SPD-Wahl

„Ändere deinen Kurs, Olaf“: Neuer Juso-Chef aus Offenbach schießt scharf gegen Kanzler Scholz

  • Niklas Hecht
    VonNiklas Hecht
    schließen

Die Jugendorganisation der SPD hat einen neuen Vorsitzenden. Der Offenbacher Philipp Türmer geht auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung und zur Mutterpartei.

Offenbach - Der neue Chef der SPD-Jugendorganisation kommt aus Offenbach. Die Jusos wählten Philipp Türmer am Freitag (17. November) auf ihrem Bundeskongress in Braunschweig mit einer knappen Mehrheit von 54 Prozent der gültigen Stimmen zu ihrem neuen Vorsitzenden. Türmer setzte sich gegen die 31-jährige Sarah Mohamed aus Bonn durch. Der 27-jährige Offenbacher, der bisher schon Juso-Vize war und neben seinem politischen Engagement an der Goethe-Universität in Frankfurt derzeit im Fach Jura promoviert, gilt als kritisch und links. Es brauche wieder „laute, eigenständige, kurz mutige Jusos“, sagte er.

Worte, die darauf hindeuten, dass sich die SPD auf einen neuen, konfrontativen Kurs ihrer Jugendorganisation einstellen muss. Kanzler Olaf Scholz ging Türmer am Freitag frontal an: „Falls dich in deiner Burg, in deinem Berliner Kanzleramt noch irgendetwas erreicht, falls du dich noch daran erinnerst, für welche Partei du angetreten bist, ändere deinen Kurs“, forderte Türmer von Scholz, der dem Juso-Bundeskongress fernblieb. Der Kanzler müsse den Kampf gegen Armut und für Verteilungsgerechtigkeit endlich zur Chefsache machen.

Philipp Türmer, Kandidat Jusos-Bundesvorsitzender, hält beim Bundeskongress der Jungsozialisten (Jusos) seine Bewerbungsrede.

Neuer Juso-Chef Philipp Türmer kommt aus Offenbach

Statt Lösungen zu liefern, polemisiere Scholz etwa in der Migrationspolitik. Der Bundeskanzler hatte im Spiegel Abschiebungen „im großen Stil“ in Aussicht gestellt. Aber mehr Geld für Wohnungen, Infrastruktur und Bildung helfe den Kommunen viel mehr, argumentierte Türmer. „Traut Euch wieder, sozialdemokratische Politik zu machen und hört auf, die Werte dieser Bewegung zu verraten“, forderte er. Die Sozialdemokratie dürfe niemals nach unten treten.

Welchen Weg Türmer mit den Jusos einschlagen will, skizzierte er vor einigen Wochen im Gespräch mit der Offenbach-Post: „In der Vergangenheit ist es uns immer wieder gelungen, breite gesellschaftliche Debatten anzustoßen. Die Jusos sind auch Jugendbewegung auf der Straße. Da müssen wir wieder stärker hin.“ Seinen Blick für soziale Missstände hänge auch mit seiner Heimatstadt zusammen. „Wer in dieser Stadt lebt, hat die Ungerechtigkeit und Ungleichheit unserer Gesellschaft jeden Tag vor Augen“, sagte der 27-jährige Offenbacher, der bei der SPD-Jugendorganisation die Nachfolge der Bundestagsabgeordneten Jessica Rosenthal antritt.

Offenbacher Türmer muss Jusos wieder einen

Rosenthal, die ein Kind erwartet und den Juso-Vorsitz daher vorzeitig abgibt, stand für einen deutlich ruhigeren Kurs als ihr Vorgänger Kevin Kühnert. Unter dem heutigen SPD-Generalsekretär hatte die Jugendorganisation immer wieder innerparteiliche und gesellschaftliche Diskussionen angestoßen. Insbesondere seit der Bundestagswahl 2021 war es auffallend still um die Jungsozialisten geworden – was wohl auch daran liegt, dass 49 Jusos in den Bundestag einzogen und sich nicht mehr ganz so frei und kritisch äußerten.

Die 31-jährige Rosenthal zeigte sich dennoch zufrieden mit ihrer Bilanz als Juso-Chefin: „Wir haben deutlich gemacht: Es reicht uns nicht, dass andere über unsere Zukunft entscheiden. Wir wollen mitentscheiden“, sagte sie. Forderungen der Jusos hätten sich auch im Koalitionsvertrag wiedergefunden: die Abschaffung des Paragrafen 219a, die Cannabis-Legalisierung, die Einführung des Bürgergelds oder die Ausbildungsplatzgarantie.

Neben einer kommunikativen Neuaufstellung dürfte eine der ersten Aufgaben von Juso-Chef Türmer sein, den Jugendverband nach einem harten Wahlkampf um den Vorsitz wieder zu einen. Er und Sarah Mohamed wurden von unterschiedlichen Landesverbänden unterstützt, die auf dem Bundeskongress in Braunschweig lautstark für ihre Kandidaten warben. Nach Bekanntgabe des Ergebnisses zeigten sich Unterstützer von Mohamed enttäuscht. Auf den jungen Offenbacher kommt einiges an Arbeit zu. (nhe/dpa)

Rubriklistenbild: © Moritz Frankenberg/dpa

Mehr zum Thema