Gipfel-Abschlussdokument sickert durch

G7 machen Druck auf Putin-Unterstützer China – Ex-Nato-Botschafter ist skeptisch

  • Florian Naumann
    VonFlorian Naumann
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Auf ihrem Gipfel wollen die G7 China wegen der Unterstützung für Russlands Angriffskriegs in der Ukraine anprangern.

Die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten wollen im Ukraine-Krieg den Druck auf China erhöhen: Das Abschlussdokument des am Donnerstag (13. Juni) beginnenden Gipfels in Italien werde Peking dazu auffordern, seine Unterstützung des russischen Feldzugs gegen die Ukraine zu beenden, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg.

„Chinas anhaltende Unterstützung für die russische Verteidigungsindustrie hat erhebliche und weitreichende Auswirkungen auf die Sicherheit“, heiße es in dem Entwurf. Die G7 wollen China zudem unter Druck setzen, Russland zum Rückzug aus der Ukraine zu bewegen und einen gerechten Frieden zu unterstützen.

Am Wochenende findet auch der Ukraine-Friedensgipfel in der Schweiz statt. Zwar sagen Pekinger Diplomaten es nicht eindeutig – doch nach allem, was bekannt ist, würde China nur zu einer Friedenskonferenz reisen, bei der auch Russland mit am Tisch sitzt. Peking weist zudem Vorwürfe zurück, dass seine Firmen gezielt sogenannte Dual-Use-Güter nach Russland liefern, die zivil und militärisch nutzbar sind.

China schaut nur auf Chinas Interessen – und nicht primär auf Russland

Dem ehemaligen Nato-Botschafter der USA, Kurt Volker, sind Sichtweisen wie die der G7 auf China zu eindimensional. Er rät zu einem anderen Vorgehen. „Wir neigen dazu, China in erster Linie unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, ob es nun Technologie an Russland liefert oder mit Russland verbündet ist“, sagt Volker IPPEN.MEDIA. „China schaut letztlich aber nur auf chinesische Interessen.“

Peking kooperiere mit Russland, solange es China selbst nütze. Wenn Russland China billiges Gas liefern wolle, dann kaufe Peking das gerne. Und auch die gestiegene russische Nachfrage nach Gütern erfülle China gern. „Aber wir müssen bedenken, dass China mit den USA, der EU und dem internationalen System weitaus enger verbunden ist als mit Russland“, sagt Volker. Umgekehrt fürchte das zunehmend abhängige Russland den benachbarten Riesen, etwa dass China russische Ressourcen oder gar Territorien beanspruchen könne.

Der Westen müsse Peking deshalb davon überzeugen, dass es in seinem eigenen Interesse sei, konstruktiv zu agieren, ist Volker überzeugt. Da gebe es Ansatzpunkte: So wolle China am Wiederaufbau der Ukraine beteiligt sein. Derzeit dominiert vor allem in Washington allerdings eine harte Linie gegenüber China. Die USA sehen sich im Kampf gegen einen autokratischen Block, der von Peking und Moskau angeführt wird.

Kurt Volker, ehemaliger Nato-Botschafter der USA

G7-Gipfel: Maßnahmen gegen das Umgehen von Sanktionen durch China

Nicht zuletzt mit Blick auf China wollen die G7-Staaten laut Bloomberg zudem neue Maßnahmen gegen das Unterlaufen westlicher Sanktionen einführen. Mehr Unternehmen könnten auf den schwarzen Listen etwa der USA landen, westliche Marken, die noch immer in Russland verkaufen, sanktioniert werden. Auch sei im Gespräch, gezielt Banken in Drittländern anzusprechen, die diesen Handel abwickeln. Unternehmen sollten aufgefordert werden, ihre Tochtergesellschaften und Zulieferer im Ausland stärker zu kontrollieren. Viele Güter aus China gelangen über verschlungene Netzwerke oder Umwege nach Russland, etwa via Türkei.

Gegenmaßnahmen gegen die anhaltende Unterstützung Russlands durch die sogenannte CRINK-Allianz (aus China, Russland, Iran und Nordkorea) seien dringend nötig, sagt auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter. „Unsere Sanktionen müssen nachgeschärft und Schlupflöcher geschlossen werden. Dazu gehört auch, Chinas Unterstützung zu stoppen durch zielgerichtete Sanktionen sowie auch gegen Drittstaaten wie die ‚Stan-Länder‘ mit Sanktionen vorzugehen“, so Kiesewetter zu IPPEN.MEDIA. Gemeint sind etwa Kasachstan und andere Staaten in Zentralasien.

Kiesewetter: Europa muss russischer Kriegswirtschaft mehr entgegensetzen

In den Tagen vor der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz wollen die westlichen Verbündeten offenbar den Druck auf Peking noch einmal erhöhen. China hatte eine Teilnahme an der Konferenz vergangene Woche abgesagt. Trotzdem reiste der ukrainische Vizeaußenminister Andrii Sybiha im Anschluss nach Peking. Bei seinem Amtskollegen Sun Weidong drang er noch einmal auf Teilnahme Chinas.

Ob bei der Ukraine-Wiederaufbau-Konferenz in Berlin oder der anstehenden Friedenskonferenz in der Schweiz: Letztlich geht es in allen Debatten im Westen darum, wie die Ukraine finanziell und mit Waffen möglichst effektiv unterstützt und parallel Russlands Wirtschaft der Hahn abgedreht wird. Kiesewetter begrüßt dabei den Vorschlag der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas, dass alle Nato-Mitglieder 0,25 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Unterstützung der Ukraine bereitstellen. „In der Dynamik des Krieges muss Europa etwas gegen die Kriegswirtschaft Russlands und die Unterstützung Russlands durch die CRINK-Allianz entgegensetzen.“ China wie Iran müssen wirtschaftlich und politisch abgeschreckt werden, sagt er.

Anders als große Teile der Bundesregierung und der Biden-Administration in den USA befürwortet der CDU-Politiker zudem eine baldige Aufnahme der Ukraine in die Nato. „Psychologisch ist es wichtig, dass die Ukraine beim Nato-Gipfel in Washington eine eindeutige Einladung und einen klaren Zeitplan für den Nato-Mitgliedschaft erhält“, sagt Kiesewetter. Das sieht Ex-Botschafter Volker genauso. Doch eine Mehrheit dafür ist auf dem Nato-Gipfel im Juli bislang nicht in Sicht.

Rubriklistenbild: © Konstantin Sednev / Postimees Tallinn Harjumaa Est / Imago