„Brandmauer gegen rechts eingerissen“
CDU und AfD stellen gemeinsamen Antrag in Cottbus - Grüne mit harscher Kritik
- VonBettina Menzelschließen
Wie salonfähig ist die Zusammenarbeit mit der AfD mittlerweile? In Cottbus macht die CDU mit den Rechtspopulisten gemeinsame Sache, um die Aufnahme von Flüchtlingen zu begrenzen.
Cottbus – Formal lehnen die Spitzen aller Parteien im Bundestag eine Zusammenarbeit mit der Alternative für Deutschland (AfD) ab. Die Praxis sieht auf kommunaler Ebene, in Gemeinderäten und Landtagen aber offenbar anders aus. AfD und CDU machten nun bei einem Antrag zur Begrenzung der Aufnahme von Flüchtlingen im brandenburgischen Cottbus gemeinsame Sache. Eine Stimme der SPD ging ebenfalls an die Causa – scharfe Kritik kam dazu vom Kreisverband der Cottbuser Grünen, der bei allen Beteiligten den „moralischen Kompass“ vermisste.
AfD und CDU mit gemeinsamem Antrag zur Begrenzung der Aufnahme von Flüchtlingen in Cottbus
Die AfD und CDU begrenzten mit ihrer Zusammenarbeit in Cottbus die Aufnahme von Flüchtlingen. Künftig will die Stadt nur noch das gesetzliche Mindestmaß an Geflüchteten akzeptieren, wie RBB zuerst berichtete. Mit der Änderung eines vorhergehenden Beschlusses aus dem Jahr 2021 beendete die Stadtverordnetenversammlung Cottbus faktisch ihr Bekenntnis zum „sicheren Hafen“, hieß es am Sonntag laut einer Mitteilung der Grünen Cottbus. „Dass hier erstmalig CDU und AfD gemeinsam einen Antrag gestellt haben und dieser auch mit einer Stimme der SPD durchgebracht wurde, zeigt, wie die Brandmauer gegen Rechts weiter eingerissen wird“, sagte Kreisverbandsvorsitzender Stefan Binder demnach. Das sei eine große Gefahr für die Demokratie.
Auch die zahlreichen Enthaltungen während dieser Abstimmung ließen einen „moralischen Kompass vermissen“ und würden indirekt einer künftigen schwarz-blauen Koalition den Weg ebnen, so die Kritik weiter. Keine Zusammenarbeit mit der AfD „erwarten wir auch von den anderen demokratischen Fraktionen im Stadtparlament“, hieß es in der Mitteilung. Der Antrag wurde mit 19 Stimmen dafür und sechs Nein-Stimmen bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Der Vorsitzende des Kommunalparlaments, Reinhard Drogla (SPD) stimmte dem Antrag ebenfalls zu, wie ein Mitschnitt zeigt. Die übrige SPD-Fraktion und die Linke-Fraktion enthielten sich größtenteils. Drei Gegenstimmen kamen von den Grünen und drei weitere aus anderen Fraktionen.
Brandmauer gegen rechts bröckelt? Zusammenarbeit von anderen Parteien mit AfD kein Einzelfall
Im Jahr 2014 bildeten Linke und AfD im Gemeinderat von Muldestausee in Sachsen-Anhalt erstmals eine gemeinsame Fraktion. Es sollte nicht die einzige Zusammenarbeit demokratischer Parteien mit der rechtspopulistischen bis rechtsextremen AfD bleiben. Laut Spiegel arbeiteten andere Parteien bereits in 40 Orten mit der AfD zusammen (Stand: 2020). Einer Recherche von MDR zufolge kamen in Mitteldeutschland zuletzt in mindestens 18 von 50 Parlamenten inhaltliche Anträge der AfD durch – meist mit den Stimmen der CDU.
Für bundesweites Aufsehen sorgte zuletzt ein Fall in Thüringen. Mitte September hatte der Landtag in Erfurt auf Initiative der CDU eine Senkung der Grunderwerbsteuer beschlossen – mit den Stimmen von FDP und AfD. Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Karin Prien hatte daraufhin betont, man wolle einen „maximalen Abstand zur AfD halten“. Es werde auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben, hatte der Vorsitzende der Christsozialen, Friedrich Merz, noch im Sommer versprochen.
Rhetorisch setzte jedoch auch der CDU-Chef selbst zuletzt immer öfter auf Populismus – und schimpfte etwa gegen die Gender-Sprache. Der Politiker musste sich daraufhin den Vorwurf gefallen lassen, am rechten Rand nach Stimmen zu fischen. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schloss Merz jedoch kategorisch aus. „Die CDU würde ihre Seele verkaufen, wenn sie mit dieser Partei zusammenarbeiten würde“, so der Chef der Christsozialen im September zur Augsburger Allgemeinen. Kommunal und im Landtag gebe es die Brandmauer nicht mehr, analysierte indes der Politikwissenschaftler Martin Gross im Gespräch mit dem MDR.