Insulin statt Ozempic
Lebensgefährliche Fälschung – vermeintliche Abnehmspritze bringt Britin fast um
VonChristoph Gschoßmannschließen
Eine Britin will abnehmen und bestellt sich eine Spritze im Internet. Doch es handelt sich um eine Fälschung - und das kostet sie fast das Leben.
Oxfordshire – Sie wollte schön und schlank sein – und verlor mit einer gefälschten Abnehmspritze fast ihr Leben. Die 45 Jahre alte Michelle Sword aus dem englischen Oxfordshire machte ihre dramatische Geschichte publik und warnte eindringlich davor, den gleichen Fehler zu machen wie sie. Darüber berichtet unter anderem die britische Daily Mail.
Hype um Abnehmspritze Ozempic - Frau verliert fast ihr Leben
Um die Abehmspritze Ozempic und ihren Wirkstoff Semaglutid gibt es derzeit einen weltweiten Hype. Dabei soll sie eigentlich nur Diabetes-Patienten helfen. Doch auch Sword war die Wirkung auch ohne Diabetes sehr willkommen. Im September hatte sie für umgerechnet 175 Euro den Abnehmstift im Internet erworben. Der Kauf ging „sehr einfach“ vonstatten. Bereits drei Jahre zuvor hatte sie diese Art des Gewichtsverlust „legitim“ über eine Apotheke ausprobiert. Damals war nichts passiert. Diesmal kam aber alles anders. Wegen des gefälschten Medikaments brach sie am 20. September 2023 vor den Augen ihrer ältesten Tochter zusammen und erlitt einen Anfall. Vor kurzem war auch eine Australierin gestorben, nachdem sie Ozempic genommen hatte. Auch Österreicher erhielten Fake-Spritzen.
Michelle Sword ordered what she thought was the Ozempic jab to lose weight and it nearly killed her #WeightLossJourney #EatingDisorderCommunity #EatingDisorderHelp #EatingDisorderIntervention #EatingDisorderRecovery [Video] Michelle thought shed be… https://t.co/uPE4ClqJsL
— Nina Mulgrave (@NinaMNHI) December 8, 2023
Laut Medizinern hat Sword großes Glück, überhaupt noch am Leben zu sein. Der Blutzucker der Mutter der Kinder Cadie (13) und Coen (18) war auf bedenkliche Werte gesunken. Laut Sword hätten Krankenhausärzte ihr gesagt, sie hätten in ihrer Karriere noch nie jemanden erlebt, der einen so niedrigen Blutzuckerspiegel wie ihren überstanden habe. Ihr Blutzuckerspiegel sei auf 0,6 mmol/l gesunken. Der Zielbereich für den Blutzucker liegt laut des britischen Gesundheitsservice bei 4 bis 7 mmol/l.
Fälschung: Engländerin spritzt sich statt Ozempic reines Insulin
Der Zwischenfall geht allerdings gar nicht auf Ozempic oder ein anderes Abnehmmittel zurück - sondern auf Insulin. Das war nämlich in der Fälschung in Reinform enthalten. Sword sagte über die Fälschung: „Als die Impfung eintraf, sah sie genauso aus wie zuvor, außer dass die Skala anders war. Normalerweise stoppt der Klick bei einem Abnehmstift bei einem Milliliter und man nimmt einen Milliliter ein.“ Sie beschreibt den Vorgang: „Ich habe den Klicker gedreht und er hat nicht angehalten. Ich muss es 17 oder 18 Mal gedreht haben und dachte, wenn ich mehr brauche, nehme ich es eben.“ Sie wollte sogar später noch mehr nehmen. Später kommt heraus: Das sogenannte Medikament enthielt reines Insulin.
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Sie bereitete gerade den Tee für ihre Tochter zu, als sie etwa 15 Minuten später „ein seltsames Gefühl in mir verspürte. Ich fühlte mich desorientiert und seltsam und schwitzte grundlos.“ Sie brach nach Angaben von Cadie kurz darauf zusammen. Die Tochter rief die beste Freundin von nebenan an, welche schließlich den Krankenwagen rief. 12 Minuten später war dieser vor Ort. Sword weiß davon nichts mehr, sie war längst nicht mehr bei Bewusstsein. Sanitäter stellten schnell fest, dass der Blutzuckerspiegel der Patientin gefährlich niedrig war und versuchten, der Mutter flüssige Glukose zu verabreichen. Doch es wurde noch schlimmer: Auf dem Weg zum John Radcliffe Hospital in Oxford erlitt sie im Krankenwagen einen Anfall. Weil niemand etwas in ihre Venen bringen konnte, „begannen sie, mir Glukose-Gel in den Mund zu drücken.“ Sword sprach von einer „außerkörperlichen Erfahrung“.
Engländerin hat Anfälle im Krankenwagen – intravenös verabreichte Glukose rettet ihr das Leben
Sie kam wieder zu Bewusstsein. Mit Gebäck versuchten die Mediziner, den Blutzucker weiter zu erhöhen. Doch sie verlor das Bewusstsein erneut. Nach einem weiteren Anfall wurde die Glukose dann intravenös verabreicht. Schließlich erreichte der Wagen das Hospital. „Ich wurde sofort in die Notaufnahme eingeliefert, und offenbar folgten mir acht oder neun Leute und taten alles, was sie konnten.“ Alle Werte spielten demnach verrückt, auch die Herzfrequenz. Eine Stunde lang dauerte es, bis die Blutzuckerwerte im normalen Bereich waren.
Sword sagte: „Beim ersten Mal habe ich viel Gewicht verloren – es hat fantastisch funktioniert, ich habe mich großartig gefühlt.“ Nicht aber beim zweiten Mal. Es sei ihr „unglaublich peinlich“, meinte sie, und sagte: „Nichts ist es wert, dass man sein Leben dafür verliert.“ Sie habe sich bei ihren Kindern entschuldigt, sei „wütend und schäme“ sich. Man solle sein Leben nicht aufs Spiel setzen.
Medikamente bei unsicheren Quellen im Internet kaufen – dass dies keine gute Idee ist, diese Lektion hat sie gelernt. Doch daran sind die drei gehypten Medikamente Wegovy, Mounjaro und Ozempic nicht schuld. Sie imitieren das Darm-Hormon Glucagon-like Peptide 1, kurz GLP-1, das die Produktion von Insulin im Körper steigert. Große Pharmafirmen wie Novo Nordisk, Eli Lilly und Pfizer arbeiten derzeit aber daran, sie auch als Tabletten herzustellen, die täglich eingenommen werden können. Zu den Nebenwirkungen der Medikamente gehören Übelkeit, Erbrechen und Magen-Darm-Probleme. Konsultieren Sie vor der Einnahme am besten einen Arzt. (cgsc mit dpa)
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