Überfürsorge
„Schneepflug-Erziehung“ wirkt sich negativ auf Kinder aus: Welches Handeln Eltern hinterfragen sollten
VonJasmina Deshmehschließen
Schneepflug-Eltern möchten ihren Kindern den Weg ebnen und für sie sämtliche Probleme lösen. Warum sie ihnen damit mehr schaden als nützen.
„Helikopter-Eltern“ dürfte den meisten Menschen ein Begriff sein. Eine besonders ausgeprägte Form davon sind „Schneepflug-Eltern“. Wie der Name schon sagt, räumen sie ihren Kindern wie ein Schneepflug sämtliche Hindernisse aus dem Weg. Dabei möchten sie mit ihrem Erziehungsstil Kindern zum Erfolg verhelfen, merken aber nicht, dass sie ihre Entwicklung eigentlich behindern.
Schneepflug-Eltern: So sieht ihre Erziehung aus
Im Gegensatz zum antiautoritären Erziehungsstil, bei dem Kinder möglichst viel Freiraum gelassen wird und Entscheidungen vor allem von den Kindern selbst getroffen werden, zeichnen sich Schneepflug-Eltern durch Überfürsorge aus. Ähnlich wie auch Helikopter-Eltern, sind Schneepflug-Eltern nahezu akribisch bemüht, für ihre Kinder sämtliche Probleme zu lösen. Äußern kann sich das auf vielfältige Weise, etwa indem sie:
- die Hausaufgaben für ihr Kind erledigen
- altersgerechte Aktivitäten einschränken
- bei Meinungsverschiedenheiten mit anderen Menschen sofort einschreiten
- bei schlechten Noten den Lehrern die Schuld geben
Unter Experten sorgt der Erziehungsstil immer wieder für Diskussionen: Sind Schneepflug-Eltern besonders liebevoll oder übertrieben fürsorglich? Immerhin meinen sie es gut und wünschen sich, dass der Nachwuchs seine Ziele schnell und sicher erreicht. Was sie dabei jedoch nicht bedenken: Zu viel Hilfe hemmt eher die Entwicklung von Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Durchsetzungsfähigkeit. Denn Hindernisse und auch Misserfolge gehören zum Leben dazu.
Übermäßige Fürsorge: Sind die Medien schuld?
Um zu verstehen, warum Schneepflug-Eltern handeln wie sie handeln, lohnt sich ein Blick auf ihre Motive. So steckt hinter der übermäßigen Fürsorge meist der Wunsch, das Kind zu beschützen. Dr. Carla Naumburg, Sozialarbeiterin und Buchautorin aus Newton sieht die Ursache in den Medien. „Diese Generation von Eltern – ob wir sie nun Schneepflug, Helikopter oder Rasenmäher nennen wollen – erlebt als Eltern eine Zeit der Angst. Es gibt den 24-Stunden-Nachrichtenzyklus und die sozialen Medien, die uns an alles Schreckliche erinnern, das auf der Welt passiert“, erklärt sie gegenüber dem Elternportal parents.com.
Und auch Jessica Lahey, Autorin von „The Gift of Failure: How the Best Parents Learn to Let Go So Their Children Can Succeed“ (auf deutsch: „Das Geschenk des Scheiterns: Wie Eltern lernen, loszulassen, damit ihre Kinder erfolgreich sein können“), sieht eine Mitschuld bei den Medien: „Die Medien lassen uns glauben, dass unsere Kinder ständig in Gefahr sind und die Gefahr von allen Seiten naht“, so Lahey. „Das ist einfach nicht wahr. Aus der Sicht von Gewaltverbrechen ist dies eine der sichersten Zeiten in der Geschichte, um ein Kind zu sein.“
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Auch Handys fördern den Erziehungsstil
Was ebenfalls dazu beitragen könnte, dass der Schneepflug-Erziehungsstil so verbreitet ist: Smartphones. „Dank der Technologie ist es heute viel einfacher, ein Schneepflug-Elternteil zu sein als früher – es ist für Eltern einfach, schnell eine Beschwerde per E-Mail an den Lehrer ihres Kindes zu senden“, erklärt Dr. Damon Korb, Kinderarzt und Entwicklungs- und Verhaltensforscher aus Kalifornien, gegenüber parents.com. Auch permanente Kontrolle und Überwachung sind in Zeiten von Smartphones leichter.
Schneepflug-Erziehung: Gut gemeint, aber schlecht für die Entwicklung wichtiger Kompetenzen
Auch wenn ein gesundes Maß an Regeln und Grenzen für Kinder wichtig ist: Sie müssen auch lernen, Verantwortung zu übernehmen und selbstständig zu werden. Dazu muss es ihnen in einem gewissen Rahmen möglich sein, eigene Erfahrungen zu sammeln. Kinder lernen ständig dazu, probieren sich aus und möchten auch mal ohne die helfende Hand der Eltern etwas schaffen. Auch, wenn sie dabei auf die Nase fallen. Auf diese Weise entwickeln sie wichtige Kompetenzen wie Selbstvertrauen, Belastbarkeit und eine gesunde Selbstwahrnehmung. Diese wichtigen Fähigkeiten brauchen sie im späteren Leben.
Eilen Eltern dagegen immer zu Hilfe, senden sie Botschaften wie: „Hindernisse sind ohne Hilfe nicht überwindbar“. Ein Glaube, der bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben könne, schreibt der Psychologe Mark Travers auf forbes.com. Das könne sich später in zwischenmenschlichen Beziehungen, ebenso wie im beruflichen Kontext auswirken. Im Erwachsenenalter könnten dann etwa Risiken gemieden werden. Außerdem seien Kinder von Schneepflug-Eltern „schlecht gerüstet“ für „unvermeidliche „Rückschläge und Nöte des Lebens“ und könnten so ihre Potenziale nicht entfalten.
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