„Es geht um alles“
Rund 450 Handwerker demonstrieren mit Autokorso gegen Ampelregierung
VonKerstin Biehlschließen
„Wir müssen etwas machen“ – so lautete der Entschluss der beiden Obermeister der Sanitär-, Heizung- und Klimainnung (SHK), als sie an Neujahr telefonierten. Dass das, was Berik Schnabl und Timo Fichtl in der Folge auf die Beine stellen, so groß werden wird, hätten die beiden Hammersbacher Handwerker nicht gedacht.
Hanau – „Vielleicht haben wir gehofft, geträumt, dass so viele kommen. Aber heute sind wir schon ziemlich baff. 300 Fahrzeuge waren es bestimmt, vielleicht sogar ein paar mehr“, schätzen sie die Teilnehmerzahl des Autokorsos, der sich als Demonstrationszug am Vormittag durch die Innenstadt von Hanau zieht. An jedem Fahrzeug links und rechts kleine weiße Fahnen mit dem Aufdruck einer Ampel und dem Wort Stopp. Die Botschaft ist eindeutig: eine Unzufriedenheit mit der Regierung auf breiter Linie.
Nicht nur Vertreter der Heizungs- und Sanitärberufe sind nach Hanau gekommen, um sich in den Korso einzureihen. Firmenfahrzeuge von Dachdeckerbetrieben fahren mit, große Lkw von Bau- unternehmen, Garten- und Landschaftsbauer sind dabei, Maurer, Tischler, Elektriker. Sie kommen aus Hanau, dem Kreis, aber auch aus der Wetterau, dem Vogelsberg oder aus dem Rodgau.
Die Frage, warum sie hier ist, beantwortet eine Teilnehmerin (sie möchte, wie viele der anderen Teilnehmer, namentlich nicht genannt werden) so: „Die Ampel muss weg. Das hat doch nichts mehr mit regieren zu tun. Wir werden nur noch gemolken.“ Und weiter: „Die Regierung agiert nicht zum Wohl des Volkes.“
Hupend und unter dem Motto „Handwerk steht zusammen“ ging es für die Autoschlange, die noch am Sonntag seitens der Stadt mit rund 50 Fahrzeugen angekündigt wurde, vom Industriegebiet Hanau-Nord über Nordwest und Kesselstadt bis zur August-Schärttner-Halle. Die Reaktion von Passanten? „Zu 99 Prozent positiv“, sagt Berik Schnabl. „Klatschen oder Daumen nach oben.“ So auch an der Schärttner-Halle. Ein Mann, der auf dem Fahrrad unterwegs ist, hält an, lässt den Korso passieren, sagt: „Es ist gut und richtig, was die machen. In Deutschland läuft vieles in eine falsche Richtung.“
Viele der teilnehmenden Fahrzeuge haben, außer den kleinen Ampel-Stopp Fähnchen, auch Transparente angefertigt, die an den Transportern befestigt sind. „Lieber Brot und Bauern als Grün und unfähig“ steht darauf, oder „Weil Ideologie und Dummheit uns regieren, kann Handwerk nicht mehr funktionieren“ oder auch „Die Ampel tötet die Wirtschaft“, dazu ein Kreuz, an dem ein Skelett hängt.
Dabei betonen die Demonstranten, sich mit den Bauern solidarisch zu zeigen. Aber: „Es geht um mehr, es geht um alles“, sagt Obermeister Schnabl. Er spricht die Klein-Lkw-Maut an, das Heizungsgesetz, spricht von Kunden, die Handwerksaufträge zurückstellten, weil das Geld knapp ist. „Bürger können sich einen Handwerker nur noch schwer leisten“, sagt der 52-Jährige. Die neuen Bestimmungen gingen an der Menschlichkeit und der Realität vorbei. Das sei der Grund, warum sich die beiden Obermeister entschieden hätten, den Demonstrationszug zu organisieren. Über soziale Medien habe sich die Idee schnell verbreitet, und immer mehr hätten ihre Teilnahme zugesagt.
Die Organisatoren sind froh, dass alles, trotz der großen Teilnehmerzahl, geordnet abgelaufen ist. „Ein riesen Dank an alle, die da waren – und an die Polizei“, so Fichtl, der den friedlichen Ablauf lobt. Ein Handout mit Regeln hatten sie extra angefertigt und vorab an die Teilnehmer verteilt. Darin stand etwa, dass im Bereich des Vinzenz-Krankenhauses aufs Hupen verzichtet werden soll, dass die Demo eine völlig gewaltfreie sein soll, auch ohne Pöbelei und dass „Teilnehmer eines extremen Lagers“ nicht geduldet sind. „Die wollen wir nicht bei uns haben“, stellt Schnabl klar. 16 eigene Ordner hatten sie gestellt, dazu die Unterstützung von der Polizei. Diese zieht ebenfalls ein positives Resümee: 200 Fahrzeuge, rund 400 bis 450 Teilnehmer. „Es ist alles friedlich verlaufen“, so eine Polizeibeamtin, die gemeinsam mit drei weiteren Polizisten der Landespolizei, sowie 14 Stadtpolizisten den Demonstrationskonvoi begleitet hat. Von 8.30 bis zirka 12.30 Uhr sind die Fahrzeuge durch die Hanauer Innenstadt gefahren.
„Und das nächste Mal fahren wir nach Berlin“, ruft ein Teilnehmer Berik Schnabl aus dem Autofenster zum Abschied entgegen. Gibt es denn ein nächstes Mal? Schnabl und Fichtl schließen es nicht aus: „Wir geben es bekannt, wann es weiter geht.“
Von Kerstin Biehl

