagsabgeordneten Bystron im Raum - und zwar der Geldannahme aus Russland. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern und Geldwäsche und durchsuchten seine Büros im Bundestag sowie Privaträume.

Petr Bystron (AfD), Mitglied des Deutschen Bundestages, spricht im Plenum des Deutschen Bundestages.

Bystron wurde von der AfD-Führung aufgefordert, keinen Wahlkampf mehr zu machen. Später gab er genau das bekannt, berief sich aber auf familiäre Gründe. Seine Entscheidung habe mit der Aufforderung der Parteichefs nichts zu tun. Wie lange er sich zurückziehe, ließ er offen.

Russischer Spion erhält durch AfD-Abgeordnete wohl Zugang zum Bundestag

Das Portal t-online hat enthüllt, dass Krah und Bystron einem weiteren Spionageverdächtigen nicht nur Zutritt zum EU-Parlament verschafften, sondern auch zum Deutschen Bundestag. Demnach handelt es sich um den Polen Janusz Niedźwiecki. Aktuell sitze dieser in polnischer Untersuchungshaft, nachdem im Februar die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben habe.

15 Jahre Haft drohen ihm, während er seine Unschuld beteuert. Er soll für den russischen Geheimdienst gearbeitet haben. „Im Nachhinein betrachtet, hätte ich dagegen einschreiten müssen“, sagte Krah zu t-online. Selbst will er von Niedźwieckis Aktivitäten nichts mitbekommen haben. AfD-Bundestagsabgeordnete, die sich mit Niedźwiecki getroffen haben, sollen von polnischen Ermittlern im Sommer 2022 in Berlin verhört worden sein.

Russischer Oligarch Medwetschuk steckt Bystron „bündelweise Geldscheine“ zu

Niedźwiecki soll das Bindeglied von der AfD zum russischen Oligarchen Wiktor Medwedtschuk darstellen. Der Putin-Unterstützer soll Bystron bei einem Treffen „bündelweise Geldscheine“ zugesteckt haben. Nachweislich sollen Krah und Bystron es dem Polen ermöglicht haben, im Bundestag und im EU-Parlament Lobbyarbeit für den Oligarchen zu betreiben. Organisiert worden sein soll dies von einem weiteren Assistenten von Krah.

Auf dem Weg nach Europa: Die Aufnahmekandidaten der EU

EU Parlament Straßburg
Jeder europäische Staat hat laut Artikel 49 des EU-Vertrags das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen. Wichtig dabei: „Europäisch“ wird politisch-kulturell verstanden und schließt die Mitglieder des Europarats mit ein. Das betrifft zum Beispiel die Republik Zypern. Eine wichtige Rolle spielt im Beitrittsverfahren das EU-Parlament in Straßburg (im Bild). Verschiedene Delegationen verfolgen die Fortschritte in den Beitrittsländern und weisen auf mögliche Probleme hin. Zudem müssen die Abgeordneten dem EU-Beitritt eines Landes im Parlament zustimmen. Derzeit gibt es neun Beitrittskandidaten und einen Bewerberstaat. © PantherMedia
Edi Rama Albanian EU
Albanien reichte 2009 den formellen EU-Mitgliedschaftsantrag ein – vier Jahre, bevor Edi Rama (im Bild) das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Es dauerte aber noch eine lange Zeit, bis die Verhandlungen beginnen konnten. Grund war ein Einspruch der Niederlande, die sich zusätzlich zu den EU-Kriterien auch die Sicherstellung der Funktion des Verfassungsgerichts und die Umsetzung eines Mediengesetzes wünschte. Im Juli 2022 konnte die Blockade beendet werden und die EU startete die Beitrittsverhandlungen. © John Thys/afp
Bosnien und Herzegowina EU
Auch Bosnien und Herzegowina drängt in die EU. Gut erkennen konnte man das zum Beispiel am Europatag 2021, als die Vijećnica in der Hauptstadt Sarajevo mit den Farben der Flaggen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowinas beleuchtet war. EU-Botschafter Johann Sattler nutzte sofort die Gelegenheit, um das alte Rathaus zu fotografieren. Vor den geplanten Beitrittsverhandlungen muss das Balkanland noch einige Reformen umsetzen. Dabei geht es unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen.  © Elvis Barukcic/afp
Georgien EU
Zum Kreis der EU-Beitrittskandidaten gehört auch das an Russland grenzende Georgien. Das Land, in dem rund 3,7 Millionen Menschen leben, hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Aufnahme in die EU beantragt. Auf schnelle Fortschritte im Beitrittsprozess kann Georgien allerdings nicht hoffen. Dabei spielt auch ein ungelöster Territorialkonflikt mit Russland eine Rolle. Nach einem Krieg 2008 erkannte Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien (im Bild) und Abchasien als unabhängige Staaten an und stationierte Tausende Soldaten in der Region. © Dimitry Kostyukov/afp
Moldau EU
Seit Juni 2022 gehört auch Moldau offiziell zu den EU-Beitrittskandidaten. Das Land, das an Rumänien und die Ukraine grenzt, reichte kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs das Beitrittsgesuch ein. Am 21. Mai 2023 demonstrierten 80.000 Menschen in der Hauptstadt Chișinău für einen Beitritt Moldaus in die Europäische Union. Die damalige Innenministerin Ana Revenco (Mitte) mischte sich damals ebenfalls unters Volk. © Elena Covalenco/afp
Montenegro EU
Das am kleine Balkanland Montenegro will beim EU-Beitritt zügig vorankommen. Direkt nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten Ende Oktober 2023 verkündete Milojko Spajic (im Bild), dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (rechts) hörte es damals sicher gerne. Montenegro verhandelt seit 2012 über einen Beitritt, hatte sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgiebig um Reformen bemüht.  © Savo Prelevic/afp
Scholz Westbalkan-Gipfel Nordmazedonien EU
Nordmazedonien kämpft schon seit langer Zeit für den Beitritt in die EU. Leicht ist das nicht. So hat das kleine Land in Südosteuropa aufgrund eines Streits mit Griechenland sogar schon eine Namensänderung hinter sich. Seit 2019 firmiert der Binnenstaat amtlich unter dem Namen Republik Nordmazedonien. Auch Bulgarien blockierte lange den Beginn von Verhandlungen. Bei einem Gipfeltreffen im Oktober 2023 drängte Kanzler Olaf Scholz dann aber auf eine möglichst schnelle Aufnahme der Balkanstaaten in die EU. Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski (rechts) war sichtlich erfreut. © Michael Kappeler/dpa
Serbien EU
Auch Serbien strebt in die EU. Wann es zu einem Beitritt kommt, scheint derzeit aber völlig offen. Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich die serbische Regierung geweigert, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Damit ist Serbien der einzige Staat in Europa, der keine Sanktionen verhängt hat. Offen bleibt, welche Auswirkungen das auf die seit 2014 laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt Serbiens hat. Die politische Führung in Belgrad, die seit 2012 von Präsident Aleksandar Vučić (im Bild) dominiert wird, zeigt zudem wenig Willen zu Reformen. Demokratie und Medienpluralismus höhlt sie zunehmend aus. © Andrej Isakovic/afp
Türkei EU
Die Türkei ist bereits seit 1999 Beitrittskandidat. Die Verhandlungen selbst haben im Oktober 2005 begonnen. Inzwischen hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Beziehungen wieder auszubauen, sofern sich die Regierung in Ankara unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan (im Bild) in einigen Punkten bewegt. Zuvor waren Projekte wie die geplante Modernisierung der Zollunion und eine Visaliberalisierung wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Ein EU-Beitritt scheint aktuell weiter entfernt denn je. © Adem Altan/afp
Ukraine EU
Im Dezember 2023 wurde der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich beschlossen. Allerdings muss die Ukraine sämtliche Reformauflagen erfüllen. So waren nach dem letzten Kommissionsbericht manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen im Land nicht vollständig umgesetzt. Ohnehin gilt es als ausgeschlossen, dass die Ukraine vor dem Ende des Ukraine-Kriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew laut EU-Vertrag militärischen Beistand einfordern – und die EU wäre offiziell Kriegspartei. © Roman Pilipey/afp
Kosovo EU
Kosovo hat einen Mitgliedsantrag eingereicht, jedoch noch nicht den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Das Land hat 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Freude darüber war damals bei den Menschen riesengroß. Das Bild macht auch deutlich, dass vor allem Menschen albanischer Herkunft im Kosovo beheimatet sind. Die Flagge Albaniens (links) ist ebenso zu sehen wie die des neuen Landes (hinten). Mehr als 100 Länder, darunter auch Deutschland, erkennen den neuen Staat an. Russland, China, Serbien und einige EU-Staaten tun dies aber nicht. Ohne die Anerkennung durch alle EU-Länder ist eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aber nicht möglich.  © Dimitar Dilkoff/afp

Wie das Portal berichtet, sollen Ermittlungsbehörden von Deutschland, Polen, der USA und Tschechien mit dem Komplex befasst sein, sie sollen Krah bereits befragt haben. Für erledigte Aufträge soll Niedźwiecki laut der polnischen Gazeta Wyborcza Barzahlungen erhalten haben, von denen rund 70.000 Euro in Geldscheinbündeln mit der Banderole einer russischen Bank sichergestellt wurden.

AfD-Spitzenkandidat Krah wurde vom FBI verhört

Niedźwiecki soll mit seiner Lobbyarbeit die Rolle von Mateuz Piskorski übernommen haben, der in Polen angeklagt wurde und ebenfalls der AfD und dem rechten Publizisten Manuel Ochsenreiter nahe stand.

Der Kontakt von Krah nach Russland soll laut unabhängigen Quellen von t-online im Frühjahr 2019 hergestgellt worden sein. Krah stellte demnach den Putin verehrenden Guillaum Pradoura als seinen Assistenten ein. Auch Oleg Voloshin, Drahtzieher eines Senders von Medwedtschuk, soll Kontakt mit Krah gehabt haben, weswegen ihn das FBI verhörte. Es existiert Videomaterial, das Medwetschuk, Pradoura, Krah, Bystron und Niedźwiecki bei einem Treffen zeigt. (cgsc mit afp)

Rubriklistenbild: © IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

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