Grünen sozialer als die SPD?

Rot-grüner Ampel-Knatsch um Bürgergeld-Sanktionen: Verfassungswidrig oder „maßlos überschätzt“?

  • VonLisa Mahnke
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Die Ampelregierung debattiert über Bürgergeld-Streichungen. Kritik kommt ausgerechnet von den Grünen. Die Sanktionen seien verfassungswidrig.

Berlin – Normalerweise ist es die SPD, die in der Ampel-Regierung soziale Themen für sich beansprucht. In der Debatte um die von Hubertus Heil (SPD) ins Spiel gebrachten Bürgergeld-Streichungen positionieren sich aber ausgerechnet die Grünen als die sozialere Option. Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch hält den Vorschlag für möglicherweise verfassungswidrig.

Es gehe um „Sanktionsmöglichkeiten gegen Totalverweigerer“, hatte Heil jüngst erklärt. Der SPD-Politiker forderte: Das Jobcenter soll Bürgergeld-Bezüge zukünftig bis zu zwei Monate streichen dürfen, wenn die Arbeitsaufnahme langfristig verweigert wird. Das Geld würde in dem Streichungszeitraum komplett ausbleiben, so der Gesetzentwurf vom 28. Dezember 2023. Auch Weiterbildungsboni für Ausbildungen ohne Berufsabschluss sollen für Haushaltseinsparungen gekürzt werden.

Bürgergeld-Sanktionen – Grüne sehen verfassungsrechtliche Hürden

Im Jahr 2019 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass Bürgergeld-Sanktionen nur bis zu einer Höhe von 30 Prozent zulässig sind. „Diese Sanktionshöhe gibt es schon jetzt im Bürgergeld“, sagte Andreas Audretsch der Rheinischen Post. Wenn das Urteil von 2019 auch für die Bürgergeld-Streichungen von Heil greifen würde, wären der Entwurf also verfassungswidrig. Auch auf die Sicherung des Existenzminimums, ebenfalls im Gerichtsurteil festgehalten, bestand der Grünen-Politiker.

An das Urteil des Bundesverfassungsgerichts müsse man sich halten: „Diese Vorgaben sind Grundlage unserer Verhandlungen, darauf prüfen wir den Vorschlag der Bundesregierung nun im parlamentarischen Verfahren genau.“ Das Bundesarbeitsministerium argumentierte zuletzt mit einer Sonderregelung, die eine vollständige Streichung verfassungsrechtlich zulässig mache.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will Bürgergeldbezieher härter bestrafen, wenn diese Jobangebote ausschlagen.

„Kein leistungsloses Grundeinkommen“ – SPD-Abgeordneter Stegner stärkt Heil den Rücken

„Das Bürgergeld ist kein leistungsloses Grundeinkommen“, sagte Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner (SPD) gegenüber der Rheinischen Post. „Die Menschen, die jeden Tag hart arbeiten und Steuern und Sozialabgaben zahlen, hätten kein Verständnis dafür, dass Bürgergeld-Empfänger, die nicht arbeiten wollen, keine Konsequenzen fürchten müssen“, führte Stegner weiter aus.

Lediglich die Wohnkosten sollen vom Staat innerhalb der bis zu zweimonatigen Sanktionsperiode bezahlt werden, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Stegner betonte, er finde die Änderungen „richtig und vertretbar“. Da die Sanktionen ohnehin nur einen kleinen Teil der Bürgergeld-Beziehenden beträfen, seien die Änderungen „maßlos überschätzt“, so der SPD-Abgeordnete.

Sanktionen bekommen Rückhalt aus der Opposition – Uneinigkeit in der SPD

Harsche Kritik an den Plänen des Arbeitsministers folgte zuletzt aus den Reihen der Jusos und des linken Parteiflügels. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff stellte sich im Spiegel gegen die Idee, das Haushaltsloch „bei den Schwächsten zu kompensieren“.

In der Opposition fand der Heil-Vorschlag jedoch Zustimmung: „Das Bürgergeld setzt falsche Anreize“, erklärte der CDU-Haushaltsexperte Christian Haase dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Man brauche „weniger Hängematte, mehr Fordern und Fördern“. Haase erklärte, Hubertus Heil sei „etwas mehr in der Realität angekommen“. Rückendeckung erhielt der Arbeitsminister auch aus der FDP. Fraktionschef Christian Dürr verteidigte die Pläne im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Sanktionen für Jobverweigerer zu verschärfen. „Wer zumutbare Arbeit ablehnt, kann nicht erwarten, dass andere, die jeden Morgen zur Arbeit gehen, dauerhaft für ihn aufkommen“, sagte Dürr. (AFP/LisMah)

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