Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz) zu Gast bei „Anne Will“.
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Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz) zu Gast bei „Anne Will“.

Regierungskrise?

Habeck zeigt sich bei „Anne Will“ zerknirscht: „Bin auch nicht zufrieden“

Wirtschaftsminister Robert Habeck äußert sich im Polit-Talk „Anne Will“ im Ersten zu dem Streit über das Heizungsgesetz. 

Berlin - Ist das noch Ampel oder schon Regierungskrise? Wirtschaftsminister Robert Habeck sitzt im TV-Talk „Anne Will“ zum Einzelgespräch und wirkt dabei auf verlorenem Posten. Zu guter Letzt bekommt der Minister auch noch vor laufender Kamera Nachhilfeunterricht von zwei Experten in Sachen Regierungsführung. Habeck wirkt nicht glücklich in seiner Haut, der die gesamte Sendung am Ende seiner Sesselkante sitzt. 

Moderatorin Anne Will gibt Robert Habeck noch den entscheidenden Hinweis, als es um die Affäre des Staatsministers Patrick Graichen und den Vorwurf der Vetternwirtschaft geht: „Was Sie machen, ist die Opferrolle zu nehmen, das steht einem dann nicht mehr so gut, oder?“ Doch Habeck scheint in seiner Rolle gefangen: „Ich bin auch nicht zufrieden mit der Bundesregierung“, befindet er live in der Sendung nur kurz darauf. Sie habe „nicht geglänzt“, sagt der Minister ohne Scham frei heraus. Sein größter Fehler, so Habeck dann weiter, sei es gewesen, sich keinen Moment eingeräumt zu haben, um „einmal kurz innezuhalten“.

„Anne Will“ - diese Gäste diskutierten mit:

  • Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz)
  • Veronika Grimm (Wirtschaftswissenschaftlerin)
  • Wolfgang Merkel (Politikwissenschaftler und Demokratieforscher)

Habeck gesteht bei „Anne Will“ ein, ihm sei die Kommunikation nicht gelungen

Schließlich gibt er zu, ihm sei „die Kommunikation nicht so gelungen“, doch führt fast beiläufig wirkend aus: „Das Gesetz natürlich auch nicht“. Er ergänzt später noch, Deutschland werde seine gesetzlich verankerten Klimaziele „sowieso nicht“ erreichen. Habeck zeigt sich zerknirscht, dass das Gesetz nicht als „Beitrag zur Krisenbewältigung empfunden und dankbar empfangen wurde“. 

Verspielt die Ampel das Vertrauen und die Zustimmung des Volkes für mehr Klimaschutz, lautet die zentrale Frage des Polit-Talks unter dem Titel „Heizungsstreit und Ampel-Frust – Ist die Regierung noch handlungsfähig?“. Anne Will zitiert die Zahlen von ARD-Deutschlandtrend: 20 Prozent der Bundesbürger sind mit der Regierungsarbeit derzeit zufrieden.

Um die fehlende Zustimmung innerhalb der Ampel von Robert Habeck zu verdeutlichen, spielt Anne Will dem Minister die Frotzeleien von Finanzminister Christian Lindner und Bundeskanzler Olaf Scholz von der „62. Seeheimer Spargelfahrt“ der vergangenen Woche vor. Zu der Berliner Wannseefahrt an Deck eines Schiffes mit 600 Gästen, vornehmlich aus der Wirtschaft, war ausgerechnet der Wirtschaftsminister Robert Habeck nicht im Programm vorgesehen gewesen. Scholz spricht dort süffisant von einem „Ruckeln“ in der Regierung, Linder macht sich freimütig lustig über Habeck.

Anne Will spielt Habeck die Frotzeleien von Lindner vor und fragt: Finden Sie das witzig?

„Finden Sie das auch witzig?“, befragt Will mit ernstem Ton Habeck. Der lächelt die Frage tapfer weg, doch seine Hände verraten seine Anspannung: „Wenn die Kollegen sich freuen, freue ich mich auch“, befindet Habeck. Doch Will lässt nicht locker: „Wirklich?“, hakt sie ungläubig nach und gibt Habeck den Wink mit dem Zaunpfahl: „Fehlt Ihnen da manchmal im Vergleich die Rücksichtslosigkeit, die Abgebrühtheit eines Christian Lindners oder eines Bundeskanzlers?“ Der Minister kippt in seinem Stuhl noch ein Stück nach vorne, aber bleibt seiner Rolle treu: „Wahrscheinlich werden da noch ganz andere Reden gehalten. Keine Ahnung …“, nuschelt er.

Harsch war die Kritik bundesweit am Gesetzesentwurf rund um das Gebäudeenergiegesetz, der am Anfang noch in Zusammenarbeit mit Bauministerin Klara Geywitz (SPD) erfolgte. Habecks Fehleinschätzungen hinsichtlich der Zustimmung innerhalb der Bevölkerung und die Verfehlungen in seinem Ministerium fielen dem Minister auf die Füße. Vertrauen verspielte vor allem der erzwungene Rücktritt von Graichen, einem der wichtigsten Männer in Habecks Stab, dem Vetternwirtschaft zur Last gelegt worden war.

Politikwissenschaftler Merkel gibt Habeck bei „Anne Will“ Nachhilfeunterricht

Der SPD-nahe Politikwissenschaftler Prof. Wolfgang Merkel versucht es mit einer Nachhilfestunde in Sachen Politik und spricht mit seiner offenen Kritik Robert Habeck direkt an: Die Erwartungen der Grünen sei, „ihre Politik so schnell wie möglich“ aus moralischen Gründen durchzusetzen. Doch damit, so der Experte, stellten sie sich „selbst eine gewisse ‚Moralismusfalle‘, die sie zum Tempo zwingt“ - im Zweifel auch ohne den Rückhalt in der Bevölkerung. Ob diese „dann mitmacht“, mahnt der Professor eindringlich, „gerät etwas aus dem Blick“. Doch mit diesem Motto, ist sich Merkel sicher, lasse sich die „klimapolitische Wende nicht durchhalten“. Der Professor weiter: „Wenn wir wissen, dass die Klimapolitik mit vielen Lasten einhergeht, dann muss man mehr auf die Bürger zugehen!“

Auch das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Prof. Veronika Grimm, warnt: „Wir werden einen Wohlstandsverlust hinnehmen müssen.“ Bei der derzeitigen „Neuordnung der Welt“ seien wir in einer „ganz, ganz schweren Situation“, uns einerseits gegen Gefahren, die auf uns zukommen können, abzusichern und gleichsam die Umwandlung der Wirtschaft voranzutreiben. Aufgabe der Politik muss es sein, in einer Zeit, „wo nicht mehr das Wachstum so sprudelt“, den Menschen klarzumachen, „dass es Einschnitte geben muss“. Die Auswirkungen seien dramatisch, werde hier die Verantwortung nicht gesehen, warnt Professor Merkel. Schon jetzt werde es „lange dauern“, bis das Vertrauen der Regierung wieder aufgebaut werden könne, prognostiziert er.

Fazit des „Anne Will“-Talks

Robert Habeck hatte große Zeiten, doch diese scheinen vorbei. Auch in der Sendung konnte der Wirtschaftsminister nicht überzeugen. Die Kritik an der Bundesregierung, dessen Teil er ist, wirkte befremdlich. (Verena Schulemann)

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