In der Antarktis gibt es immer weniger Meereis, sorgen sich Forscher. (Symbolbild)
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In der Antarktis gibt es immer weniger Meereis, sorgen sich Forscher. (Symbolbild)

Gravierende Folgen befürchtet

„Es bildet sich kein Eis“ in der Antarktis – Forscher zeigt alarmierende rote Kurve in Diagramm

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In der Antarktis fehlt mehr Meereis als jemals zuvor, warnen Forscher. Und das, obwohl dort derzeit tiefster Winter herrscht.

Antarktis – In der Antarktis herrscht derzeit tiefster Winter, trotzdem sorgen sich Forscherinnen und Forscher um die dortigen Gletscher und das Meereis. Jeden Tag gefrieren in der Antarktis derzeit große Wasserflächen zu Eis – doch es ist nicht genug. Eine Analyse der Financial Times zeigt, dass das Meereis-Level für den langjährigen Durchschnitt zu dieser Jahreszeit viel zu niedrig ist. 2,4 Millionen Quadratkilometer Meereis fehlen demnach im Vergleich zum langjährigen Durchschnittswert für die Jahreszeit.

Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist die von Meereis bedeckte Fläche fast 1,1 Millionen Quadratkilometer kleiner. Zum Vergleich, um welche Dimensionen es geht: Gegenüber 2022 fehlt eine Fläche, die etwa dreimal so groß ist wie Deutschland. Erst kürzlich hat die World Meteorological Organization (WMO) davor gewarnt, dass das Meereis global in einem „beispiellosen Tempo“ zurückgeht. Das gehe mit „gravierenden Auswirkungen“ für das globale Wetter und Klima einher.

Die Gletscher schmelzen – So verändert der Klimawandel die Erde

Die Erde erwärmt sich, die Gletscher schmelzen. Links zu sehen ist der Okjökull-Gletscher auf dem Gipfel des Vulkans Ok auf Island im September 1986. Im August 2019 (rechtes Bild) ist von dem einstigen Gletscher nur noch ein kleiner Eisfleck übrig geblieben.
Die Erde erwärmt sich, die Gletscher schmelzen. Links zu sehen ist der Okjökull-Gletscher auf dem Gipfel des Vulkans Ok auf Island im September 1986. Im August 2019 (rechtes Bild) ist von dem einstigen Gletscher nur noch ein kleiner Eisfleck übrig geblieben. © dpa/NASA/AP
„Zieht die Notbremse“ steht auf dem Schild, das ein Mädchen in Island trägt. Sie ist unterwegs zu einer Gedenkveranstaltung für den früheren Gletscher Okjökull. Forschende zeigen immer wieder, dass die Zeit drängt: Die Eismassen der Erde schmelzen immer schneller, der Meeresspiegel steigt und die Ozeane werden warm und sauer.
„Zieht die Notbremse“ steht auf dem Schild, das ein Mädchen in Island trägt. Sie ist unterwegs zu einer Gedenkveranstaltung für den früheren Gletscher Okjökull. Forschende zeigen immer wieder, dass die Zeit drängt: Die Eismassen der Erde schmelzen immer schneller, der Meeresspiegel steigt und die Ozeane werden warm und sauer. © Felipe Dana/dpa
Wichtige Gletscherteile des Titlisgletschers werden vor dem Sommer 2018 mit Vlies bedeckt, um sie in den warmen Sommermonaten vor dem Schmelzen zu schützen. Rund 6000 Quadratmeter Vlies sollen bis zum Herbst die Eishöhe von bis zu anderthalb Metern schützen.
Wichtige Gletscherteile des Titlisgletschers werden vor dem Sommer 2018 mit Vlies bedeckt, um sie in den warmen Sommermonaten vor dem Schmelzen zu schützen. Rund 6000 Quadratmeter Vlies sollen bis zum Herbst die Eishöhe von bis zu anderthalb Metern schützen. © Urs Flueeler/dpa
Der Nevado Huascarán ist mit 6768 Metern der höchste Berg Perus. Das Eis am Gipfel des Bergs ist tausend Jahre alt und soll Forschenden Informationen rund um den Klimawandel liefern. Bei einer Expedition im Jahr 2019 wurden Eisproben entnommen.
Der Nevado Huascarán ist mit 6768 Metern der höchste Berg Perus. Das Eis am Gipfel des Bergs ist tausend Jahre alt und soll Forschenden Informationen rund um den Klimawandel liefern. Bei einer Expedition im Jahr 2019 wurden Eisproben entnommen. © Oscar Vilca/INAIGEM/afp
Auch der Rhonegletscher, der älteste Gletscher der Alpen, wird durch spezielle Decken vor dem Schmelzen geschützt. So soll verhindert werden, dass die Gletscher in den Alpen verschwinden.
Auch der Rhonegletscher, der älteste Gletscher der Alpen, wird durch spezielle Decken vor dem Schmelzen geschützt. So soll verhindert werden, dass die Gletscher in den Alpen verschwinden. © Urs Flueeler/dpa
Ein Eisberg schwimmt im Juni 2019 durch die Bonavista Bay in Neufundland. Wasser von Eisbergen gilt als „rein“ und wird für bestimmte Produkte vermarktet – unter anderem für Wodka, Likör, Bier und Kosmetik. Gleichzeitig schmilzt das Eis dieser Erde immer schneller – eine schlechte Kombination.
Ein Eisberg schwimmt im Juni 2019 durch die Bonavista Bay in Neufundland. Wasser von Eisbergen gilt als „rein“ und wird für bestimmte Produkte vermarktet – unter anderem für Wodka, Likör, Bier und Kosmetik. Gleichzeitig schmilzt das Eis dieser Erde immer schneller – eine schlechte Kombination. © Johannes Eisele/afp
Ein Eisberg an der südöstlichen Küste Grönlands kalbt: Eine große Eismasse bricht vom Apusiajik-Gletscher ab und stürzt ins Wasser.
Ein Eisberg an der südöstlichen Küste Grönlands kalbt: Eine große Eismasse bricht vom Apusiajik-Gletscher ab und stürzt ins Wasser. © Jonathan Nackstrand/afp
Der Aletsch-Gletscher ist der größte Gletscher in den Alpen. Wenn nichts getan wird, um den Klimawandel aufzuhalten, könnte er bis zum Ende des Jahrhunderts komplett verschwinden, hat eine Studie im Jahr 2019 gezeigt.
Der Aletsch-Gletscher ist der größte Gletscher in den Alpen. Wenn nichts getan wird, um den Klimawandel aufzuhalten, könnte er bis zum Ende des Jahrhunderts komplett verschwinden, hat eine Studie im Jahr 2019 gezeigt. © Fabrice Coffrini/afp
Das Foto stammt aus dem Jahr 2007, doch an der Situation hat sich seitdem nicht viel geändert: Die massiven Gletscher Tibets leiden unter dem Klimawandel und schmelzen. In den vergangenen Jahrzehnten sei das Eis in dieser Region zehnmal schneller geschmolzen als in den Jahrhunderten davor, heißt es in einer Studie aus dem Jahr 2019. Seit der letzten kleinen Eiszeit seien zwischen 400 und 600 Kubikkilometer Eis verschwunden – das entspricht dem gesamten Eisvolumen der europäischen Alpen, des Kaukasus und von Skandinavien.
Das Foto stammt aus dem Jahr 2007, doch an der Situation hat sich seitdem nicht viel geändert: Die massiven Gletscher Tibets leiden unter dem Klimawandel und schmelzen. In den vergangenen Jahrzehnten sei das Eis in dieser Region zehnmal schneller geschmolzen als in den Jahrhunderten davor, heißt es in einer Studie aus dem Jahr 2019. Seit der letzten kleinen Eiszeit seien zwischen 400 und 600 Kubikkilometer Eis verschwunden – das entspricht dem gesamten Eisvolumen der europäischen Alpen, des Kaukasus und von Skandinavien. © Peter Parks/afp
Der Gletscher Nr. 12 im Laohugou-Tal im westlichen Teil des Qilian-Gebirges in der nordwestchinesischen Provinz Gansu ist der längste Gletscher im Qilian-Gebirge. Da er aufgrund des Klimawandels schrumpft, sind Ausflüge zu dem Gletscher verboten.
Der Gletscher Nr. 12 im Laohugou-Tal im westlichen Teil des Qilian-Gebirges in der nordwestchinesischen Provinz Gansu ist der längste Gletscher im Qilian-Gebirge. Da er aufgrund des Klimawandels schrumpft, sind Ausflüge zu dem Gletscher verboten. © imago/Xinhua
Im Sommer 2010 ist vom Petermann-Gletscher vor der Nordwestküste Grönlands ein gewaltiger Eisbrocken abgebrochen. Das Bruchstück hat etwa zweieinhalb Mal die Fläche der Insel Sylt, mit dem Wasser, aus dem der Eisbrocken besteht, könnte der gesamte Wasserverbrauch der USA für vier Monate gestillt werden.
Im Sommer 2010 ist vom Petermann-Gletscher vor der Nordwestküste Grönlands ein gewaltiger Eisbrocken abgebrochen. Das Bruchstück hat etwa zweieinhalb Mal die Fläche der Insel Sylt, mit dem Wasser, aus dem der Eisbrocken besteht, könnte der gesamte Wasserverbrauch der USA für vier Monate gestillt werden.  © NASA Earth Observatory/Jesse Allen und Robert Simmon/United States Geological Survey/dpa
Während seiner Zeit als Bundesaußenminister besucht Heiko Maas (l., SPD) Gletscher bei Pond Inlet in der kanadischen Arktis. Die Erderwärmung ist in dieser Region zwei bis drei Mal so stark wie in anderen Weltregionen.
Während seiner Zeit als Bundesaußenminister besucht Heiko Maas (l., SPD) Gletscher bei Pond Inlet in der kanadischen Arktis. Die Erderwärmung ist in dieser Region zwei bis drei Mal so stark wie in anderen Weltregionen. © Kay Nietfeld/dpa

Sorge um Meereis in der Antarktis – Meere sind zu warm

Seit 2016 ist das antarktische Meereis so stark zurückgegangen, wie es seit Beginn der Satelliten-Aufzeichnungen in den 1970er Jahren noch nie beobachtet wurde. 2022 waren einige Küstengebiete in der Antarktis erstmals eisfrei. Forscher haben als Ursache für die Meereis-Anomalie in der Antarktis auch die hohen Temperaturen im Blick. Im Mai 2023 waren die Wasseroberflächen der Meere weltweit erstmals wärmer als im Vorjahr, wie das Copernicus-Erdbeobachtungssystem ermittelt hat – ein Trend, der sich im Juni fortgesetzt hat. Auch in diesem Monat waren die Meere wärmer als in jedem Juni bisher.

Auf Twitter erklärt der emeritierte Mathematik-Professor Eliot Jacobson, wie dramatisch die derzeitigen Werte sind: Die Eisfläche ist demnach derzeit um mehr als fünf Standardabweichungen geringer als das langjährige Mittel – statistisch gesehen, tritt ein solcher Wert nur einmal in mehr als sieben Millionen Jahren auf. „Mitten im Winter liegen einige Gebiete an der Küste der Antarktis heute über dem Gefrierpunkt. Es bildet sich kein Eis“, schreibt er alarmierend dazu. Und: „Der Planet erlebt ein Zusammentreffen von 5σ-Ereignissen, Meerestemperaturen, Oberflächentemperaturen, El Niño und antarktischem Eis, die immer extremer werden.“

Meereis in der Antarktis wird von vielen Faktoren beeinflusst

Mehrere Faktoren beeinflussen, wie das Meereis in der Antarktis sich entwickelt. Wind, Wasser- und Lufttemperatur sowie Meeresströmungen lassen das Eis schrumpfen und wachsen. Bisher weiß die Forschung jedoch nicht genauer, welcher Faktor welche Rolle spielt. Das liegt unter anderem daran, dass die Region riesig und nur schwer zu erreichen ist. Angesichts dieser Wissenslücken fordern Polarforscher langfristige Beobachtungen, um die Lücken zu schließen.

Dass sich der Klimawandel auf die Antarktis auswirkt, ist jedoch nicht zu übersehen: Der riesige Thwaites-Gletscher (Spitzname: „Weltuntergangsgletscher“ schmilzt schneller, als bisher angenommen. Immer wieder lösen sich in der Antarktis außerdem riesige Eisberge und brechen ab. (tab)