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Ampel-Knall: Paus rechtfertigt Machtkampf mit Lindner – „Ist mein Job“
VonStephanie Munk
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Grünen-Familienministerin Paus blockiert ein Gesetz von Finanzminister Lindner und pulverisiert damit den Ampel-Frieden. Jetzt geht es um Schadensbegrenzung.
Berlin – Nach der Sommerpause muss alles besser werden: Das verordnete sich die Ampel-Koalition nach ihrem Dauer-Zoff im Frühsommer rund ums Heizungs- und Asylgesetz. Doch am Mittwoch (16. August) löste Familienministerin Lisa Paus (Grüne) die neueste Zerreißprobe aus: Sie ließ ein Gesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorerst platzen.
Paus legte ihr Veto gegen das „Wachstumschancengesetz“ von Lindner ein. Und das, obwohl es zuvor mit dem Ressort von Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck abgestimmt worden war. Hintergrund ist offensichtlich ein Streit mit Lindner über die Finanzierung der Kindergrundsicherung, für die Paus mehr Geld fordert.
Grüne Minister-Blockade als normaler Vorgang? Ampel will Schaden begrenzen
Am Tag nach diesem neuen Ampel-Knall bemühte sich die Regierung um Schadensbegrenzung. Paus klang in einem Interview mit der Welt eher kleinlaut, als sie von einem Betrag „von zwei bis sieben Milliarden Euro“ für die Kindergrundsicherung sprach. Dabei forderte sie ursprünglich zwölf Milliarden Euro für ihr Vorzeigeprojekt, mit dem sie Millionen Kinder aus der Armut holen will.
In der von Lindner vorgelegten Finanzplanung für 2025 ist bisher ein „Platzhalter“ von zwei Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung enthalten. Sein Wachstumschancengesetz sieht dagegen sechs Milliarden an Steuererleichterungen für Unternehmen vor. Zwei Milliarden für Familien, sechs Milliarden für Unternehmen – obwohl Paus dieser Relation Anfang Juli beim Etatentwurf bereits zugestimmt hatte, wollte sie das offenbar plötzlich nicht mehr mittragen und legte am Mittwoch ihr Veto ein.
Lindner stand danach einigermaßen blöd da: Einen für Donnerstag angesetzten Termin, in dem er sein Gesetz der Presse erläutern wollte, musste der FDP-Chef kurzfristig absagen. Ziel der Koalition ist es nun, das Wachstumsgesetz bei der Kabinettsklausur in Meseberg Ende August zu beschließen.
Blockade von Lindner: Grüne Paus weist Vorwurf der Erpressung von sich
Vorwürfe von FDP-Vize Wolfgang Kubicki, Paus wolle Lindner erpressen, weist die Grünen-Ministerin jedoch von sich: „Ich halte nichts davon, wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen oder höhere Verteidigungsausgaben gegen mehr Mittel für armutsbedrohte Familien auszuspielen“, sagte sie der Welt. „Als Familienministerin trete ich selbstverständlich für Familien ein“, so die 54-Jährige. „Das ist mein Job und meine Überzeugung.“ Dass es innerhalb der Koalition zu „Verteilungskonflikten“ komme, gerade wenn gespart werden müsse, sei normal.
Auch die Bundesregierung mühte sich, die Blockade eines Ministers durch eine andere Ministerin als normalen Vorgang darzustellen. Kanzler Olaf Scholz spielte die Sache bereits am Mittwoch (16. August) herunter, mit dem lapidaren Kommentar: „Wir beschließen noch in diesem Monat ein Wachstumschancengesetz“. Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann erklärte am Donnerstag, es sei „eine Selbstverständlichkeit“, dass über wichtige Gesetzesvorhaben gerungen werde, sie sehe zudem „einen sehr sachlichen Ton in der Auseinandersetzung“.
„Dann schreie ich“: sarkastische Kommentare aus der Koalition zum Lindner-Paus-Streit
Jedoch gibt es in der Koalition durchaus bissige Töne über den erneuten Ampel-Zoff. „Familienministerin Paus sind 20 Prozent für die AfD in Umfragen noch zu wenig“, kommentierte der FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Teutrine sarkastisch auf Twitter. Der SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff schrieb: „Wenn ich das Wort Kindergrundsicherung noch mal höre oder lese, ohne Konzept und Finanzierung, schreie ich.“
Auch aus den höheren Parteiebenen kam scharfe Kritik: SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte in der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv: „Die Art und Weise, wie dort gestern gearbeitet worden ist, entspricht nicht meinen Vorstellungen von einer guten Koalition.“ Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Johannes Vogel forderte von den Grünen, sie müssten sich „sortieren“. Paus müsse zudem „endlich mal“ ein konkretes Konzept zur Kindergrundsicherung vorlegen. Sie könne nicht einfach „abstrakt mehr Geld“ verlangen. Die Familienministerin sagte unterdessen der Welt, ihr Konzept sei „sehr weit gediehen“.
Kabinett Scholz: Nach dem Ampel-Aus kommt Rot-Grün ohne Mehrheit
Paus und Lindner im Ampel-Clinch: Opposition spricht von „geballter Regierungsunfähigkeit“
Mit Kritik um sich wirft angesichts des Eklats die Opposition: „Offensichtlicher kann man geballte Regierungsunfähigkeit und mangelnden gemeinsamen Regierungswillen kaum zur Schau stellen“, sagte Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, der Augsburger Allgemeinen.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann wies Scholz eine Mitschuld am Ampel-Dauerzoff zu. „Die Bürger und Unternehmen erwarten völlig zu Recht vom Bundeskanzler, dass er endlich die Führung übernimmt, die er versprochen hat, und unser Land nach vorne bringt“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Grünen-Politiker verteidigen Paus‘ Veto gegen Lindner
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch verteidigte dagegen Paus‘ Blockade des Wachstumschancengesetzes. Es sei „völlig richtig“ von der Familienministerin, darauf zu pochen, „dass das, was ja beides gemeinsam vereinbart ist mit der Kindergrundsicherung, dann auch tatsächlich Realität wird“, sagte er im Deutschlandfunk.
Grünen-Bundestagsabgeordnete Katharina Beck unterstrich im MDR, sie halte die Verknüpfung des Wachstumschancengesetzes mit der Kindergrundsicherung für „unglücklich“. Jedoch gebe es durchaus noch „Fragezeichen“ bei Lindners Gesetz.(smu)