Antrag im Bundestag

NRW als Vorbild: Politiker fordern bundesweit „Null Toleranz“ bei kriminellen Clans

  • Maximilian Gang
    VonMaximilian Gang
    schließen

Herbert Reul propagiert schon lange eine „Null Toleranz“-Strategie gegen kriminelle Clans. Das soll nun im Bund als Vorbild dienen – fordert jedenfalls die Union.

Essen/Berlin – Die blutigen Massenschlägereien zwischen zwei Großfamilien in NRW haben die Debatte um kriminelle Clans bundesweit neu angefeuert. Hunderte Männer waren – teils schwer bewaffnet – auf offener Straße in Essen und Castrop-Rauxel aufeinander losgegangen. Clankriminalität in Nordrhein-Westfalen ist seit Jahren ein Problem. NRW-Innenminister Herbert Reul setzt auf eine „Null Toleranz“-Strategie im Kampf gegen die Kriminellen. Das Vorgehen des CDU-Politikers soll nun als Blaupause für den Bund dienen – fordern Parteikollegen.

Maßnahmen aus NRW als Vorbild: Union fordert härteres Durchgreifen im Kampf gegen Clan-Kriminalität

Die Massenschlägereien zwischen zwei Großfamilien in NRW sorgten deutschlandweit für Aufsehen.

„Der Ausbreitung der OK [Organisierten Kriminalität] und insbesondere der Clankriminalität ist nur durch maximalen Kontroll- und Verfolgungsdruck mit einer Null-Toleranz-Strategie zu begegnen“, heißt es in einem Antrag, den die CDU/CSU-Fraktion nun im Bundestag einbrachte. Auf Ankündigungen, wie die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) initiierte Einrichtung einer bundesweiten „Allianz gegen Clans“, müssten jetzt Taten folgen. In Anlehnung an Reuls „Politik der tausend Nadelstiche“ in NRW fordert die Union klare Maßnahmen zur Bekämpfung der Clankriminalität von der Ampel-Bundesregierung:

  • Ab 2024 soll einmal jährlich ein Bundeslagebild zur Clankriminalität erstellt werden, inklusive einer einheitlichen Definition der Polizei, was als Clankriminalität eingeschätzt wird. In Nordrhein-Westfalen gibt es ein solches Lagebild bereits seit 2018. Der aktuelle Bericht des LKA für 2022 zeigte: Die Straftaten der kriminellen Mitglieder der Großfamilien haben im vergangenen Jahr deutlich zugenommen.
  • Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit, die nachweislich an Clan- oder an organisierter Kriminalität mitgewirkt haben, soll die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt werden können.
  • Die Ampel soll „verfassungskonform und rechtssicher“ die Ermittlungen zu Vermögen unklarer Herkunft vereinfachen. Bei der Einziehung eines solchen Vermögens soll die Beweislast umgekehrt werden. Dementsprechend wäre der Beschuldigte dafür zuständig, seine Unschuld zu beweisen.
  • Menschen, die sich entweder in einem Asylverfahren befinden oder als Flüchtling anerkannt sind, soll – sollten sie nachweislich an Clan-Kriminalität beteiligt gewesen sein – der Schutzstatus widerrufen beziehungsweise der Asylantrag abgelehnt werden können.
  • Die Bundesregierung soll „die Beschaffung und den Einsatz der vertraglich für alle Länder und den Bund abrufbaren verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattform (VeRa)“ sicherstellen. Dadurch sollen kriminelle Strukturen schneller analysiert und wirkungsvoller bekämpft werden.
  • Die Bundesregierung soll Aussteigerprogramme für Clan-Angehörige einsetzen. Insbesondere weibliche und jugendliche Mitglieder der Großfamilien sollen dabei gezielt an die Angebote herangeführt werden. In NRW gibt es bereits das Programm „Kurve kriegen“, das jungen Clan-Angehörigen ein Weg aus der Kriminalität aufzeigen soll.
  • Bei einer gesicherten Beteiligung an Clankriminalität soll zukünftig von einer Kindeswohlgefährdung ausgegangen werden. Dadurch würde die Entziehung des Sorgerechts bei Clan-Eltern vereinfacht werden. Ähnlich äußerte sich bereits die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler im Gespräch mit wa.de.
  • Von Clan-Mitgliedern verübte Finanzkriminalität soll verstärkt verfolgt werden, unter anderem durch die Erteilung eines Berufsverbots und durch das Verhindern von Geldwäsche, beispielsweise durch den Erwerb von Immobilien.
  • Der Austausch zwischen den Behörden sowie die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen die Clankriminalität soll intensiviert werden.
  • Die Ampel soll einen konkreten Gesetzesentwurf vorlegen, der die deutschen Sicherheitsbehörden dazu ermächtigt, verschlüsselte Kommunikation, beispielsweise auf Kryptohandys, im Bereich der Clankriminalität zur Kenntnis nehmen zu können.
  • Die Bund-Länder-Initiative „BLICK“, in der die hauptbetroffenen Bundesländer gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt (BKA), der Bundespolizei und dem Zollkriminalamt eng zusammenarbeiten, soll mit „substantiellen finanziellen und technischen Mitteln sowie personellen Ressourcen“ intensiviert werden. Dafür soll Faesers „Allianz gegen Clankriminalität“ beendet werden.
  • Quelle: Antrag der CDU/CSU-Fraktion

Deutschland sei zwar immer noch „eines der sichersten Länder weltweit“, schreibt die Unions-Fraktion in ihrem Antrag. „Doch unser Rechtsstaat ist durch Clankriminalität in besonderem Maße herausgefordert“. Deshalb müsse nun auch im Bund eine „Null Toleranz“-Strategie gegen die Großfamilien etabliert werden. NRW und Minister Reul seien mit der „Politik der tausend Nadelstiche“ zunehmend erfolgreich im Kampf gegen die Clankriminalität. Dies könne dem Bund als Vorbild dienen, um „noch stärker seine Verantwortung“ bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität wahrzunehmen, heißt es in dem Papier.

Was bedeutet Clan-Kriminalität?

► Wenn die Rede von Clans ist, sind meist bestimmte Mitglieder von Großfamilien mit türkisch-arabischen Wurzeln gemeint. In Deutschland gehören nach Schätzungen des Bundeskriminalamts (BKA) rund 200.0000 Menschen zu solchen Großfamilien. Die meisten von ihnen sind nicht kriminell. Einige aber haben sich zu Gruppierungen zusammengeschlossen, die Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität begehen.

► Viele gehören den sogenannten Mhallami an, einer arabischstämmigen Volksgruppe. Ihre Vorfahren wurden nach dem Ersten Weltkrieg aus der Türkei vertrieben, kamen dann in den Libanon. Als dort Bürgerkrieg ausbrach (1975 bis 1990), flohen viele der Familien nach Deutschland. Häufig wird deshalb auch von Libanesen-Clans gesprochen.

► Als Clankriminalität bezeichnen die Behörden Straftaten, die sich aus diesen ethnisch abgeschotteten Subkulturen heraus entwickeln.

► Die kriminellen Clan-Mitglieder begehen schwere Straftaten, wie Menschenhandel, Betrug, Erpressung und Raub.

► Laut Landeskriminalamt gibt es bei jedem fünften Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität Bezüge zu Familienclans.

„Rätt Kurva“ in Schweden: NRWs Kampf gegen Clan-Kriminalität ist bereits internationales Vorbild

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag setzt bei vielen ihrer Forderungen auf Maßnahmen, die in NRW bereits etabliert sind. Doch der nordrhein-westfälische Kampf gegen Clankriminalität dient schon jetzt als Vorbild auf internationaler Ebene. Seit dem 1. September 2023 läuft ein Ableger des NRW-Kriminalitätspräventionsprogramms „Kurve kriegen“ auch in Schweden. In den Städten Södertälje, Linköping und Göteborg sollen Kinder und Jugendliche aus dem Clan-Milieu auf die „Rätt Kurva“ („richtige Kurve“) gebracht werden. „Was bei uns funktioniert, funktioniert auch in Schweden“, sagte Reul dazu – und vielleicht auch bald im Bund. (mg)

Rubriklistenbild: © Markus Gayk/dpa