Forscher verblüfft
Polarwirbel zerfällt: „Sehr ungewöhnliches“ Wetterereignis in der Antarktis ausgelöst
VonMoritz Bletzingerschließen
Die Antarktis hat ihren Schutz verloren. Der Zusammenbruch des Polarwirbels löst ein ungewöhnliches Phänomen am Südpol aus. Forscher sind beunruhigt.
Madison – Was passiert da in der Antarktis? Seit Mitte Juli 2024 verzeichnen die Messdienste eine regelrechte Hitzewelle am kältesten Punkt der Erde. Im antarktischen Winter von Mai bis August herrschen üblicherweise Temperaturen zwischen minus 50 und minus 60 Grad Celsius. Der bisherige Rekordwert: Minus 92 Grad Celsius (am 10. August 2010). Doch 2024 bewegen sich die Temperaturen plötzlich zwischen minus 15 und minus 20 Grad.
Klimadaten zeigen Hitzewelle in der Antarktis – Forscher findet Wetter-Phänomen „einfach nur erstaunlich“
Der Klimaüberwachungsdienst Copernicus Climate Change Service liefert Daten, die die aktuelle Hitzewelle in der Antarktis aufzeigen. Und dieser milde Winter könnte weitreichende Konsequenzen haben.
Thomas Bracegirdle, Leiter des Klimateams der British Antarctic Survey, sagt bei CNN: „Ich bin sicher, dass mit der Zeit noch mehr Auswirkungen zutage treten werden, wenn wir diese Hitzewellen besser verstehen. Aber im Moment ist das, was wir sehen, wirklich einfach nur erstaunlich“. Jonathan Overpeck, US-Klimaforscher von der University of Michigan, bezeichnet das Phänomen auf X als ein „augenöffnendes Zeichen dafür, dass der Klimawandel beginnt, den Planeten wirklich zu verändern.“
Die Eismassen der Antarktis schwinden. Der Copernicus Climate Change Service schreibt: „Die antarktische Meereisfläche ist schon wieder fast so gering wie letztes Jahr um diese Zeit“. Mit dem Verlust des Eises verliert der Südpol einen Schutzmechanismus gegen zukünftige Hitzewellen, sozusagen die Klimaanlage.
Polarwirbel zusammengebrochen: Antarktis verliert Kälte-Schutzschild
Die aktuelle Situation lässt bereits erahnen, dass solche Perioden zunehmen könnten. Erst vor zwei Jahren, im März 2022, wurden ungewöhnlich hohe Temperaturen registriert, damals sogar 39 Grad über den erwarteten Durchschnittswerten.
Die momentane Hitzewelle ist jedoch nicht hauptsächlich auf eine schleichende Erwärmung zurückzuführen, sondern auf eine Abschwächung des Polarwirbels, auch bekannt als polarer Vortex. Diese ringförmige Luftströmung umgibt den Südpol normalerweise den Südpol wie ein Schild und schützt ihn mit einer Art Wand aus kalter Luft vor herannahenden warmen Luftmassen.
Bereits im Februar 2024 brachte ein Polarwirbel-„Split“ Kälte nach Deutschland und deutete darauf hin, dass der Polarwirbel im Sommer zusammenbrechen könnte. Genau das ist nun eingetreten. Dadurch strömen mehr warme Luftmassen in die Antarktis, was zwangsläufig zu höheren Temperaturen führt. Zusätzlich vergrößert sich das Ozonloch über dem Südpol.
„Sehr ungewöhnliches Ereignis“: Polarwirbel-Crash sollte eigentlich viel seltener sein
Solche Anomalien treten laut Klimaforscher Bracegirdle durchschnittlich nur einmal alle zwanzig Jahre auf. Er stellt fest: „Aus dieser Perspektive ist es ein sehr ungewöhnliches Ereignis.“ Doch nun folgten Hitzewellen im Abstand von lediglich zwei Jahren aufeinander. Ein messbarer Trend. (moe)
Rubriklistenbild: © imagebroker/Imago/Climate Reanalyzer/University of Michigan


