Versprechen an Spitzenverdiener
Christian Lindner kündigt „Turnaround“ beim Bürgergeld an: „Brauchen mehr Anstrengung und Leistung im Land“
VonPeter Siebenschließen
Bei einem Unternehmerkongress klagte Finanzminister Lindner über eine „fehlgeleitete Sozialpolitik“. Er kündigte die Entlastung von Spitzenverdienern an – und machte ein Energie-Versprechen.
Düsseldorf – Für Christian Lindner können Dornen bekanntermaßen Chancen sein – es sei denn, er hat sie im Auge. Wenn Menschen zum Beispiel mit 63 in Rente gehen wollen, dann ist ihm das ein „Dorn im Auge“, sagte der Bundesfinanzminister und FDP-Politiker am Donnerstag beim Unternehmertag in Düsseldorf.
Christian Lindner will Bürgergeld einem „Update“ unterziehen
Einmal im Jahr lädt der Verband Unternehmer NRW Politprominenz und Unternehmensvertreter in die altehrwürdigen Rheinterrassen ein, wo sie mit freiem Blick auf den großen Fluss über die Lage der Wirtschaftsnation sinnieren können. Das Kernthema in diesem Jahr: der Wert von Arbeit sowie Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. „Wer arbeitet, der muss mehr haben als jemand, der nicht arbeitet“, sagte der frisch wiedergewählte Unternehmer-NRW-Chef Arndt Kirchhoff in seiner Begrüßung – auch mit Blick aufs Bürgergeld. Klingt ein bisschen nach Allgemeinplatz, und der Finanzminister verwertete ihn gern weiter. „Ich greife das auf, lieber Arndt Kirchhoff, dass Arbeit kein Makel und kein lästiger Umstand ist“, sagte Lindner – und war damit beim Thema Sozialpolitik, die aus seiner Sicht aktuell „fehlgeleitet“ sei.
Deutschland brauche dringend einen „schnellen Turnaround“, sonst sei es international bald abgehängt. „2014 war unser Land im globalen Standort-Ranking auf Platz sechs. Und nun sind wir angekommen auf Platz 22.“ Das liege auch daran, dass in den letzten Jahren zu viel über Themen wie eine Rente mit 63 oder eine Viertagewoche diskutiert worden sei.
Ein Themenfeld, dass der Minister sichtlich gut gelaunt mit der Polemikkeule bearbeitete: „Ich verfolge einen Diskurs in unserem Land, wo es um die Abschaffung der Ziffernote geht.“ Kunstpause. „Da wird infrage gestellt, ob man im Nachwuchsfußball auch Tore zählen soll. Bei den Bundesjugendspielen gibt es keine Leistungsfeststellung mehr.“ Kunstpause – und dann die Quintessenz: „Es hat aber noch niemals in der Welt gelingen können, dass eine Gesellschaft ihren Wohlstand dadurch erhält oder mehrt, dass sie sich weniger anstrengt oder weniger arbeitet“, so Lindner, der baldige Reformen beim Bürgergeld ankündigte. „Wir werden von den Arbeitsregeln bis zur Sanktionierung das Bürgergeld in den nächsten Wochen einem Update unterziehen müssen.“
Lindner will Solidaritätszuschlag abschaffen: „Spitzenqualifikation darf nicht mit Strafsteuer belegt werden“
Dabei gehe es ihm nicht um böse Unterstellungen gegen Empfänger von Sozialleistungen, betonte Lindner. „Wenn ich über eine Bürgergeldreform spreche, dann nicht, weil ich schlecht von Menschen denke, sondern weil ich groß von Menschen denke. Ich will ihnen nämlich Lebenschancen eröffnen.“ Arbeit sei ja nicht nur eine Quelle von Einkommen, „sondern auch von Lebenssinn“.
Den Unternehmern im Saal versprach der FDP-Politiker Bürokratieabbau und Entlastungen. Zum Beispiel durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Den zahlen seit drei Jahren nur noch die oberen acht Prozent in Deutschland: Ab einem jährlichen Einkommen von 96.820 Euro wird er fällig. Die Gutverdiener bräuchten Entlastung, um investieren zu können: „Der Solidaritätszuschlag wird von denen bezahlt, die unternehmerische Risiken tragen oder die eine herausragende Qualifikation haben“, sagte Lindner und setzte zur rhetorischen Frage an diejenigen im Saal an, die betroffen sind: „Jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren, wenn wir mehr Wachstum in Deutschland haben wollen, was brauchen wir denn anderes, als die Bereitschaft, privates Kapital zu investieren und herausragende Qualifikation?“ Spitzenqualifikation dürfe nicht länger mit einer Strafsteuer belegt werden. Dafür gabs den erwartbaren Applaus.
Klagen wegen zu hoher Energiekosten
Ein großes Thema bei vielen Unternehmern sind unterdessen die Energiepreise. Gerade energieintensive Unternehmen klagen über Schwierigkeiten wegen zu hoher Kosten. Christian Lindner versprach implizit Abhilfe. „Das überragende Regulierungsziel unserer Energiepolitik war zuletzt die Dekarbonisierung. Ich bekenne mich dazu. Aber neben der Dekarbonisierung in der Energiepolitik müssen auch wieder die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit des Preisniveaus treten.“ Er wolle klären, „wie wir sicher und bezahlbar in neue Technologien einsteigen können“. Wichtig sei Technologieoffenheit: „Es ist nicht die Politik, die die Fähigkeit und die Kompetenz hat, zu erahnen, welche Wirtschaftsstrukturen auf Dauer wettbewerbsfähig sind.“
