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Am Ende ihrer Haushalts-Vorträge schauen Habeck und Scholz auch auf Lindner – und werden pathetisch
VonHannes Niemeyer
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Die Ampel hat sich auf einen Haushalt 2025 geeinigt – die Gräben sind jedoch wohl weiterhin tief. Scholz und Habeck werden bei der Verkündung pathetisch.
Als „Einstieg in die Wirtschaftswende“ feierte etwa Finanzminister Christian Lindner (FDP) die neuen Pläne. Kritik kommt derweil nicht nur aus der Union wie etwa von Markus Söder, der die Einigung als „verschobenen K.o.“ für die Ampel sah, sondern auch aus den eigenen Reihen. Jedenfalls war man in Reihen der SPD und FDP wohl weniger begeistert von Lindners „Einmauer“-Taktik zum Haushalt. Und die Rahmenbedingungen sowie auch der Auftritt auf der Pressekonferenz lassen vermuten, dass die Verhandlungen alles andere als einfach waren.
Scholz, Lindner und Habeck verkünden den Haushalt 2025 – Einstieg des Kanzlers amüsiert
Am Freitag um 11 Uhr traten Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck gemeinsam mit Lindner vor die Presse. Die kurze, wohl schlaflose Nacht war den drei Spitzen der Regierung durchaus anzusehen, sie alle machten zugleich auf der Pressekonferenz auch kein Geheimnis daraus. „Schlaf wird überschätzt“, begann auch Scholz seine Ausführungen zum Haushalt. Seine scherzhafte Begründung, wieso man die Einigung noch am Freitag, in der Früh durchziehen musste: Man habe „unbedingt“ vor dem EM-Viertelfinale Deutschlands gegen Spanien fertig sein wollen. Neben den dann folgenden Details und Inhalten zur Einigung wurde die Vorstellung der Pläne aber auch ungewöhnlich persönlich und pathetisch – und das gleich mehrfach.
„Wir haben es uns bestimmt nicht leicht gemacht“, gibt Scholz das Offensichtliche wider. Dann blickt er rüber in Richtung Habeck und vor allem Lindner: „Mit bald drei Jahren in dieser Koalition, wenn ich das hier so sagen darf: Wir machen es uns wirklich nicht immer leicht. Wir ringen hart um die Sache und wir suchen Kompromisse. Manchmal die halbe Nacht, manchmal die ganze Nacht“, erklärt der Kanzler, „weil die Alternative dazu eben keine Alternative ist: Die Nerven zu verlieren, hinzuschmeißen oder vor der Verantwortung wegzulaufen“. Dafür hätte er als Kanzler „keinerlei Verständnis und die Bürgerinnen und Bürger schon zwei Mal nicht“. Deutschland solle stattdessen ein „Stabilitätsanker“ im schwankenden Europa sein – damit spielt er auch auf die ersten Ergebnisse der Frankreich-Wahl an.
Haushaltsfrage geklärt – jedoch nicht ohne Streit: Habeck und Scholz werden bei Haushalt 2025 pathetisch
In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Habeck zum Abschluss seiner Ausführungen. „Wenn man im Kanzleramt zusammensitzt und über die Papiere gebeugt ist, wenn man mitunter erstmal lernen muss, warum das Gegenüber folgende Sichtweise hat, dann scheint einem das Problem, das man gerade zu lösen hat – eine Lücke von soundsovielen Milliarden Euro – das Zentrum der Welt zu sein“, wird auch der Grünen-Minister pathetisch. Häufig denke man, führt Habeck weiter aus, wenn „das Gegenüber sich weiter so halsstarrig anstellt, dann geht das hier nicht weiter“ – eine Anspielung auf Lindners Blockaden im Vorfeld? „Ich glaube, diesen Gedanken hatten wir alle drei zwischendurch zwischen uns mal“, relativiert er noch.
Der Haushalt sei „wichtig für Deutschland, aber das Zentrum der Welt ist er nicht“, stellt Habeck noch klar. Während man verhandelt habe, gäbe es weiterhin Krisen in der Welt. Auch die Neuausrichtung durch die Wahl in Frankreich stelle Europa vor Herausforderungen, der Wahlkampf in den USA nehme gerade ebenfalls Fahrt auf. „Wir haben also dauernd auch die Verpflichtung, nicht leichtfertig Dinge zu überhöhen“, stattdessen wolle man auch mit dem Haushalt auch ein „Ort der Verlässlichkeit“ in Europa sein. Das gelte es festzuhalten, „bei all den Berichten, wer mal wie gerade grimmig guckt oder wo man sich über eine halbe Milliarde hier oder da mal nicht geeinigt hat“.
Kabinett Scholz: Nach dem Ampel-Aus kommt Rot-Grün ohne Mehrheit
Scholz und Habeck überraschen mit Ehrlichkeit – auch Lindner erwähnt „sportive Gespräche“
Und sogar Christian Lindner, bereits gescholten als der „Einmauerer“ in den Verhandlungen, greift den Faden direkt zu Beginn seiner Ausführungen auf. Man habe „sportive Gespräche“ geführt, die letzten Wochen seien „besonders intensiv“ gewesen. Das habe auch mit den äußeren Rahmenbedingungen zusammengehangen. Auch die „Bewertungsunterschiede“ innerhalb der Koalition spielten da eine Rolle.
Pathetisch, moralisch und indirekt auch ein wenig persönlich: Die Haushaltsvorstellung hebt sich allein deshalb bereits von den letzten gemeinsamen Auftritten der Dreierrunde bezüglich entsprechender Themen ab. Machte man zuletzt noch stets auf geschlossen, vermittelte den „wir haben uns nicht nur zusammengerauft, wir funktionieren“-Eindruck, so zeigte die Runde sich nun eher von einer neuen Seite. Eine verletzlichere, brüchigere Seite, mehr bedacht auf das Zeigen, dass es offensichtlich eben Reibungen und Schwierigkeiten untereinander gibt. Ein Pathos, der vermitteln soll, dass die Gräben durchaus tief sein können. Allerdings auch, dass es mit Blick auf Deutschland Größeres als einen Streit unter Spitzenpolitikern gibt – und es auf das Ergebnis ankommt. (han)