Zentrale Trauerfeier
Angehörige und Freunde der Opfer, Ajla Kurtovic, Saida Hashemi und Kemal Kocak, sprechen über ihren Verlust und ihre Angst
VonYvonne Backhaus-Arnoldschließen
Am 4. März fand im Hanauer Congress Park die zentrale Trauerfeier für die Opfer des Terroranschlags statt. Hierbei sprachen neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auch Angehörige der Verstorbenen.
„Mein Hoffnungsschimmer“, sagt Saida Hashemi, ist mein Bruder Said Idris. Ihre Stimme ist klar, stark – und das, obwohl die junge Frau, deren Bruder Said Nesar Hashemi am 19. Februar am Kurt-Schumacher-Platz erschossen wurde, vor mehr als 600 Menschen auf der Bühne des Brüder-Grimm-Saals spricht – darunter der Bundespräsident, der Ministerpräsident.
Saidas Bruder Said Idris wurde an jenem 19. Februar schwer verletzt, er trägt eine Bandage unter der Jacke, sitzt unweit von Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Saida Hashemi hat am 19. Februar ihren Bruder verloren
„Hanau“, sagt Saida Hashemi, „hat Menschen verloren, die ihre Stadt geliebt haben, die Hanau als ihre Heimat angesehen haben.“ Die Angehörigen seien von Kesselstadt aus auf die Polizeiwache im Lamboy gebracht worden, erst am Morgen hätten sich ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
„Ich hörte das Schreien trauernder Eltern und das Schreien trauernder Freunde“, beschreibt die junge Frau mit den langen schwarzen Haaren und der schwarzen Brille den Moment. Auch der Name ihres Bruders war auf der Liste.
Alja Kurtovic, Hamzas Schwester, fand bewegende Worte
Saida Hashemi, die an diesem Abend im CPH mit seinen Worten genauso bewegt wie Kemal Kocak, Freund vieler der Opfer, und Ajla Kurtovic, die Schwester von Hamza Kurtovic, macht ihrer Trauer Luft, auch ihrer Enttäuschung über Falschmeldungen in den Medien, wo er nicht nur falsch geschrieben, sondern auch zum afghanischen Staatsbürger gemacht worden sei. „Dabei war er deutscher Staatsbürger, Hanauer. Und er war stolz, Hanauer zu sein.“ Informationen nicht einfach hinzunehmen, sie zu hinterfragen – das fordere sie.
Von Schmerz, Leere und Fassungslosigkeit sprach auch Ajla Kurtovic. Die junge Frau, deren 22-jähriger Bruder Hamza ebenfalls am Kurt-Schumacher-Platz erschossen wurde, erinnerte an ihn als freundlichen, herzlichen und liebevollen Menschen. „Sein erstes Azubi-Gehalt hat er an Menschen in Not gespendet.“ Sie sei unendlich traurig, dass er nie wieder lachend und fröhlich „durch unsere Haustür kommt“. Und trotz des Attentats in Hanau gebe es nach wie vor so viel Hass im Netz. „Das darf nicht sein“, appellierte die junge Frau an die Politik.
Kemal Kocak spricht von seinen Ängsten
„So eine schreckliche Tat darf sich nicht wiederholen.“ Dass die Familienangehörigen und Freunde gestern einen so großen Raum bekamen, war eine wunderbare Geste der Stadt, des Landes, der Organisatoren der Zentralen Trauerfeier.
„Es tut mir in der Seele weh. Ich verstehe nicht, wie so etwas passieren konnte in unserer Stadt“, erklärte Kemal Kocak. Der 45-Jährige, der ab und an im Kiosk seines Sohnes am Kurt-Schumacher-Platz ausgeholfen hat, beschreibt ein Gefühl der Angst, das seit jenem 19. Februar sein ständiger Begleiter sei. „Ich habe Angst, raus zu gehen. Ich habe Angst, dass meinen Kindern etwas zustößt.“
Taten müssten folgen, so Kocak
Der Vater von vier Kindern kannte viele der Opfer, sie waren seine Kunden - so wie Said Nesar Hashemi, der immer zwei Naschtüten und drei Capri-Sonnen im Kiosk kaufte. Oder Hamza, der ganz selten kam, aber ausgerechnet am 19. Februar da war. Die Politik müsse die Angst und die Sorgen endlich Ernst nehmen. „Ich kann keine Wörter mehr hören, ich will Taten sehen - gegen Hetze und Hass. Gestern Abend zuhause habe ich Angst gehabt, vom Wohnzimmer zum Schlafzimmer zu gehen, aber ich möchte keine Angst haben“, so Kocak.

