Arzt hält Schild mit der Aufschrift Ärztemangel in die Kamera
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Oft ist Geduld gefragt, wenn man einen Arzttermin vereinbaren möchte – weil es zu wenige gibt. (Symbolbild)

Praxen müssen schließen

Zu wenige Ärzte und Ärztinnen in Deutschland: Notfallplan startet in Baden-Württemberg

  • Nadja Katz
    VonNadja Katz
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Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen wird immer spürbarer. Im Südwesten Deutschlands werden manche Arztpraxen wohl noch in dieser Woche schließen müssen.

Stuttgart – Die Arztsuche im Südwesten Deutschlands wird in den kommenden Wochen wohl vielerorts schwieriger, vor allem werktags außerhalb der Sprechzeiten und am Wochenende. Denn durch eine Entscheidung des Bundessozialgerichts in Kassel am Dienstag (24. Oktober) läuft in Baden-Württemberg ein Notfallplan der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW) für den ärztlichen Bereitschaftsdienst an. Bereits ab Mittwoch (25. Oktober) müssen manche Arztpraxen in der Folge schließen.

Bei dem Urteil des BSG ging es um einen Zahnarzt, der als sogenannter „Pool-Arzt“ im Notfalldienst der KVBW tätig war. Zwischen ihm und der KVBW kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Deren juristischer Kern war die Frage nach der Art seiner Tätigkeit – konkret, ob er als selbstständig tätig zu werten sei oder als Beschäftigter der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht unterliege.

Arztmangel in Deutschland: Notfallplan für ärztlichen Bereitschaftsdienst startet

Der Rechtsstreit wurde laut Bericht des Ärzteblatts ursprünglich entfacht, da es zwischen dem Kläger und der KVBW zu fachlichen Unstimmigkeiten bei Wurzelbehandlungen gekommen war. Der Zahnarzt habe sich geweigert, eine „persönliche Erklärung“ zu einzelnen Behandlungsinhalten zu unterzeichnen, woraufhin ihn die KVBW nicht mehr zu Notdiensten eingeteilt hatte.

Daraufhin habe dieser gerichtlich feststellen lassen wollen, dass es sich bei seiner Not­diensttätigkeit um ein Arbeitnehmerverhältnis – also nicht um eine selbstständige Tätigkeit – gehandelt habe. Er forderte auf dieser Grundlage unter anderem die nachträgliche Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Urlaubsabgeltung durch die KVBW.

Durch den generellen Ärztemangel muss sich der Südwesten Deutschlands auf Praxisschließungen einstellen. (Symbolbild)

Nachdem sowohl die Deutsche Rentenversicherung Bund und zwei juristische Vorinstanzen die Klage des Zahnarztes abgewiesen und in ihrem Urteil als selbstständig tätig angesehen hatten, gelangte der Fall vor den BSG. Und der entschied: Nicht niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte, die in Baden-Württemberg an der vertrags­zahnärztlichen Not­dienstversorgung teilnehmen, sind nicht automatisch selbstständig tätig. Im Falle des Klägers wurde eine abhängige Beschäftigung festgestellt, die der Sozialversiche­rungs­pflicht unterlag.

Ärztemangel Baden-Württemberg wird durch Urteil verschärft: Notfallmaßnahmen aktiv

Die nun vom BSG gefällte Entscheidung zieht nun weitreichende Konsequenzen für den ärztlichen Bereitschaftsdienst der KVBW nach sich – und somit auch für die Patienten und Patientinnen. „Das Urteil zwingt uns, eine Notbremse zu ziehen und sofortige Maßnahmen zu ergreifen“, erklären die KVBW-Vorstände, Karsten Braun und Doris Reinhardt. „Wir waren auf Bundes- und Landesebene aktiv, um eine politische Lösung herbeizuführen; leider bislang ohne Erfolg“. Wie lange die Notfallmaßnahmen für den ärztlichen Bereitschaftsdienst gelten werden, sei noch unklar, so die KVBW.

In seiner Pressemitteilung erklärt die KVBW, dass die Organisationsstruktur ihres ärztlichen Bereitschaftsdienstes wesentliche Ähnlichkeiten mit dem zahnärztlichen Bereitschaftsdienst aufweise. Die Entscheidung des Gerichts sei daher übertragbar. Die Folge: „Das bestehende System des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Baden-Württemberg kann daher in der bisherigen Form nicht weitergeführt werden“, so die KVBW.

Notfallpraxen Baden-Württemberg schließen – Zu wenige Ärzte für die Patienten

Die Konsequenzen für Patientinnen und Patienten, die diese wohl einschneidende Änderung der Versorgungsstruktur nach sich zieht, ergeben sich aus dem grundlegenden Personalmangel im Gesundheitswesen. Denn bisher übernahmen rund 3000 der sogenannten Pool-Ärzte der KVBW freiwillig Dienste im ärztlichen Bereitschaftsdienst.

Etwa 40 Prozent aller Dienste in den 115 baden-württembergischen Notfallpraxen und der erforderlichen Hausbesuche wurden bis heute von ihnen geleistet, so die KVBW. Die ohnehin viel zu wenigen niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen habe dies maßgeblich entlastet.

Ärztemangel: Diese Praxen in Baden-Württemberg müssen jetzt schließen

Konkret handele es sich bei den sofortigen Schließungen in Baden-Württemberg ab Mittwoch (25. Oktober) um die folgenden Notfallpraxen:

  • Geislingen
  • Buchen
  • Schorndorf
  • Möckmühl
  • Künzelsau
  • Bad Säckingen
  • Schopfheim
  • Waghäusel-Kirrlach

Zudem komme es zu Einschränkungen in Mühlacker, Bietigheim-Bissingen, Rastatt, Singen, Herrenberg und Villingen-Schwenningen. Diese blieben fortan unter der Woche teilweise bis vollständig geschlossen, und seien hauptsächlich an Wochenenden und Feiertagen besetzt.

In vielen weiteren der 115 Notfallpraxen komme es zu eingeschränkten Öffnungszeiten, so die Informationen der KVBW. Die künftige Struktur des ärztlichen Bereitschaftsdienstes bleibe zunächst offen. „Das werden wir erst entscheiden, wenn uns die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt und wir alle Details kennen“, so KVBW-Vorständin Doris Reinhardt. (na/dpa)